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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:15.08.2021
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/6-21
Rechtsgrundlage:Kirchlicher Tarifvertrag Diakonie (KTD), Anlage 1 (Entgeltordnung)
Vorinstanzen:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland, Kammer für den Bereich des DW Hamburgs, Az. NK-MG 5 4/2020 DWHH
Schlagworte:Eingruppierung als eine Pain Nurse
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Leitsatz:

1. Die Eingruppierung in die Entgeltgruppe EP 8 der Anlage 1 zum kirchlichen Tarifvertrag der Diakonie setzt neben dem Erwerb der dort aufgeführten Zusatzqualifikationen voraus, dass die Zusatzqualifikation für die übertragene Tätigkeit erforderlich ist.
2. Überträgt die Dienststellenleitung der Beschäftigten die mit der Zusatzqualifikation verbundene Tätigkeit, besteht ein Anspruch auf Vergütung aus der Entgeltgruppe EP 8 der Anlage 1 zum kirchlichen Tarif-vertrag der Diakonie.

Tenor:

Die Beschwerde der Dienststelle gegen den Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland - Kammer für den Bereich des Diakonischen Werkes Hamburg vom 23. November 2020, Az. NK-MG 5 4/2020 DWHH, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Eingruppierung einer Beschäftigten, die als Pflegefachkraft für die Antragstellerin tätig ist und am 18. Dezember 2015 eine Zusatzqualifikation als „Pain Nurse“ erworben hat.
Auf das Beschäftigungsverhältnis findet der kirchliche Tarifvertrag Diakonie (KTD) Anwendung. Die Entgeltordnung zum KTD (Anlage 1 zum kirchlichen Tarifvertrag der Diakonie § 14) regelt die Eingruppierung der Beschäftigten. Unter Ziffer 5 der Vorbemerkung heißt es:
„Das Eingruppierungsmerkmal der Erforderlichkeit der Zusatzqualifikation gilt nur dann als erfüllt, wenn Rechtsvorschriften oder vertragliche Vereinbarungen mit dem Kostenträger die Zusatzqualifikation für die Tätigkeit notwendig machen oder dies durch eine Dienstvereinbarung geregelt ist.“
Eine Arbeitnehmerin mit einer Qualifikation als Pflegefachkraft ist eingruppiert in die Entgelt-gruppe EP 7. Die Entgeltgruppe EP 8 ist wie folgt geregelt:
„Arbeitnehmer/innen der Entgeltgruppe EP 7 Fallgruppe mit einer für die Tätigkeiten er-forderlichen Zusatzqualifikation im Umfang von mindestens 150 Stunden. Unbeschadet dieser Mindestanforderung erfüllt eine Zusatzqualifikation im Wundmanagement, als Hy-gienebeauftragte oder als Pain Nurse diese Voraussetzung. Über eine Dienstvereinbarung werden Einzelheiten geregelt, insbesondere was erforderliche Zusatzqualifikationen sind. In dieser Dienstvereinbarung kann auch von den Voraussetzungen des Satzes 1 abgewichen werden.“
Die Beteiligten, die Antragstellerin sowie die bei der Antragstellerin gebildete Mitarbeitervertre-tung haben eine Dienstvereinbarung über die Festlegung von eingruppierungsrelevanten Zu-satzqualifikationen am 17. März 2020 vereinbart.
Dort heißt es:
„Ziffer 3 Übergangsbestimmungen
Die Eingruppierung in die Entgeltgruppe EP 8 und EP 9 ist vom Vorliegen einer für die Tätigkeit erforderlichen Zusatzqualifikation abhängig.
Ziffer 4. Erforderliche Zusatzqualifikation Entgeltgruppe EP 8
Als erforderliche Zusatzqualifikation wird in der Stiftung A neben den Fortbildungen im Wundmanagement, als Hygienebeauftragte und als Pain Nurse zusätzlich anerkannt:
- Weiterbildung Palliativcare für Pflegende (Umfang mindestens 150 h)
- Weiterbildung zur Qualitätsmanagementbeauftragten (Umfang mindestens 150 h)“
Im Organigramm der Antragstellerin für den Pflegebereich ist die Beschäftigte in dem Bereich „Haus D“ wie folgt aufgeführt:
„R.J.
AP 50 %
Pain Nurse
Inko-Beauftragte“
Des Weiteren ist sie in dem Bereich „Nachtwachen“ wie folgt aufgeführt:
„R.J.
