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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:07.12.2020
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/30-2020
Rechtsgrundlage:§ 36a, § 38, § 40d MVG-EKD
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen - 2. Kammer -, Az. 2 M 28/20
Schlagworte:Zuständigkeit der Einigungsstelle in Regelungsstreitigkeiten nach § 40 MVG-EKD
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Leitsatz:

Kommt es zu keiner Einigung über einen Regelungsgegenstand nach § 40 MVG-EKD wie etwa über einen Schichtplan nach § 40 d) MVG-EKD, so ist ausschließlich die Einigungsstelle und nicht das Kirchengericht nach § 38 Absatz 4 MVG-EKD zuständig.
Die Dienststellenleitung hat kein Wahlrecht, ob sie die Einigungsstelle nach § 36a Abs. 1 MVG-EKD oder das Kirchengericht nach § 38 Abs. 4 Satz 1 MVG-EKD anruft, solange noch keine Einigungsstelle „be-steht“. Die Dienststellenleitung kann ausschließlich nach § 38 Abs. 4 Satz 4 MVG-EKD die Einigungsstelle anrufen.

Tenor:

Die von der Mitarbeitervertretung der Einrichtung A eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen – 2. Kammer – vom 2. Juli 2020, 2 M 2/20, wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Festlegung von Arbeitszeiten im monatlichen Dienstplan. Die zunächst antragstellende Mitarbeitervertretung hat das Ziel verfolgt, von der bisher regelmäßig praktizierten 5,5 Tage/Woche auf eine 5 Tage/Woche umzustellen und seit November 2019 die Zustimmung zu den vorgelegten Dienstplänen verweigert. Die Dienststelle hat Zu-stimmungsersetzungsverfahren sowie auf vorläufige Duldung der Durchführung der Dienstpläne gerichtete einstweilige Verfügungsverfahren eingeleitet.
Nach Inkrafttreten von § 36a MVG-EKD zum 1. Januar 2020 hat die Mitarbeitervertretung gegenüber der Dienststellenleitung die Einrichtung einer Einigungsstelle für die Festlegung der Arbeitszeiten in der Pflege für Mai 2020 geltend gemacht. Dies wurde von der Dienststelle abgelehnt. In einem weiteren Verfahren hat die Mitarbeitervertretung die Einrichtung einer Einigungsstelle für den Dienstplan Mai 2020 weiterverfolgt und antragserweiternd die Einigung einer Einigungsstelle für die Festlegung der Arbeitszeiten im Monat Juni 2020 sowie für die Aufstellung von Grundsätzen für die Dienstplanung im Bereich Pflege begehrt. Dem Antrag wurde seitens der Schlichtungsstelle mit Beschluss vom 4. Juni 2020 (2 M 28/20) nur teilweise entsprochen, da in Bezug auf die Aufstellung von Grundsätzen für die Dienstplanung im Be-reich Pflege noch keine ausreichenden Verhandlungen zwischen den Beteiligten geführt wor-den seien.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Mitarbeitervertretung die Feststellung,
1. dass die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Festlegung der Arbeitszeit mit der Begründung verweigern darf, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an zu vielen Tagen in der Dienstplanperiode eingesetzt werden,
2. dass die Dienststelle nicht berechtigt ist, im Fall der Nichtzustimmung zu einem Dienstplan durch die Mitarbeitervertretung das Kirchengericht gemäß § 38 Ab-satz 4 MVG-EKD anzurufen.
Die Dienststelle hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen und die Auffassung vertreten, bei-de Anträge seien unzulässig bzw. unbegründet, weil die Dienststellenleitung das Kirchengericht weiterhin anrufen könne. Die Anrufung des Kirchengerichts sei nach § 38 Absatz 4 Satz 2 MVG-EKD für Regelungsstreitigkeiten bei Angelegenheiten nach § 40 MVG-EKD nur dann ausgeschlossen, wenn eine Einigungsstelle gemäß § 36a MVG-EKD bestehe. Eine derartige Einigungsstelle habe bisher nicht bestanden.
