.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:21.03.2022
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/53-2021
Rechtsgrundlage:MVG-EKD § 17, § 28 Absatz 1, § 33 Absatz 1
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen, 2. Kammer, Az. 2 M 13/21 vom 06.07.2021
Schlagworte:Ausschluss von Vertreter*innen der Mitarbeitervertretung
#

Leitsatz:

1) Der Ausschluss eines Mitglieds aus der Mitarbeitervertretung bedarf nach § 17 MVG.-EKD eines groben Missbrauchs von Befugnissen oder eines groben Verletzung von Pflichten, die sich aus dem MVG-EKD ergeben.
2) Unter einer groben Pflichtverletzung ist eine solche zu verstehen, durch die das auszuschließende Mitglied durch ein zurechenbares Verhalten die Funktionsfähigkeit der Mitarbeitervertretung ernstlich bedroht oder lahmgelegt hat, so dass die weitere Amtsausübung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als untragbar erscheint. Auch bei leichten, wiederholten Pflichtverletzungen kann eine Einstufung als „grob“ möglich sein, wenn die Pflichtverletzung beharrlich fortgesetzt wird.
3) Es handelt sich nicht um eine Sprechstunde im Sinne von § 28 Abs. 1 MVG-EKD, wenn einzelne Mitglieder der Mitarbeitervertretung anzeigen, dass sie während bestimmter Zeiten im Büro der Mitarbeitervertretung für Gespräche erreichbar sind.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 bis 4 wird der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen - 2. Kammer – vom 6. Juli 2021, Az. 2 M 13/21, abgeändert und der Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die zu 1 beteiligte Mitarbeitervertretung will die Beteiligten zu 2 bis 4 aus der Mitarbeitervertretung ausschließen lasse. Die Beteiligte zu 5 ist die Leitung der Dienststelle, in der die Mitarbeitervertretung gebildet ist.
Die Beteiligten zu 2 bis 4 legten ohne Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung und Information der Dienststellenleitung für den 22. Januar 2021 den Termin für eine Sprechstunde fest und teilten diesen in einer E-Mail vom 17. Januar 2021 an mehrere zur Dienststelle gehörende Einrichtungsteile mit. Die E-Mail lautete unter anderem:
„… ich möchte am Freitag, 22.1., eine offene Sprechstunde im Büro der Mitarbeitervertretung einrichten.
Von 11h bis 15h wäre ich mit zwei meiner Kollegen im Büro und wir würden Euch gerne Beratungen anbieten.
Es geht um die Corona-Prämie, die Unterschiede im BAT und AVR, …
Bis bald
…“
Die E-Mail wurde mit den Namen der Beteiligten zu 4, 2 und 3 abgeschlossen.
Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung wurde am 19. Januar 2021 von der Dienststellenleitung auf die Sprechstunden und das insoweit fehlende Einvernehmen mit der Dienststellenleitung angesprochen. Ebenfalls am 19. Januar 2021 erfuhr die Mitarbeitervertretung von der Einladung eines Geschäftsführers der Geschäftsstelle I an fünf dort tätige Mitglieder der Mitarbeitervertretung zu einem Gespräch zur Zusammenarbeit der Mitarbeitervertretung mit den Führungskräften der Region I/J.
In der Sitzung der Mitarbeitervertretung am 19. Januar 2021 fragte der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung, ob jemand von den Mitgliedern der Mitarbeitervertretung aus I Kenntnis von einer Sprechstunde am 22. Januar 2021 hätte. Die Beteiligten zu 3 und 4 erklärten, hiervon nichts zu wissen und Derartiges nicht geplant zu haben. Der Beteiligte zu 2 äußerte sich nicht. Die Mitarbeitervertretung beschloss, der Personalabteilung eine entsprechende Antwort zu übermitteln. Die Beteiligte zu 3 als seinerzeitige Stellvertreterin der Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung wurde von diesem gebeten, eine entsprechende Antwort vorzubereiten.
Die Beteiligte zu 3 entwarf ein Schreiben, das sie dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung per E-Mail übersandte. Der Entwurf lautet:
„… die Mitarbeitervertretung plant keine Sprechstunde in der Region I/J am 22.1.2021.
Die Mitarbeitervertretung richtet keine Sprechstunde in dieser Region aus.