AP 50%“
Die Antragstellerin begehrt die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Eingruppierung der Be-schäftigten in die Entgeltgruppe 7. Sie hat die Auffassung vertreten, für die Tätigkeit der Be-schäftigten als Altenpflegerin sei die Qualifikation als Pain Nurse nicht erforderlich.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, dass für die Antragsgegnerin kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zu der Eingruppierung der Mitarbeiterin R.J. in die Entgeltgruppe EP 7 der Abteilung 3 der Entgeltordnung des KTD vorliegt.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen
und die Auffassung vertreten, zutreffend sei eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8.
Das Kirchengericht hat den Antrag zurückgewiesen, zutreffend sei eine Eingruppierung der Beschäftigten in die Entgeltgruppe EP 8 der Abteilung 3. Bezüglich der näheren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die angefochtene Entscheidung vom 23. November 2020.
Mit der frist- und formgerecht eingereichten und begründeten Beschwerde verfolgt die Antrag-stellerin ihr Antragsbegehren weiter. Nicht jede in der Entgeltgruppe EP 8 aufgeführte Zu-satzqualifikation begründe einen Anspruch auf Eingruppierung in die EP 8; erforderlich sei, dass die Zusatzqualifikation für die Tätigkeit erforderlich sei. Keinen anderen Regelungsgehalt habe die zwischen den Beteiligten geschlossene Dienstvereinbarung. Für die Tätigkeit als Al-tenpflegerin sei die Zusatzqualifikation als Pain Nurse nicht erforderlich. Es obliege der unter-nehmerischen Entscheidung der Dienststelle, ob und inwieweit in einer stationären Pflegeein-richtung beratungs- und pflegerische Dienstleistungen mit dem spezifischen Kompetenzprofil einer „Pain Nurse“ angeboten werden. Der Erwerb der Zusatzqualifikation durch die Mitarbeite-rin habe auf einer intrinsischen Motiven der Beschäftigten beruht.
Die Antragstellerin beantragt,
die Entscheidung des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland - Kammer für den Bereich des Diakonischen Werkes Hamburg - vom 23. November 2020 abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin habe ein Inhouse-Seminar organisiert, zu dem Mitarbeiterinnen gesucht worden seien, die sich als Pain Nurse hätten fortbilden lassen wollen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die wechselsei-tigen Schriftsätze in der Beschwerdeinstanz.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Kirchengericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag der Dienststelle und Antragstellerin zurückgewiesen. Die Beschäftigte hat Anspruch auf Vergütung aus der Entgeltgruppe EP 8. Die Antragsgegnerin hat deshalb der beab-sichtigten Zustimmung zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe EP 7 zu Recht die Zustimmung verweigert.
1. Gemäß § 42 Buchstabe c) MVG-EKD hat die Mitarbeitervertretung bei den privatrechtlich angestellten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht u.a. bei der Eingruppierung. Sie darf nach § 41 Absatz 1 MVG-EKD ihre Zustimmung u.a. nur dann verweigern, wenn die Maßnahme gegen eine Rechtsvorschrift, eine Vertragsbestimmung, eine Dienstvereinbarung, eine Verwaltungsanordnung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige Entscheidung verstößt.
2. Die beabsichtigte Eingruppierung in die Entgeltgruppe EP 7 verstößt gegen den auf die Be-schäftigungsverhältnisse zur Anwendung kommenden kirchlichen Tarifvertrag Diakonie (KTD).
a) Nach § 14 Absatz 1 UA. 2 Satz 2 KTD ist die Arbeitnehmerin in der Entgeltgruppe eingrup-piert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Arbeitsvorgänge sind nach § 14 Absatz 1 UA. 3 KTD Arbeitsleis-tungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Arbeitnehmerin, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen.
b) Danach erfüllt die Tätigkeit der Beschäftigten zunächst die Voraussetzungen der Entgelt-gruppe EP 7, da sie Arbeitnehmerin mit einer Qualifikation als Pflegefachkraft im Sinne des SGB XI mit einer entsprechenden Tätigkeit ist.
