.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:18.01.2021
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/7-2020
Rechtsgrundlage:§ 5 Absatz 2 des Diakoniegesetzes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Vorinstanzen:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland - Kammer für den Bereich des Diakonischen Werks Schleswig-Holstein, 2.12.2019, Az. NK-MG 8 5/2019 DWSH
Schlagworte:Kirchliche Arbeitsrechtssetzung
#

Leitsatz:

§ 5 Absatz 2 des Diakoniegesetzes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland begründet die Verpflichtung, auf dem Zweiten oder Dritten Wege zustande gekommenes kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht anzuwenden.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland - Kammer für den Bereich des Diakonischen Werkes Schleswig-Holstein - vom 2. Dezember 2019, Az. NK-MG 8 5/2019 DWSH, abgeändert und der Antrag der Dienststellenleitung zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Dienststellenleitung verlangt die Feststellung, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung einer Mitarbeiterin in die Entgeltgruppe T 240 Eingangsstufe der in der Dienststelle angewandten Vergütungsordnung besteht, hilfsweise die Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung.
Die Dienststelle ist Mitglied des Diakonischen Werks Schleswig-Holstein der Evangelisch-lutherischen Kirche in Norddeutschland.
Die Diakonischen Landesverbände haben ein Regelungswerk vereinbart, nach dem sie prüfen, ob unabhängig von der Art des Zustandekommens inhaltlich die Voraussetzungen für die Annahme eines kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts erfüllt sind.
Die Dienststelle wendet eine von ihr gesetzte Entgeltordnung an, für die es weder einen Tarifvertrag noch eine Arbeitsrechtsregelung auf dem Dritten Weg gibt.
Mit Schreiben vom 9. September 2019 hat die Dienststellenleitung die Zustimmung zur Eingruppierung einer Mitarbeiterin beantragt. Die Mitarbeitervertretung hat die Zustimmung mit Beschluss vom 19. September 2019 mit der Begründung verweigert, dass die Eingruppierung nicht in eine kirchengemäß zustande gekommene Entgeltordnung erfolgen solle.
Die Dienststellenleitung hat sich hiergegen mit Antrag vom 24. September 2019 gewandt, der am 25. September 2019 beim Kirchengericht einging. Die von ihr angewendete Entgeltordnung entspreche den Vorgaben des Diakoniegesetzes und somit dem Recht der Nordkirche. Die Einhaltung des Diakoniegesetzes sei durch die Kirchengerichte nicht zu überprüfen. Ob entsprechend dem Diakoniegesetz in der Gesamtschau das angewendete Arbeitsvertragsrecht als kirchlich-diakonisch zu qualifizieren sei, bestimme sich nicht nach der Art seines Zustandekommens, sondern nach inhaltlichen Kriterien. Im Gesetzgebungsverfahren sei ein Antrag gescheitert, die Anwendung eines kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts als zwingende Voraussetzung für die Aufnahme in das Diakonische Werk zu regeln.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
festzustellen, dass ein Grund für die Verweigerung der Zustimmung zu der Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Entgeltgruppe T 240 der bei der Dienststelle angewandten Vergütungsgruppe nicht besteht,
hilfsweise,
die verweigerte Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Zustimmung schon deshalb habe verweigert werden dürfen, weil es sich bei der Entgeltordnung nicht um kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht gehandelt habe.
Das Kirchengericht hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2019 dem Antrag der Dienststellenleitung stattgegeben. Gegen diesen Beschluss, der der Mitarbeitervertretung am 13. Februar 2020 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 17. Februar 2020, beim Kirchengerichtshof eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 14. April 2020, dem Dienstag nach Ostern, der am selben Tage beim Kirchengerichtshof einging, begründet.