Der § 28 Abs. 1, Satz 2 MVG EKD wird in keiner Weise beeinträchtigt oder verletzt.
Im Büro der Mitarbeitervertretung wird gemäß ihrem Beratungsangebot im eigenen Mitarbeiterbüro I die Telefonleitung besetzt und vor Ort werden Beratungsfragen, nach den allgemeinen und aktuellen Hygienebedingungen, beantwortet.“
Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung sandte am 19. Januar 2021 eine E-Mail an den Personalleiter der Dienststellenleitung, die wie folgt lautet:
„… die Mitarbeitervertretung plant keine Sprechstunde in der Region I/J am 22.1.2021.
Die Mitarbeitervertretung richtet keine Sprechstunde in dieser Region aus.
Im Büro der Mitarbeitervertretung wird gemäß ihrem Beratungsangebot im eigenen Mitarbeiterbüro I die Telefonleitung besetzt und vor Ort werden Beratungsfragen, nach den allgemeinen und aktuellen Hygienebedingungen, beantwortet.
Der § 28 Abs. 1, Satz 2 MVG EKD wird in keiner Weise beeinträchtigt oder verletzt.“
Ferner teilte die Mitarbeitervertretung dem Geschäftsführer aus der Geschäftsstelle I mit, dass es keine Mitarbeitervertretung in I gebe und die Mitarbeitervertretung das Gespräch zur Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitervertretung und den Führungskräften der Region I/J ablehne.
Der Personalleiter benachrichtigte den Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung am 20. Januar 2021 telefonisch, dass es eine Einladung per E-Mail zu einer offenen Sprechstunde gebe. Er bot dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung an, diese E-Mail zu beschaffen. Dieser erklärte, sich die Einladung intern zu beschaffen. Auf Nachfrage bei der Beteiligten zu 3 um 9.52 Uhr per E-Mail erklärte diese per E-Mail um 10.05 Uhr, dass sie keine Einladung hätte. Sie böten eine Beratung im Büro persönlich oder per Telefon von 11.00 Uhr bis 15.00 Uhr an. Auf die Bitte des Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung, ihn anzurufen, teilte die Beteiligte zu 3 mit, dass sie frei habe und am kommenden Tag wieder im Büro sei. Eine E-Mail des Vorsitzenden von 11.23 Uhr, mit der er mitteilte, dass es um die Nachricht gehe, die die Beteiligte zu 3 an die Einrichtungen geschickt habe, blieb unbeantwortet. Sodann erhielt der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung auf sein Bitten die E-Mail der Beteiligten zu 3 vom 17. Januar 2021 zur Kenntnis übersandt. Er selbst wandte sich daraufhin am 20. Januar 2021 um 14.51 Uhr mit folgender E-Mail an den Adressatenkreis der E-Mail vom 17. Januar 2021:
„… aufgrund von Missverständnissen bei Absprachen in der MAV … möchten wir die angekündigte offene Sprechstunde am Freitag, dem 21.01.2021, in diesem Rahmen absagen. Natürlich sind wir in der MAV Geschäftsstelle in I und in K für telefonische Beratung und Fragen wie gewohnt für euch zu erreichen.“
Die Beteiligte zu 3 beschwerte sich daraufhin bei einem anderen Mitglied der Mitarbeitervertretung, dass man hinter ihrem Rücken tätig geworden sei. Um 18.51 Uhr am 20. Januar 2021 sandte an die Einrichtungen eine Mail, die wie folgt lautete:
„… ergänzend zu der heutigen Email von dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung möchte ich Euch auf Folgendes aufmerksam machen. Die Geschäftsleitung hat darauf hingewiesen, dass eine Absprache mit ihr erforderlich ist, wenn eine Sprechstunde stattfindet, die ihr auch während Eurer Arbeitszeit nutzen könnt. Einer solchen Sprechstunde hat die Geschäftsleitung kurzfristig nicht zugestimmt. Wir planen daher, sie zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden zu lassen. Am kommenden Freitag, dem 22.1., könnt ihr natürlich trotzdem mit Fragen und Problemen an uns im MAV-Mitarbeitendenbüro wenden, Ihr solltet es aber nicht während Eurer Arbeitszeit machen. Ich muss Euch leider darauf hinweisen, dass der Ausfall von Arbeitszeit nicht vom Dienstgeber erstattet wird, da es sich, wie erwähnt, nicht um eine Sprechstunde im Sinne von § 28 MVG-EKD handelt.“
Es folgten mit kollegialen Grüßen die drei Namen der Beteiligten zu 4, 2 und 3 sowie mit freundlichen Grüßen auch nochmals der Name der Beteiligten zu 3.
