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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:21.03.2022
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/9-2021
Rechtsgrundlage:KTD EP 7, EP 8
Vorinstanzen:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Schlagworte:Eingruppierung Altenpfleger*innen mit Zusatzmerkmal Wundexperte/-in
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Leitsatz:

1) Für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe EP 8 ist es nicht ausreichend, dass die Beschäftigten über die dort genannte Zusatzqualifikationen im Wundmanagement, als Hygienebeauftragte oder als Pain Nurse verfügen.
2) Nach der Vorbemerkung 5 ist das Merkmal der erforderlichen Zusatzqualifikation nur erfüllt, wenn Rechtsvorschriften oder vertragliche Vereinbarungen mit dem Kostenträger die Zusatzqualifikation erforderlich machen oder dieses durch eine Dienstvereinbarung geregelt ist.
3) Der Umstand, dass die Beschäftigten mit ihrer Zusatzqualifikation zur Wundversorgung im Organigramm einer Dienststelle gesondert ausgewiesen sind, ändert dieses nicht.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland 22. Dezember 2020, Az. NK-MG 6 10 /2020 DWHH, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten sich über die Frage, ob die Mitarbeitervertretung der Eingruppierung von Beschäftigten zu Unrecht die Zustimmung verweigert hat.
Die Dienststelle wendet den Tarifvertrag KTD auf alle bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an. Die Mitarbeitervertretung verweigerte auf Beteiligung durch die Dienststellenleitung und nach Erörterung mit Schreiben vom 30. April 2020, das bei der Dienststellenleitung am 4. Mai 2020 einging, unter anderem die Zustimmung zur Eingruppierung von Beschäftigten in die Entgeltgruppe EP 7, weil diese nach Ansicht der Mitarbeitervertretung in die Entgeltgruppe EP 8 eingruppiert seien.
Die betroffenen Beschäftigten, die sämtlich bereits vor dem 1. Januar 2020 in der Dienststelle tätig und in die Entgeltgruppe E 7 eingruppiert waren, sind als Altenpflegerin bzw. Altenpfleger tätig und verfügen über eine Zusatzqualifikation als Wundexperte bzw. Wundexpertin oder Pain Nurse. Der Umfang der wundversorgenden Tätigkeit liegt bei Wundexpertinnen und -experten zwischen 3,3 und 10,1 % ihrer insgesamt ausgeübten Tätigkeit, bei der Pain Nurse bei 1 % der Gesamttätigkeit.
Die Dienststellenleitung ist der Auffassung, dass die Beschäftigten von der Entgeltgruppe E 7 in die Entgeltgruppe EP 7 übergeleitet worden seien. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe EP 8 scheide aus, weil die übertragene Tätigkeit als Wundexperte oder Wundexpertin bzw. Pain Nurse nicht überwiegend ausgeübt werde.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
festzustellen, dass für den Antragsgegner kein Grund vorliegt, die Zustimmung zur Eingruppierung
  1. von acht Mitarbeitenden in die Entgeltgruppe EP 7 der Abteilung 3 der Entgeltordnung der Kirchlichen Tarifvertrages Diakonie – KTD
  2. ...
  3. ...
zu verweigern,
hilfsweise,
die Zustimmung der Antragsgegners in die Eingruppierung
  1. der acht Mitarbeitenden in die Entgeltgruppe EP 7 der Abteilung 3 der Entgeltordnung der Kirchlichen Tarifvertrages Diakonie – KTD
  2. ...
  3. ...
zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die im Antrag zu 1 genannten Beschäftigten in die Entgeltgruppe EP 8 eingruppiert seien. Sie erfüllten das Merkmal der erforderlichen Zusatzqualifikation im Sinne der Entgeltgruppe EP 8 Satz 1, weil sie über die in der Entgeltgruppe EP 8 Satz 2 genannten Zusatzqualifikationen verfügten. Es käme nicht auf deren tatsächliche Ausübung an, sondern nur auf deren Vorliegen. Insoweit gehe EP 8 Satz 2 der Vorbemerkung in Ziffer 5 zur Entgeltordnung als speziellere Regelung vor.
Das Kirchengericht hat dem Antrag zu 1. der Dienststellenleitung unter Abweisung der Anträge zu 2. und 3. mit Beschluss vom 8. Dezember 2020 stattgegeben. Gegen diesen Beschluss, der der Mitarbeitervertretung am 23. Dezember 2020 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 21. Januar 2021, der am selben Tag beim Kirchengerichtshof einging, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 18. Februar 2021, der am selben Tage beim Kirchgerichtshof einging, begründet.