Die Mitarbeitervertretung ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Kirchengerichts unzutreffend sei. Kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht setze zwingend ein Zustandekommen auf konsensualem Wege voraus. Es reiche nicht aus, dass die Anwendung kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsrechts nur „in der Gesamtschau“ erfüllt werde. Bei den Anforderungen aus § 5 Absatz 2 Diakoniegesetz handele es sich um solche, unterschiedlicher Qualität. Jedenfalls die Anwendung kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts könne nicht in der Gesamtschau, sondern nur strikt erfüllt werden. Es komme nicht auf die inhaltliche Ausgestaltung der Regelungen, sondern deren Zustandekommen an. Die Präambel zum Mitarbeitervertretungsgesetz sei die Zentralnorm des Kirchlichen Arbeitsrechts, aus der sich das Erfordernis der Dienstgemeinschaft ergebe.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Kammer für den Bereich des Diakonischen Werkes Schleswig-Holstein, vom 2. Dezember 2019, Az. NK-MG 8-5/2019 DWSH, die Anträge zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung meint, dass einiges dafürspreche, dass die Beschwerdebegründung bereits unzulässig sei, weil sich die Ausführungen in der Beschwerdebegründung in weiten Teilen gar nicht auf die Dienststelle beziehen, sondern aus einem anderen Verfahren übernommen worden seien. Insoweit wird Bezug genommen auf die Hinweise der Dienststellenleitung auf Bl. 2, letzter Absatz, der Beschwerdeerwiderung (Bl 45 d.A.). Eine von der Dienststellenleitung für zutreffend gehaltene Eingruppierung verstoße nicht gegen in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland geltendes Recht. So sollen nach dem Zustimmungsgesetz der Nordkirche die Diakonischen Werke – Landesverbände – darauf hinwirken, dass das Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz bei ihren Mitgliedern umgesetzt wird. Damit sei klargestellt, dass von den Mitgliedern nicht verlangt werde, dass die kollektiven Arbeitsrechtsregelungen auf dem zweiten oder dritten Wege entstanden seien. In der Gesetzesbegründung sei von dem allein zuständigen Gesetzgeber, der Landessynode ausdrücklich und unmissverständlich klargestellt, dass es kirchenrechtlich nicht zwingend erforderlich sei, dass rechtlich selbständige diakonische Träger auf dem zweiten oder dritten Weg zustande gekommenes Arbeitsrecht anwendeten. Das Diakoniegesetz weise in seinem § 5 die Kompetenz zur Zuordnung von rechtlich selbständigen Einrichtungen zur Ev.-luth. Kirche in Norddeutschland den Diakonischen Werken zu. Die dort vorgesehenen Regelungen enthielten keine für die einzelnen Rechtsträger bindenden Regelungen, sondern seien an die Diakonischen Werke gerichtet. Im Übrigen verlange § 5 des Diakoniegesetzes nicht, dass auf dem Zweiten oder Dritten Weg zustande gekommenes Arbeitsrecht angewendet werde. Es gehe in § 5 Absatz 2 Diakoniegesetz um die Gewährleistung der kontinuierlichen Verbindung mit der Landeskirche. Es gehe mithin nicht um eine arbeitnehmerbezogene Regelung. Schon dieses schließe aus, darin eine zwingende Vorgabe für alle diakonischen Einrichtungsträger zu sehen. Hinzukomme, dass das Gesetz ausdrücklich eine „Gesamtschau“ fordere, die sich auf sämtliche Kriterien beziehe. Das dieses nicht zu einer zwingenden Bindung führen solle, zeige der Vergleich zu § 5 Absatz 3 Diakoniegesetz. Die Gesetzgebungshistorie, in der ein Antrag, das kirchlich-diakonische Arbeitsrecht als zwingende Voraussetzung anzusehen, gescheitert sei, und die Gesetzesbegründung, die auf die Unterscheidung zwischen dem Erfordernis der Gesamtschau in § 5 Absatz 2 Diakoniegesetz und der zwingenden Geltung in § 5 Absatz 3 Diakoniegesetz hinweise, bestätige dieses Verständnis. In der Diskussion im Gesetzgebungsverfahren sei deutlich