Die Schlichtungsstelle hat die Anträge der Mitarbeitervertretung zurückgewiesen unter Hinweis darauf, der Antrag zu 1. sei nicht hinreichend konkret umschrieben. Dem Antrag zu 2. mangele es am Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO, weil er auf die Erstellung eines Rechtsgutach-tens und nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen konkreter Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten gerichtet sei.
Mit der Beschwerde hat die Mitarbeitervertretung beide Anträge weiterverfolgt. Die Antrags-gegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Während des Beschwerdeverfahrens ist die Mitarbeitervertretung zurückgetreten. Es besteht eine Gesamtmitarbeitervertretung, die nun-mehr als Antragstellerin und Beschwerdeführerin geführt wird.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den angefochtenen Beschluss sowie die in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze.
II. Die frist- und formgerecht eingereichte und begründete Beschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen.
1. Ein Hindernis für die Fortsetzung des Verfahrens ergibt sich nicht daraus, dass die be-schwerdeführende MAV nach Einlegung der Beschwerde am 27. Juli 2020 am 16. September 2020 zurückgetreten ist.
a) Zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde war die Mitarbeitervertretung noch rechtlich existent. Nach dem Rücktritt der MAV ist gem. § 16 Absatz 2 Sätze 2 und 3 i.V.m. § 6 Absatz 2 Satz 2 MVG-EKD die - vorliegend bestehende und im Rubrum näher bezeichnete - Gesamtmitarbeitervertretung zuständig. Sie nimmt bis zur Wahl, zumindest für den Zeitraum von sechs Monaten, die Amtsgeschäfte der Mitarbeitervertretung wahr.
b) Unerheblich ist, § 6 Absatz 2 Satz 2 MVG-EKD nur auf „Dienststellen im Sinne des § 3 Absatz 2“ und damit nur auf Dienststellenteile verweist. Das ist ein Redaktionsversehen, ein Grund für eine Differenzierung zwischen Dienststellen nach § 3 Absatz 1 und Dienststellentei-len nach § 3 Absatz 2 MVG-EKD besteht nicht. In den Hinweisen und Erläuterungen zum 1. Änderungsgesetz vom 6. November 1996 (ABl. EKD 1996, S. 521) ist zu dieser Norm auch lediglich vermerkt, dass die Änderungen größtenteils redaktioneller Art seien. Danach sollten der Gesamtmitarbeitervertretung die Aufgaben zugewiesen werden, wenn vorübergehend kei-ne Mitarbeitervertretung oder kein Wahlvorstand vorhanden ist; eine Differenzierung zwischen Dienststellen im Sinne von § 3 Absatz 1 MVG-EKD und solchen im Sinne von § 3 Absatz 2 MVG-EKD wird in den Materialien nicht erwähnt (eingehend Joussen/Mestwerdt/Nause/Spelge[JMNS]/Wege, Kommentar zum MVG-EKD § 16 Rn. 21).
c) Dies bedeutet, dass die Gesamtmitarbeitervertretung die Amtsgeschäfte in dem Bearbei-tungsstand zum Zeitpunkt des Rücktritts der MAV kraft Gesetzesanordnung übernommen hat. Es bedarf entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin weder des Nachweises, dass der Verfahrensbevollmächtigte nach wie vor ordnungsgemäß mandatiert ist, noch muss die Ge-samtmitarbeitervertretung sich zum Verfahren erklären. Sie tritt in das Verfahren ein, wie es von der zurückgetretenen Mitarbeitervertretung bislang geführt worden ist. Sie kann darüber natürlich verfügen.
2. Die Beschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen nicht (§ 63 Absatz 2 Satz 2 MVG-EKD). Solche Zweifel sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahr-scheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegensetzten Entscheidung genügt nicht (ständige Rechtsprechung KGH.EKD, 18. Juli 2012 - II-0124/T36-11).
a) Soweit die Beschwerde mit dem Antrag zu 1. die Feststellung begehrt, dass die Mitarbeiter-vertretung die Zustimmung zu Festlegungen der Arbeitszeit mit der Begründung verweigern darf, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an „zu vielen Tagen eingesetzt“ werden, ist dieser Antrag, wie die Schiedsstelle zutreffend erkannt hat, unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO ist. Es fehlt zudem an einem Rechts-schutzbedürfnis.