Die Mitarbeitervertretung hält die Entscheidung der Kirchengerichts für unzutreffend, weil die betroffenen Beschäftigten in die Entgeltgruppe EP 8 eingruppiert seien. Für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe EP 8 sei die Zusatzqualifikation im Wundmanagement, als Hygienebeauftragte oder als Pain Nurse nicht tätigkeitserforderlich im Sinne der Entgeltgruppe EP 8 Satz 1 und der Vorbemerkung Ziffer 5 zur Entgeltordnung. Der Wortlaut der Regelung sei unklar. Ausschlaggebend sei, dass Pflegefachkräfte der Entgeltgruppe EP 7 aufgrund ihrer Ausbildung in den Bereichen Wundversorgung, Hygienebeauftragte und Pain Nurse tätig werden dürften. Demgemäß seien die in EP 8 Satz 2 genannten Qualifikationen nie tätigkeitserforderlich i.S.d. EP 8 Satz 1. Deshalb müsse die Regelung so verstanden werden, dass die Tarifvertragsparteien die Erforderlichkeit der Zusatzqualifikationen nach EP 8 Satz 2 unterstellt hätten, ohne dass es insoweit auf die Ziffer 5 der Vorbemerkung zu den Entgeltgruppen ankomme.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland vom 22. Dezember 2020, NK-MG 6 10/2020 DWHH, teilweise abzuändern, soweit er festgestellt hat, dass für die Antragsgegnerin kein Grund vorliegt, die Zustimmung zur Eingruppierung der acht Mitarbeitenden in die Entgeltgruppe EP 7 der Abteilung 3 der Entgeltordnung der Kirchlichen Tarifvertrages Diakonie – KTD zu verweigern.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Gruppe EP 7 gegeben seien. Eine Eingruppierung in die Gruppe 8 komme nicht in Frage, weil die Beschäftigten nicht über eine für die Tätigkeit erforderliche Zusatzqualifikation verfügten.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof hat sie zur Entscheidung angenommen.
2. Die Beschwerde ist unbegründet, weil der zulässige Antrag der Dienststellenleitung begründet ist.
a) Der Antrag ist zulässig. Die Dienststellenleitung hat form- und fristgerecht nach Eingang der Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung am 4. Mai 2020 mit Antrag vom 18. Mai 2020 beim Kirchengericht den Antrag auf Feststellung eingereicht, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund für die Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung der genannten Beschäftigten in die Gruppe EP 7 vorliegt.
b) Der Antrag ist unbegründet.
Für die Beschäftigten liegen die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Gruppe EP 7 vor, weil sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer Qualifikation als Pflegefachkraft im Sinne des SGB XI mit entsprechenden Tätigkeiten sind.
Die Beschäftigten erfüllen entgegen der Meinung der Mitarbeitervertretung nicht die Voraussetzungen der Gruppe EP 8. Zwar verfügen sie über die in der Gruppe EP 8 Satz 2 genannte Zusatzqualifikationen im Wundmanagement, als Hygienebeauftragte oder als Pain Nurse. Das ist aber nicht ausreichend. Nach der Vorbemerkung 5 ist das Merkmal der erforderlichen Zusatzqualifikation nur erfüllt, wenn Rechtsvorschriften oder vertragliche Vereinbarungen mit dem Kostenträger die Zusatzqualifikation erforderlich machen oder dieses durch eine Dienstvereinbarung geregelt ist. Keines dieser Erfordernisse liegt vor. Der Umstand, dass die Beschäftigten mit ihrer Zusatzqualifikation zur Wundversorgung im Organigramm der Dienststelle gesondert ausgewiesen sind, ändert dieses nicht. Es ist nicht ersichtlich, warum eine derartige gesonderte Nennung im Organigramm eines der drei oben genannten Merkmale erfüllen sollte. Selbst wenn die Dienststelle mit der Zusatzqualifikation der Beschäftigten Werbung für ihre Einrichtung gemacht haben sollte, machen Rechtsvorschriften oder eine Vereinbarung mit dem Kostenträger die Zusatzqualifikation nicht erforderlich für die Tätigkeit. Der Ausweis in einem Organigramm erfüllt keine der drei in der Vorbemerkung 5 genannten Voraussetzungen.