geworden, dass kein auf dem Zweiten oder Dritten Wege zustande gekommenes Arbeitsrecht erforderlich sei. Aus der Präambel zum Mitarbeitervertretungsgesetz ergebe sich nichts Abweichendes, weil es einem Mitarbeitervertretungsgesetz wesensfremd sei, Vorgaben für die Festlegung kollektiver Arbeitsbedingungen zu treffen. Wäre dieses gewollt, so wäre dieses ausdrücklich normiert worden. Jedenfalls habe der Gesetzgeber der Nordkirche durch seine eigene Gesetzgebung im Zusammenhang mit der Übernahme des Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz klargestellt, dass es keine Vorgabe für rechtlich selbständige Einrichtungsträger gebe, nur auf dem Zweiten oder Dritten Wege zustande gekommenes Arbeitsrecht zur Anwendung zu bringen. Überdies schaffe eine Präambel regelmäßig nicht selbst eine rechtlich bindende Wirkung. Die Präambel betreffe nicht das kirchliche Arbeitsrecht, sondern das tatsächliche Miteinander in Dienstgemeinschaft und vertrauensvoller Zusammenarbeit. Ferner obliege es jeder Landeskirche, selbst festzulegen, was bei Ihnen zur interpretatorischen Bedeutung des Begriffs der Dienstgemeinschaft gehöre. Das sei durch das Zustimmungsgesetz zum Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz und § 5 Absatz 2 und 3 Diakoniegesetz geschehen. Zu beachten sei, dass die Dienstgemeinschaft zwischen Dienststellenleitung, also einer Person, die nicht mit dem Arbeitgeber identisch sei, und den Mitarbeitern bestehen solle. Es gehe dabei nicht um die Arbeitsrechtsregelungen, sondern um die gemeinsame Verantwortung für Kirche und Diakonie. Zu beachten sei schließlich, dass nach § 613 a BGB in einer Vielzahl von Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft nicht auf dem Zweiten oder Dritten Weg ergangene Arbeitsrechtsregelungen Anwendung fänden. Das gelte auch für die Dienststelle, bei der 62 % der Arbeitsverhältnisse dem TVöD-VKA unterfielen, unter anderem mit allen Mitgliedern der Mitarbeitervertretung.
II. Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung ist zulässig und begründet.
1) Sie ist nach § 63 Absatz 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Soweit die Beschwerdebegründung Ausführungen enthält, die sich nach dem Vorbringen der Dienststellenleitung nicht dem vorliegenden Verfahren zuordnen lassen, folgt daraus nicht die Unzulässigkeit der Beschwerde. Die Beschwerdebegründung genügt inhaltlich gleichwohl den an ihre Zulässigkeit zu stellenden Anforderungen. Nach § 520 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss sie die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch den angefochtenen Beschluss und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Deshalb muss sie auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen. Es genügt nicht, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG, Urteil vom 19. November 2015 – 2 AZR 217/15 –, Rdnr. 21, juris). Das geschieht in der Beschwerdebegründung in hinreichender Weise. Diese stellt auf die angegriffene Entscheidung eingehend darauf ab, dass zwar § 5 Absatz 2 Diakoniegesetz nur in der Gesamtschau eine Erfüllung der darin genannten Kriterien fordert, aber das Erfordernis kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts nicht nur in der Gesamtschau, sondern entweder überhaupt oder gar nicht erfüllt sein könne. Dieses Kriterium müsse deshalb nach Ansicht der Beschwerdebegründung im Gegensatz zur Auffassung des Kirchengerichts erfüllt sein. Weiter stellt die Beschwerdebegründung darauf ab, dass die Präambel zum Mitarbeitervertretungsrecht anwendbares Recht sei, das mit der Verpflichtung auf die Dienstgemeinschaft zugleich ein einseitig von Dienstgeberseite gesetztes Arbeitsrecht ausschließe. Auch mit diesem Argument setzt sich die Beschwerdebegründung unmittelbar und ausreichend mit der angegriffenen Entscheidung auseinander.