c) Die Beschäftigte erfüllt auch die Voraussetzungen der Aufbauentgeltgruppe EP 8. Nach Satz 2 der Entgeltgruppe EP 8 erfüllt „unbeschadet dieser Mindestanforderung“ eine Zu-satzqualifikation u.a. als Pain Nurse die Voraussetzung einer Zusatzqualifikation im Sinne der Entgeltgruppe EP 8. In der Bezugnahme „unbeschadet dieser Mindestanforderung“ liegt eine Ausnahme von der grundsätzlich erforderlichen Mindeststundenzahl einer Zusatzqualifikation im Umfang von 150 Stunden. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut „Mindestanforderung“ und der daraus abzuleitenden Bezugnahme auf die in Satz 1 enthaltene Voraussetzung des Umfangs einer Zusatzqualifikation von „mindestens 150 Stunden“.
d) Nicht jede erworbene Zusatzqualifikation begründet einen Anspruch auf Vergütung aus der Entgeltgruppe EP 8, es muss sich um eine „für die Tätigkeit erforderliche Zusatzqualifikation“ handeln. Nach der Vormerkung 5 zur Entgeltordnung zum KTD ist das Merkmal der „Erforder-lichkeit der Zusatzqualifikation“ nur erfüllt, wenn Rechtsvorschriften oder vertragliche Vereinba-rungen mit dem Kostenträger die Zusatzqualifikation für die Tätigkeit notwendig machen oder dies durch eine Dienstvereinbarung geregelt ist. Einschlägige Rechtsvorschriften bzw. vertrag-liche Vereinbarungen mit dem Kostenträger sind seitens der Beteiligten nicht dargelegt worden; vorliegend ergibt sich für den Eingruppierungsanspruch der Beschäftigten die Erforderlichkeit der Zusatzqualifikation für ihre Tätigkeit aus der zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvereinbarung.
Aus Ziffer 4 der Dienstvereinbarung ergibt sich zunächst, dass die von der Beschäftigten er-worbene Zusatzqualifikation der „Pain Nurse“ als erforderliche Zusatzqualifikation grundsätz-lich anerkannt ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin folgt daraus nicht unmittelbar ein Anspruch auf die höhere Vergütung aus der Entgeltgruppe EP 8, hinzukommen muss nach Satz 2 von Ziffer 3 der Dienstvereinbarung, dass es sich um eine „für die Tätigkeit erforderliche“ Zusatzqualifikation handelt.
Welche Zusatzqualifikation erforderlich ist, obliegt, sofern es nicht bindende Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen mit den Kostenträgern gibt, der Entscheidung der Dienststelle, die den Dienstbetrieb organisiert. Entscheidet sie sich, die Tätigkeit einer „Pain Nurse“ für den Betrieb der Dienststelle in Anspruch zu nehmen, so ist die „Erforderlichkeit“ gegeben, da die unter-nehmerische Entscheidung in die betriebliche Praxis umgesetzt wird.
e) Die Antragstellerin führt die Beschäftigte im Haus D im Organigramm als „AP 50%, Pain Nurse, Inko-Beauftragte“. Organigramme weisen die in einem Betrieb oder in einer Einrichtung übertragenden Funktionen aus. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 vortra-gen lassen, dass „diese Organigramme insofern aussagekräftig für die Zuweisung der speziel-len Aufgaben und Tätigkeiten sind, für die die Zusatzqualifikation als „Pain Nurse“ erforderlich ist.“ Weiter heißt es: „Wäre aus Sicht des Antragstellers für die der Beschäftigten zugewiese-nen Tätigkeit die von ihr erworbene Zusatzqualifikation erforderlich oder auch nur im betriebli-chen Interesse gewesen, so hätte man sie der Mitarbeiterin im Organigramm ausdrücklich zu-geordnet und damit ihre besondere Position deutlich gemacht.“ So ist es geschehen. Die Er-forderlichkeit der Zusatzqualifikation für die Erbringung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit der Beschäftigten steht damit fest.
f) Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin in der mündlichen Anhörung vom 16. August 2021 im eklatanten Widerspruch zu dem eigenen schriftlichen Vortrag stehend nunmehr die Auffassung vertreten hat, Organigramme enthielten lediglich unverbindliche Be-schreibungen der Ausbildung und etwaiger Qualifikationen, ist die Beliebigkeit dieses Vor-tragswechsels befremdlich und vor dem Hintergrund der typischen Funktion eines Organi-gramms, einen klaren Überblick über Verantwortlichkeiten und Ansprechpersonen in einer Ein-richtung zu geben, ohne Substanz.
Die Mitarbeiterin J hat Anspruch auf eine Vergütung aus der Vergütungsgruppe EP 8, sodass die Antragsgegnerin ihre Zustimmung zu der beabsichtigten Eingruppierung in die Entgeltord-nung EP 7 zu Recht verweigert hat.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).