Ferner sandte sie dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung eine E-Mail, in der sie mitteilte, dass am 22. Januar 2021 keine Sprechstunde im Sinne von § 28 MVG-EKD stattfinden werde, insbesondere, dass Anfragen nur außerhalb der Arbeitszeit erfolgen sollten.
Am 22. Januar 2021 waren die Beteiligten zu 2 bis 4 im Büro der Mitarbeitervertretung anwesend. Es erschienen elf Mitarbeitende.
Die Beteiligten zu 2 bis 4 wurden von der Mitarbeitervertretung vergeblich aufgefordert, ihr Amt niederzulegen.
Die Mitarbeitervertretung fasste am 26. Februar 2021 die Beschlüsse:
- Die Mitarbeitervertretung beantragt die Kostenübernahme für eine Rechtsberatung und Vertretung bei der Schlichtung zum Sachverhalt „Ausschlussverfahren von den 3 MAV Mitgliedern x, y und z“.
- Mit der Rechtsberatung und Vertretung vor der Schlichtung soll das Rechtsanwaltsbüro …. beauftragt werden.
Die Mitarbeitervertretung ist davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Beteiligten zu 2 bis 4 aus der Mitarbeitervertretung vorlägen.
Sie hat beantragt,
den Ausschluss der Beteiligten zu 2 bis 4 aus der Mitarbeitervertretung zu beschließen.
Die Beteiligten zu 2 bis 4 haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
und der Antragstellerin aufzugeben, die Teilnahme der AG an der Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht zu beschließen,
hilfsweise,
den Beschluss der Antragstellerin vom 6. April 2011, mit der die Teilnahme der AG an der 19. Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht verwehrt wird, aufzuheben und die AStin zu verpflichten, erneut zu beschließen.
Sie haben die ordnungsgemäße Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung zur Einleitung des Verfahrens bestritten. Die Gründe für einen Ausschluss seien nicht gegeben.
Das Kirchengericht hat dem Antrag der Mitarbeitervertretung mit Beschluss vom 6. Juli 2021 stattgegeben. Gegen diesen Beschluss, der den Beteiligten zu 2 bis 4 am 16. September 2021 zugestellt wurde, haben diese mit Schriftsatz vom 20. September 2021, der am selben Tage beim Kirchengerichtshof einging, Beschwerde eingelegt. Auf den am 11. Oktober 2021 eingegangenen Antrag der Beteiligten zu 2 bis 4 hat der Kirchengerichtshof die Frist zur Begründung der Beschwerde bis zum 16. Dezember 2021 verlängert. Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2021, der am selben Tage beim Kirchengerichtshof einging, haben die Beteiligten zu 2 bis 4 die Beschwerde begründet.
Sie sind der Auffassung, dass nicht von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung zu ihrem Ausschluss und von ausreichenden Gründen für diesen Ausschuss auszugehen sei.
Die Beteiligten zu 2 bis 4 beantragen,
unter Abänderung des Beschlusses der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen (2 M13/21) den Antrag abzuweisen.
Die Beteiligte zu 1 beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des Kirchengerichts für zutreffend und trägt weiter zur Beschlussfassung zum Ausschluss der Beteiligten zu 2 bis 4 vor, die bereits am 12. Februar 2021 erfolgt sei. Wegen der Einzelheiten dieses Vortrags wird auf Bl. 3 des Schriftsatzes der Beteiligten zu 2 bis 4 vom 11. März 2022 verwiesen. Im Übrigen weist sie auf Äußerungen der Beteiligten zu 2 bis 4 nach Einleitung des Verfahrens hin.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 63 Abs. 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Die Beschwerde ist begründet, weil der Antrag der Mitarbeitervertretung zulässig, aber unbegründet ist.
a) Der Antrag ist zulässig. Nach § 17 MVG-EKD sind für die Entscheidung über den Ausschluss aus der Mitarbeitervertretung die Kirchengerichte zuständig. Nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 im Schriftsatz vom 11. März 2022 ist davon auszugehen, dass eine ordnungsgemäße Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung zur Einleitung des Verfahrens vorlag.
b) Der Antrag ist unbegründet.