2) Die Beschwerde ist begründet, weil die Anträge der Dienststellenleitung zulässig, aber unbegründet sind.
a) Die Anträge sind zulässig. Die Dienststellenleitung verlangt mit ihren Anträgen die Feststellung, dass die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt war, die Zustimmung zur Eingruppierung zu verweigern, hilfsweise die Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung. Nach der Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung besteht ein Rechtsschutzinteresse der Dienststellenleitung an diesen Anträgen, weil sie nur bei einer entsprechenden Entscheidung der Kirchengerichte an der von ihr für zutreffend gehaltenen Eingruppierung festhalten kann.
b) Die Anträge sind unbegründet.
aa) Es ist nicht festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund für die Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeitervertretung vorlag. Ein solcher Grund liegt deshalb vor, weil die Dienststellenleitung eine kirchengesetzlich nicht legitimierte Vergütungsordnung anwendet.
Der kirchliche Arbeitgeber ist als Normadressat im kirchlichen Rechtskreis an die kirchengesetzlichen Vorgaben gebunden. Wendet er eine kirchengesetzlich nicht legitimierte Vergütungsordnung an, kann die Mitarbeitervertretung einer Eingruppierung die Zustimmung verweigern. Kirchenrechtlich ist die Anwendung einer kirchengesetzlich nicht ausreichend legitimierten Vergütungsordnung ein Rechtsverstoß im Sinne von § 41 Absatz 1 Buchstabe a MVG-EKD (Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Beschluss vom 24. September 2018 – II-0124/34-2018 –, Rn. 43, juris).
Die von der Dienststellenleitung angewendete Vergütungsordnung ist nicht kirchengesetzlich legitimiert, weil sie einseitig von der Dienststelle gesetzt worden ist.
Die Dienststelle ist nach § 5 Absatz 2 des Diakoniegesetzes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (im Folgenden: Diakoniegesetz) verpflichtet, auf dem Zweiten oder Dritten Wege zustande gekommenes kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht anzuwenden.
(1) § 5 Absatz 2 Diakoniegesetz enthält für die Dienststelle eine Verpflichtung zur Anwendung entsprechenden Kirchenarbeitsrechts.
(a) Es handelt sich bei § 5 Absatz 2 Diakoniegesetz um eine Regelung, die für die Dienststelle aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Diakonischen Werk unmittelbare Verpflichtungen begründet. Zwar regelt die Norm die Voraussetzungen, unter denen das entsprechende Diakonische Werk eine Dienststelle durch Aufnahme in das Diakonische Werk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland zuordnen kann. Es regelt zugleich aber auch die Verpflichtungen, die eine solche Dienststelle zu erfüllen hat. Das ist ausdrücklich in § 5 Absatz 2 Satz 1 Diakoniegesetz geregelt, wonach die Mitglieder in ihren Satzungen und in der praktischen Arbeit dem Auftrag der Kirche verpflichtet sein müssen und eine kontinuierliche Verbindung zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland gewährleistet sein muss. Noch deutlicher folgt dieses aber aus § 6 Absatz 2 und 3 Diakoniegesetz, die vorsehen, dass ein Widerruf oder eine Rücknahme der Zuordnung erfolgen kann, wenn anfänglich oder nachträglich die Voraussetzungen für eine Zuordnung zur Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Norddeutschland nicht gegeben waren bzw. nicht mehr gegeben sind. Das zeigt, dass die Dienststellen mitgliedschaftsrechtlich verpflichtet sind, die Voraussetzungen der Zuordnung durchgehend zu erfüllen.
(b) Zu diesen Voraussetzungen gehört nach § 5 Absatz 2 Buchstabe b zweiter Spiegelstrich Diakoniegesetz die Anwendung kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts. Die Erfüllung dieses Erfordernisses ist zwingend, obwohl § 5 Absatz 2 Satz 2, Eingangssatz des Diakoniegesetzes nur eine Erfüllung der nachfolgenden Kriterien, zu denen die Anwendung kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts gehört, „in der Gesamtschau“ verlangt.