(1). Die Verweigerung der Zustimmung zu einer Regelungsstreitigkeit in einer Angelegenheit nach § 40 MVG-EKD und damit auch zu einem Dienstplan nach § 40 d) MVG-EKD ist an keinen besonderen Grund gebunden, insbesondere nicht an den Katalog des § 41 Absatz 1 MVG-EKD. Zwar ist nach der Regelungssystematik des § 38 MVG-EKD nach dem Wortlaut von § 38 Absatz 3 Satz 5 MVG-EKD nach wie vor eine schriftliche Begründung erforderlich, die bei Nichteinigung zuständige Einigungsstelle nach § 36a MVG-EKD ist aber nicht auf die Prüfung zuvor formal geltend gemachter Zustimmungsverweigerungsgründe beschränkt (JMNS/Mestwerdt MVG-EKD § 38 Rn. 64). Der Charakter eines Einigungsstellenverfahrens ist dadurch geprägt, dass die Einigungsstelle eine abschließende, umfassende und für alle Betei-ligten im Einzelfall sinnvolle Regelung findet. Sie kann nach Wunsch der Beteiligten auch un-abhängig vom konkreten Streitfall grundsätzliche, zukünftig streitausschließende Regelungen erarbeiten (JMNS/Mestwerdt MVG-EKD § 38 Rn. 64). Dies bedeutet für die schriftliche Zu-stimmungsverweigerung, dass die Mitarbeitervertretung grundsätzlich jeden auf das jeweilige Beteiligungsrecht bezogenen Grund heranziehen kann, so auch Fragen der möglichen Über-last der Mitarbeitenden.
(2). Daraus folgt, dass es für den Antrag zu 1. bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil die Zustimmungsverweigerung nicht an bestimmte Gründe gebunden ist; zudem ist, wie die Schiedsstelle zutreffend erkannt hat, ein auf Feststellung der Möglichkeit der Zustimmungsverweigerung wegen eines Einsatzes „an zu vielen Tagen“ gerichteter Antrag unbestimmt;
b) Der Antrag zu 2. ist, wie die Schlichtungsstelle zutreffend erkannt hat, nicht feststellungsfä-hig nach § 256 ZPO.
(1). Kommt es zu keiner Einigung über einen Regelungsgegenstand nach § 40 MVG-EKD wie etwa über einen Schichtplan nach § 40 d) MVG-EKD, so ist ausschließlich die Einigungsstelle und nicht das Kirchengericht nach § 38 Absatz 4 MVG-EKD zuständig. Entgegen der Auffas-sung der Antragsgegnerin ist die Anrufung des Kirchengerichts auch nicht solange möglich, wie eine Einigungsstelle noch nicht „besteht“. Eine Einigungsstelle wird nach § 36a MVG-EKD gebildet, entweder durch Dienstvereinbarung nach § 36a Absatz 1 Satz 2 MVG in Form einer ständigen Einigungsstelle oder nach § 36a Absatz 1 Satz 1 MVG auf Antrag der Mitarbeitervertretung oder der Dienststellenleitung. Dies bedeutet, dass bei Nichteinigung über einen Dienstplan die Dienststellenleitung nur die Einigungsstelle und nicht das Kirchengericht anrufen kann; die Einrichtung einer Einigungsstelle nach § 36a MVG-EKD ist nicht etwa solange fakultativ, wie sie noch nicht gebildet worden ist. Es widerspräche dem Zweck der zum 1. Ja-nuar 2020 in Kraft getretenen Zuweisung von Regelungsstreitigkeiten an die Einigungsstelle, wenn die Dienststellenleitung ein Wahlrecht hätte, ob sie eine Einigungsstelle nach § 36a MVG-EKD beantragt oder aber nach § 38 Absatz 4 das Kirchengericht anruft. Ein solches Wahlrecht besteht nicht (vgl. JMNS/Mestwerdt MVG-EKD § 38 Rn. 87).
(2). Dessen ungeachtet ist der Antrag zu 2. lediglich auf Beantwortung einer allgemeinen Rechtsfrage gerichtet und nicht auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 ZPO zwischen den Beteiligten. Auch insoweit erweist sich deshalb die Entscheidung der Schlichtungsstelle als zutreffend.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).