Voraussetzung für einen Ausschluss aus der Mitarbeitervertretung ist nach § 17 MVG-EKD ein grober Missbrauch von Befugnissen oder eine grobe Verletzung von Pflichten durch die auszuschließenden Mitglieder der Mitarbeitervertretung. Daran fehlt es.
aa) Eine Pflichtverletzung liegt vor, soweit die Beteiligten zu einer Sprechstunde am 22. Januar 2021 eingeladen haben. Hierbei handelt es sich nicht um einen Missbrauch von Befugnissen, weil die Beteiligten zu 2 bis 4 mitarbeitervertretungsrechtlich über keine Befugnis verfügten, eine derartige Einladung auszusprechen. Die Einladung war eine Pflichtverletzung, weil sie gerade ohne eine solche Befugnis ausgesprochen wurde. Keine und keiner der Beteiligten hatte in irgendeiner Weise ein Recht, zu einer Sprechstunde einzuladen. Es fehlte insoweit sowohl an einem Beschluss der Mitarbeitervertretung, eine solche Sprechstunde durchzuführen, als auch an einer Berechtigung der Beteiligten zu 2 und 4, für die Mitarbeitervertretung nach außen mit einer Einladung zu agieren, und ferner an einem nach § 28 Absatz 1 MVG-EKD erforderlichen Einvernehmen mit der Dienststellenleitung. Diese Pflichtverletzungen waren aber nicht hinreichend „grob“ im Sinne des § 17 MVG-EKD. Unter einer groben Pflichtverletzung ist eine solche zu verstehen, durch die das auszuschließende Mitglied durch ein zurechenbares Verhalten die Funktionsfähigkeit der Mitarbeitervertretung ernstlich bedroht oder lahmgelegt hat, so dass die weitere Amtsausübung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als untragbar erscheint. Auch bei leichten, wiederholten Pflichtverletzungen kann eine Einstufung als „grob“ möglich sein, wenn die Pflichtverletzung beharrlich fortgesetzt wird (JMNS/Welge MVG-EKD § 17 Rdnr. 25). Der Pflichtverstoß muss objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein (Baumann-Czichon MVG-EKD § 17 Rdnr. 7). Erforderlich ist ein solcher Verstoß, dass zur Sicherung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Ordnung eine Abberufung notwendig erscheint (Andelewski/Küfner-Schmitt MVG.EKD § 17 Rdnr. 7). Ein Ausschluss kann nur bei nachhaltigen, objektiven Pflichtverstößen erfolgen (Fey/Rehren MVG.EKD § 17 Rdnr. 7). Nach diesen Grundsätzen handelt es sich nicht um einen groben Pflichtverstoß, weil die Anberaumung einer Sprechstunde ohne Beschluss der Mitarbeitervertretung zwar ein schwerwiegender Verstoß gegen § 28 Absatz 1 MVG-EKD ist, der allein der Mitarbeitervertretung und damit nicht einzelnen Mitgliedern das Recht zur Durchführung einer Sprechstunde gibt. Ebenfalls ist es ein schwerwiegender Pflichtverstoß, dass die Beteiligten zu 2 bis 4 für die Mitarbeitervertretung handelten, ohne von dieser dazu befugt worden zu sein. Und schließlich ist es auch noch schwerwiegend, eine Sprechstunde entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Absatz 1 MVG-EKD ohne Einvernehmen der Dienststellenleitung durchführen zu wollen. Das alles zeigt, dass sich die Beteiligten zu 2 bis 4 offensichtlich über das Gesetz stellen wollten, an das zu halten sie sich offensichtlich nicht verpflichtet fühlten. Gleichwohl ist dieser Vorwurf nicht schwerwiegend genug, weil es sich um einen episodenhaften Vorfall handelte, in dessen weiteren Verlauf die Beteiligten zu 2 bis 4 zwar ersichtlich widerwillig, aber im Ergebnis eindeutig auf die Durchführung einer Sprechstunde verzichteten und nur noch im Büro der Mitarbeitervertretung erreichbar waren und dort Gespräche führten. Das ist keine Sprechstunde, weil die Beschäftigten damit nicht berechtigt waren, diese während der Arbeitszeit in Anspruch zu nehmen. Durch dieses widerwillige Zurücknehmen des eigentlichen Vorhabens fehlt es dem Verhalten der Beteiligten zu 2 bis 4 an der erforderlichen Nachhaltigkeit oder Beharrlichkeit, um eine grobe Pflichtverletzung annehmen zu können.