Bei diesen Kriterien handelt es sich um Folgende:
a. die diakonischen Einrichtungen verfolgen kirchlich-diakonische Zwecke und Aufgaben;
b. sie gewährleisten die kontinuierliche Verbindung mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
o durch Mitwirkung der Diakonischen Werke – Landesverbände bei Satzungs- und Gesellschaftervertragsänderungen,
o durch die Anwendung kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsrechts und
o durch Personen, die aufgrund eines kirchlichen Auftrags in der Einrichtung als geborene oder gewählte Organmitglieder mitwirken;
c. sie fördern und stärken das diakonische Selbstverständnis ihrer Mitarbeitenden;
d. sie ermöglichen die seelsorgerliche Begleitung der Mitarbeitenden und derjenigen, denen der diakonische Dienst gilt;
e. sie sind der Gemeinwohlorientierung im Sinne der Abgabenordnung verpflichtet und stellen dies auch für den Fall der Auflösung oder Aufhebung sicher.
Eine Erfüllung dieser Kriterien „in der Gesamtschau“ ist nur möglich, wenn kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht angewendet wird. Aus dem Zusammenhang der Kriterien ergibt sich, dass sie kumulativ vorliegen müssen. Es ist von der Funktion der Kriterien nicht denkbar, dass etwa die Voraussetzungen unter Buchstabe a, Buchstabe b oder Buchstabe d nicht gegeben zu sein brauchen und gleichwohl die Zuordnung einer Dienststelle zur Evangelischen Kirche in Norddeutschlang möglich sein sollte. Deutlich wird dieses insbesondere bei den Kriterien unter Buchstaben a: Einrichtungen, die keine kirchlich-diakonischen Zwecke und Aufgaben verfolgen, sind als Mitglieder des Diakonischen Werkes nicht denkbar. Gleiches gilt für die Kriterien unter dem Buchstaben b: eine kontinuierliche Verbindung mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland ist zwingende Voraussetzung für eine Zuordnung zu dieser Kirche. Die nach Buchstabe d erforderliche seelsorgerische Begleitung der Mitarbeitenden und derjenigen, denen der Dienst gilt, ist ebenfalls traditionelles Markenzeichen diakonischer Betätigung. Gilt dieses Erfordernis eines Vorliegens für die Buchstaben a, b und d, so ist davon auszugehen, dass Entsprechendes auch für die in Buchstaben c und e vorgesehenen Voraussetzungen gilt. Auch diese müssen je für sich jedenfalls in einer Gesamtschau gegeben sein. Für eine „Gesamtschau“ ist deshalb ausgeschlossen, dass sie eine Zuordnung erlaubt, wenn nicht jedenfalls jede in einem Gliederungspunkt zusammengefasste Kriterienkategorie „in der Gesamtschau“ erfüllt ist.
Weiter gilt dieses ebenfalls für die unter dem Buchstaben b zusammengefassten Unterkriterien. Dass auch diese jedenfalls je für sich „in der Gesamtschau“ erfüllt sein müssen, folgt daraus, dass sie ausweislich ihres zweiten Gliederungspunktes durch die Konjunktion „und“ verbunden sind. Sie stehen nicht alternativ nebeneinander, sondern müssen danach kumulativ vorliegen.