Entgegen der Meinung der Mitarbeitervertretung ergibt sich nicht aus Satz 2 der Gruppe EP 8, dass die dort genannten Zusatzqualifikation stets und unabhängig von den Voraussetzungen der Vorbemerkung 5 erforderlich sind. Das ergibt eine Auslegung der Regelung.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut der Norm. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 13. Mai 1998, AP Nr. 242 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Danach folgt aus EP 8 Satz 2 nicht, dass die dort genannten Zusatzqualifikationen immer tätigkeitserforderlich sind. Das folgt schon aus dem Wortlaut der Regelung. Diese schließt mit dem Wort „Mindestanforderung“ unmittelbar an das nur fünf Wörter davorstehende Wort „mindestens“ an. Weitere „Mindestanforderungen“ sind in Satz 1 der EP 8 nicht vorgesehen. Zwar hat die Anwendung von Satz 1 bestimmte Voraussetzungen, jedoch keine, die mit einem ausdrücklich erwähnten Mindestmaß zu tun haben. Es kann vom Wortlaut her nicht angenommen werden, dass die gesamten in Satz 1 genannten Voraussetzungen als „Mindestanforderung“ im Sinne von Satz 1 angesehen werden, weil es sich dabei um eine Mehrzahl von Voraussetzungen und nicht nur um eine Mindestanforderung, von der im Satz 2 die Rede ist, handelt. Dass diese Bedeutung des Wortlauts den Tarifvertragsparteien bewusst war, ergibt sich aus Satz 4 von EP 8. Dort ist nämlich geregelt, dass in einer Dienstvereinbarung von den „Voraussetzungen“ des Satzes 1 abgewichen werden kann. Das zeigt, dass mit der Bezugnahme auf nur eine Mindestanforderung in Satz 2 nicht eine Mehrzahl von Voraussetzungen in Satz 1 gemeint ist. Soweit die Mitarbeitervertretung meint, aus dem Wort „unbeschadet“ in Satz 2 ableiten zu können, dass es in Satz 1 nicht nur um die Anzahl der Stunden gehen kann, ist dieses nicht überzeugend. Satz 2 lässt sich unter erläuternder Ersetzung des Wortes „unbeschadet“ zwanglos so verstehen, dass für die dort genannten Zusatzqualifikationen die Erfüllung der Mindestdauer von 150 Stunden nicht erfüllt zu sein braucht, ohne dass dadurch die in Satz 1 genannte Mindestdauer im Übrigen, also bei allen anderen denkbaren Zusatzqualifikationen, Schaden nehmen soll – unbeschadet eben. Neben dem Wortlaut spricht der systematische Zusammenhang des Tarifs für das Verständnis. Das folgt schon daraus, dass die Vorbemerkung 5 keinerlei Ausnahmen erkennen lässt, obwohl diese nach dem Verständnis der Mitarbeitervertretung in EP 8 Satz 2 an prominenter Stelle auftreten würden. Ferner erlaubt EP 8 Satz 4 aus den oben genannten Gründen nur den Schluss, dass es in EP 8 Satz 1 um eine Mehrzahl von Voraussetzungen geht und nicht nur um eine Mindestanforderung. Kein Argument für die Auffassung der Mitarbeitervertretung ergibt sich daraus, dass alle Pflegefachkräfte aufgrund ihrer Ausbildung zu den in EP 8 Satz 2 genannten Tätigkeiten ohne eine Zusatzausbildung qualifiziert seien. Gerade hieraus ergibt sich vielmehr das Erfordernis, für diese Pflegefachkräfte im Sinne der Vorbemerkung 5 eine gesonderte Regelung zu verlangen, um die Erforderlichkeit für die Tätigkeit begründen zu können. Ferner zeigt ein Vergleich mit EP 9 Satz 2, dass sich EP 8 Satz 2 nur auf die Voraussetzung der Mindestdauer der Zusatzausbildung bezieht. Während nämlich EP 8 Satz 2 für die Regelungsmöglichkeiten der Dienstvereinbarung auf die „Voraussetzungen“ von Satz 1 verweist, regelt EP 9 Satz 2 nur, dass durch Dienstvereinbarung geregelt werden kann, was erforderliche Zusatzqualifikationen sind. Auch damit wird deutlich, dass EP 8 Satz 2 nur eine der Voraussetzungen, nämlich das Erfordernis von mindestens 150 Stunden betrifft. Der nachvollziehbare sachliche Grund für die Regelung ergibt sich daraus, dass für die in EP 8 Satz 2 vorgesehenen Zusatzqualifikationen auch Ausbildungen mit einer Dauer von weniger als 150 Stunden möglich sind, die vom Tarifvertrag offensichtlich nicht ausgeschlossen werden sollten.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).