Die bloße Erreichbarkeit eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung für die Besprechung beruflicher, wirtschaftlicher und sozialer Belange der Beschäftigten sowie das Führen solcher Gespräche ist keine Pflichtverletzung. Die Förderung dieser Belange gehört nach § 35 Absatz 1 Satz 1 MVG-EKD zu den Aufgaben der Mitarbeitervertretung. Obwohl die Mitarbeitervertretung im Bereich der Entgelte nur wenige Beteiligungsrechte hat, ist sie insoweit auch berechtigt, aktuelle Auseinandersetzungen über Entgelte zu begleiten. Ihr sind nämlich vom Gesetz ausdrücklich sowohl die wirtschaftlichen als auch die sozialen Belange der Beschäftigten zugewiesen. Also darf die Mitarbeitervertretung und dürfen ihre Mitglieder im Rahmen ihrer Tätigkeit darüber Gespräche mit den Beschäftigten führen. Zur Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgabe der Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Belange aus § 35 Absatz 1 Satz 1 MVG-EKD bedarf es solcher Gespräche sogar.
bb) Eine weitere Pflichtverletzung der Beteiligten zu 2 bis 4 liegt darin, dass sie in der Sitzung der Mitarbeitervertretung am 19. Januar 2021 wahrheitswidrig angegeben haben, nichts von einer Sprechstunde zu wissen, bzw. sich auf diese Frage verschwiegen haben. Als zu der Sprechstunde Einladende wussten sie, worum es ging, und waren aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung auch verpflichtet, dieses zu offenbaren, hatten sie doch in der Einladung zur Sprechstunde zu Unrecht den Eindruck erweckt, zur Anberaumung einer Sprechstunde berechtigt zu sein. Auch hier fehlt es aber an der Nachhaltigkeit, weil die Beteiligten zu 2 bis 4 im weiteren Verlauf ihre unwahren Bekundungen nicht aufrechterhalten haben. Das dieses allein geschah, weil der wirkliche Sachverhalt unter Mithilfe der Personalleitung mitgeteilt werden konnte, ändert daran nichts. Der Vorfall als solcher ist vereinzelt, steht im Zusammenhang mit der Pflichtverletzung, die unter Ziffer aa) behandelt wurde, und ist als solcher nicht von einer solchen Schwere, dass die Sicherung einer ordnungsgemäßen Mitarbeitervertretung eine Abberufung erfolgen müsste.
An dieser Bewertung ändert es auch nichts, dass das Verhalten der Beteiligten zu 2 bis 4 als Feigheit verstanden werden könnte, zu ihrem eigenen Verhalten zu stehen. Das erstaunt, stellen sich die Beteiligten zu 2 bis 4 doch sonst als aufrechte Bastion gegen die arbeitgeberfreundliche Mitarbeitervertretung dar. Eine solche Feigheit wäre aber für die Annahme eines Ausschlussgrundes unbeachtlich, weil auch sie nicht dazu führen könnte, dass ein Ausschluss zur Wahrung eines ordnungsgemäßen mitarbeitervertretungsrechtlichen Miteinanders geboten wäre.
cc) Das Verhalten der Beteiligten zu 3 am 20. Januar 2021 gegenüber dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung stellt ebenfalls eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, weil sie ihm gegenüber wahrheitswidrige Angaben zu der Einladung zur Sprechstunde gemacht hat. Es fehlt aber aus den genannten Gründen daran, diese Pflichtverletzung als „grob“ qualifizieren zu können.