Daraus folgt, dass auch die Anwendung „kirchlich-diakonisches Arbeitsrechts“ selbst jedenfalls in der Gesamtschau vorliegen muss. Das Erfordernis der Anwendung „kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts“ kann demgemäß nicht fehlen und durch die Erfüllung anderer Kriterien aus dem Katalog des § 5 Absatz 2 Diakoniegesetz ersetzt werden. Dieses ließe den systematischen Aufbau der Regelung und die Gleichwertigkeit der darin genannten Kriteriengruppen und Kriterien unberücksichtigt. Selbst wenn der Gesetzgeber nicht gewollt haben sollte, dass damit die Anwendung „kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts“ Voraussetzung für eine Zuordnung zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland sein sollte, ändert das nichts an diesem Ergebnis. Es kommt auf den Willen des Gesetzgebers nur an, soweit er sich im Gesetz manifestiert hat. Im Gesetz hat sich nicht manifestiert, dass das Kriterium der Anwendung „kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts“ gar nicht erfüllt zu sein braucht, wenn nur andere Kriterien in ausreichender Weise gegeben sind. Vielmehr muss nach der Systematik der Regelung jede der Kriteriengruppen und beim Buchstaben b auch jede der Unterkriterien „nach der Gesamtschau“ erfüllt sein.
(c) Das Kriterium der Anwendung „kirchlich-diakonisches Arbeitsrechts“ ist nicht erfüllt, und zwar auch nicht in einer Gesamtschau. Kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht ist solches, dass auf dem sogenannten Dritten Weg durch Arbeitsrechtsregelungen oder auf dem Zweiten Weg über kirchliche Tarifverträge zustande gekommen ist (KGH Beschluss vom 24. September 2018 II-0124/34-2018 Rdnr. 45 und 45; Juris). Das in der Dienststelle angewendete Arbeitsvertragsrecht erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, jedenfalls „in der Gesamtschau“ dass eine Erfüllung dieses Kriteriums gegeben sein könnte. Es kann dahingestellt bleiben, ob möglicherweise das Bewertungsmerkmal „in der Gesamtschau“ bei der Anwendung „kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts“ nicht anwendbar ist, weil kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht nur entweder gegeben oder nicht gegeben ist, so dass sich ein anderes Ergebnis nicht durch eine Gesamtschau ergeben kann. Die etwaige Untauglichkeit des Bewertungsmerkmals „Gesamtschau“ in Bezug auf die Anwendung „kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts“ führte nicht dazu, dass das Kriterium der Anwendung „kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts“ wegfiele, sondern es insoweit nur auf ein bloßes ja oder nein, nicht aber eine Gesamtschau ankäme. Es kann nicht angenommen werden, dass ein vom Gesetz für kumulativ erforderlich gehaltenes Kriterium nur deshalb wegfiele, weil bei ihm ein allgemeines Bewertungsmerkmal untauglich ist. Vielmehr ist die Gesamtschau insoweit auf die Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens beschränkt.
(2) Die Kirchengerichte sind nicht mit der Folge an die Zuordnungsentscheidung der diakonischen Landesverbände gebunden, dass sie an die mitgliedschaftsrechtlichen Anforderungen, die sich aus dem Diakoniegesetz ableiten, keine weitergehenden Verpflichtungen ableiten dürften als die diakonischen Landesverbände. Aus dem gleichen Grunde sind die von den diakonischen Landesverbänden zur Zuordnung von Einrichtungen zur Diakonie erstellten Richtlinien für die Kirchengerichte nicht bindend. Die Auslegung von § 5 Absatz 2 Diakoniegesetz geschieht zur Ermittlung mitgliedschaftsrechtlicher Verpflichtungen der Dienststelle. Diese ist für die Gerichte als originäre Rechtsanwendung geboten, um die mitarbeitervertretungsrechtlichen Verpflichtungen einer Dienststelle ermitteln zu können. Es ist nicht erkennbar, warum die Gerichte durch ggf. abweichende Meinungen der Landesverbände vom Inhalt der Normen gebunden sein sollten.
(3) Für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung ist, dass die Dienststelle nach § 613 a BGB verpflichtet ist, für einen Teil der Beschäftigten außerkirchliches Tarifrecht anzuwenden. Dabei handelt es sich um staatliches Privatrecht, an das alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gebunden sind. Das steht der mitgliedschaftsrechtlichen Pflicht aus § 5 Absatz 2 Diakoniegesetz nicht entgegen.
bb) Der Hilfsantrag der Dienststellenleitung ist unbegründet, weil nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu ersetzen sein sollte.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).