dd) Schließlich liegt eine weitere Pflichtverletzung darin, dass die Beteiligten zu 2 bis 4 in der E-Mail vom 20. Januar 2021, 20.51 Uhr, ausführten, dass die Durchführung der Sprechstunde daran gescheitert sei, dass die Geschäftsleitung darauf hingewiesen habe, dass eine Absprache mit ihr erforderlich sei. Das stimmt nicht. Es fehlte vielmehr eine Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung zur Durchführung der Sprechstunden. Die Beteiligten zu 2 bis 4 haben versucht, ihre fehlende Befugnis zur Anberaumung einer Sprechstunde zu verschweigen und stattdessen die Geschäftsleitung als Sündenbock dastehen zu lassen. Diese mangelnde Aufrichtigkeit ist nicht nur bedauerlich, sondern auch pflichtwidrig, weil sie gegen § 33 Absatz 1 MVG-EKD verstößt. Die Verpflichtung zur vertrauensvollen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit beinhaltet, dass Mitglieder der Mitarbeitervertretung nicht unrichtige Behauptungen über die Dienststellenleitung aufstellen dürfen, die geeignet sind, diese bei den Beschäftigten zu diskreditieren. Auch hier fehlt es nur deshalb an einem groben Verstoß, weil es sich um ein auf eine Episode beschränktes Verhalten handelte. Die in diesem Schreiben möglicherweise ebenfalls zum Ausdruck kommende Feigheit, zu eigenen Fehlern zu stehen, erschwert den Vorwurf aus den oben genannten Gründen nicht so, dass ein Ausschluss aus der Mitarbeitervertretung erfolgen müsste.
ee) Kein Pflichtverstoß liegt darin, dass die Beteiligte zu 2 sich in einem Telefonat mit einem anderen Mitglied der Mitarbeitervertretung am 20. Januar 2022 darüber beschwert hat, dass „man hinter ihrem Rücken tätig geworden sei“. Das ist eine nicht nachvollziehbare Bewertung, wenn berücksichtigt wird, mit welcher Schonung der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung in seiner E-Mail an die Einrichtungen vom 20. Januar 2021, 14.51 Uhr, mit den Beteiligten zu 2 bis 4 umgegangen ist, die hinter dem Rücken der Mitarbeitervertretung eine Sprechstunde anberaumt und hierzu gleichwohl in der Sitzung der Mitarbeitervertretung vom 19. Januar keine oder falsche Angaben gemacht hatten. Es ist bemerkenswert, mit welcher Größe der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung sich in der Mail gleichwohl loyal gegenüber den Beteiligten zu 2 bis 4 verhalten hat, in dem er als Grund „Missverständnisse bei Absprachen in der MAV“ angab. Gleichwohl ist die Beschwerde der Beteiligten zu 3, man sei hinter ihrem Rücken tätig geworden, durch die Meinungsfreiheit gedeckt und keine Pflichtverletzung. Dabei wäre statt einer Beschwerde Dankbarkeit angebracht gewesen.
ff) Es kann dahingestellt bleiben, ob mehrere Pflichtverletzungen, die je für sich nicht ausreichen, mit der Folge zusammengefasst werden können, dass sie bei einer Gesamtwertung als grobe Pflichtverletzung anzusehen sind. Selbst wenn das möglich wäre, wäre auch bei einer Gesamtbewertung zu berücksichtigen, dass es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handelte, in dessen Verlauf die Beteiligten zu 2 bis 4 zwar widerwillig, aber gleichwohl ihr rechtswidriges Anliegen auf einen zulässigen Kern reduziert haben. Ein Ausschluss aus der Mitarbeitervertretung zur Wahrung der Funktionsfähigkeit mitarbeitervertretungsrechtlicher Vorgaben ist nicht geboten.
ff) Äußerungen und Verhalten im Verlaufe des Verfahrens können nicht zur Begründung eines Ausschlusses herangezogen werden, weil kein Beschluss des Mitarbeitervertretung ersichtlich ist, dass derartige Gründe in das Verfahren nachgeschoben werden sollen. Ohne derartigen Beschluss verbleibt es bei den Gründen, die Anlass zur Einleitung des Verfahrens waren. Die Mitarbeitervertretung hat nämlich nach § 17 MVG-EKD darüber zu entscheiden, aus welchen Gründen sie einen Ausschluss aus der Mitarbeitervertretung beantragen will. Dem stünde es entgegen, wenn das Umstände berücksichtigen könnte, die nach Einleitung des Verfahrens geschehen und nicht zum Gegenstand einer Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung gemacht worden sind.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD)