.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:08.04.2019
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/45-2018
Rechtsgrundlage:§ 24 des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes Dikaonie Kurhessen und Waldeck, § 62 MVG-EKD, § 81 Abs. 2 ArbGG, § 256 Abs. 1 ZPO
Vorinstanzen:Kirchengericht für Mitarbeitervertretungssachen der Diakonie Hessen - Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck e.V. - K 2 F 33/17
Schlagworte:
#

Leitsatz:

1. Es kann Gegenstand eines mitarbeitervertretungsrechtlichen Feststellungantrags sein, ob eine bestimmte Vergütungsordnung auf die Eingruppierung von Beschäftigten anzuwenden ist.
2. Für die Beschäftigten des Diakonischen Werks in Hessen auf dem Gebiet von Kurhessen und Waldeck gelten bis zu einer Neuregelung die bisherigen Arbeitsrechtsregelungen für das Dia-konische Werk Kurhessen und Waldeck, und zwar unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Vereinigung der Diakonischen Werke von Kurhessen und Waldeck und Hessen-Nassau zum Diakonischen Werk in Hessen angestellt worden sind.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss des Kirchengerichts für Mitarbeitervertretungssachen der Diakonie Hessen - Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck e.V. - vom 9. Mai 2018 (K 2 F 33/17) teilweise abgeändert und festgestellt, dass für die Eingruppierung von neu eingestellten Arbeitnehmer/*/innen in der Geschäftsstelle der Beteiligten zu 2. in D die Eingruppierungsregeln der AVR-KW zugrunde zu legen sind, solange nicht durch die Arbeitsrechtliche Kommission oder den Schlichtungsausschuss für die Diakonie Hessen et-was anderes bestimmt wird.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz darüber, ob sie die Eingruppierung von neu eingestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach den Arbeitsvertrags-richtlinien für das Diakonische Werk in Kurhessen-Waldeck oder denjenigen für das Diakonische Werk in Hessen-Nassau richten.
Die Dienststelle ging 2013 aus einer Verschmelzung zweier Diakonischen Werke hervor. Es unterhält Landesgeschäftsstellen an zwei unterschiedlichen Standorten.
Die Arbeitsvertragsbedingungen wurden bis zur Verschmelzung durch für das jeweilige Diakonische Werk errichtete Arbeitsrechtliche Kommissionen bestimmt. Im April 2018 ist für die Dienststelle eine eigene Arbeitsrechtliche Kommission gebildet worden. Die früheren Arbeitsrechtlichen Kommissionen haben ihre Arbeit eingestellt.
Die antragstellende Mitarbeitervertretung ist für die Landesgeschäftsstelle D gebildet worden.
Die Beteiligten sind sich darüber uneinig, welche Arbeitsvertragsrichtlinien neu begründeten Arbeitsverhältnissen in der Landesgeschäftsstelle zugrunde zu legen sind.
Die Mitarbeitervertretung hat die Auffassung vertreten, dass bis zur Schaffung einheitlicher Arbeitsvertragsrichtlinien für die Dienststelle die Eingruppierungsregeln der Ar-beitsvertragsrichtlinien für das Diakonische Werk in Kurhessen-Waldeck Anwendung finden müssten.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
1) bis 9) …
10) festzustellen, dass für die Eingruppierung von neu eingestellten Arbeitnehmer/-innen in der Landesgeschäftsstelle D die Eingruppierungsregeln der AVR.KW und nicht diejenigen der AVR.HN zugrunde zu legen sind;
hilfsweise
festzustellen, dass die AVR.HN auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeitenden der Landesgeschäftsstelle D nicht anzuwenden sind und dass insbesondere 9 Mitarbeitende nicht nach AVR.HN, sondern nach AVR.KW einzugruppieren sind.
Die Dienststellenleitung hat unter Anerkennung der Anträge von 1 bis 9 beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat gemeint, dass für die Dienststelle die AVR-Hessen-Nassau gelten, weil der Sitz der Dienststelle im Gebiet der Ev. Kirche von Hessen-Nassau liege und deshalb die AVR.HN anzuwenden seien.
Das Kirchengericht hat den Antrag zu 10 nebst Hilfsantrag mit Beschluss vom 9. Mai 2018 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, der der Mitarbeitervertretung am 28. Mai 2018 zugestellt worden ist, hat diese mit Schriftsatz vom 28. Juni 2018, beim Kirchengerichtshof eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 30. Juli 2018, einem Montag, eingegangen beim Kirchengerichtshof am selben Tage, begründet.
Die Mitarbeitervertretung hält den Beschluss des Kirchengerichts für unzutreffend, weil der Arbeitsrechtlichen Kommission für Hessen und Nassau die kirchenrechtliche Legi-timation für Beschäftigte auf dem Gebiet der Landeskirche Kurhessen-Waldeck fehle. Den Arbeitsrechtsregelungsgesetzen für die Landeskirche Kurhessen-Waldeck und die Landeskirche in Hessen und Nassau sei zu entnehmen, dass sie auf das Gebiet der jeweiligen Landeskirchen begrenzt seien. Auch wenn es eine Arbeitsrechtliche Kommission für den Bereich Kurhessen-Waldeck nicht mehr gebe, so gebe es doch noch Arbeitsvertragsrichtlinien für dieses Gebiet. Jedenfalls aber könnten die Arbeitsvertragsrichtlinien für Hessen und Nassau nicht angewendet werden, weil es dort ebenfalls keine Arbeitsrechtliche Kommission mehr gebe.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung den Beschluss des Kirchenge-richts vom 9. Mai 2018, Az. K 2 F 33/17, abzuändern, soweit es die Anträge zurückgewiesen hat, und für Recht zu erkennen:
Festzustellen, dass für die Eingruppierung von neu eingestellten Arbeitnehmern/innen in der Landesgeschäftsstelle die Eingruppierungsregeln der AVR.KW und nicht diejenigen der AVR.HN zugrunde zu legen sind;
Hilfsweise:
Festzustellen, dass die AVR.HN auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeitenden der Landesgeschäftsstelle nicht anzuwenden sind und dass insbesondere 9 Mitarbeitende nicht nach AVR.HN, sondern nach AVR.KW einzugruppieren sind.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, dass Dienstverhältnisse nicht der Regelungskompetenz einer Arbeitsrechtlichen Kommission unterworfen werden könnten, die gar nicht mehr existiere. Durch die Fusion sei ein einheitlicher Verein entstanden, der durch seinen Sitz im Bereich der Ar-beitsvertragsrichtlinien Hessen-Nassau liege. Zwar arbeite auch diese Arbeitsrechtliche Kommission nicht mehr, mit dem Vereinssitz gebe es aber eine Bestimmung des anzuwendenden Rechts.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist im Sinne der nach § 62 MVG-EKD anwendbaren § 87 Absatz 2 Satz 1, § 64 Absatz 6, § 66 Absatz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof hat sie zur Entscheidung angenommen.
2) Die Beschwerde ist begründet, weil der Hauptantrag der Mitarbeitervertretung zulässig und begründet ist.
a) Der Antrag ist zulässig. Es kann Gegenstand eines mitarbeitervertretungsrechtlichen Feststellungantrags sein, ob eine bestimmte Vergütungsordnung auf die Eingruppierung von Beschäftigten anzuwenden ist. Dieses ist vom Bundesarbeitsgericht für einen Streit darüber entschieden worden, welche Vergütungsordnung bei einer Eingruppierung nach § 99 BetrVG anzuwenden ist (BAG, Beschluss vom 23. August 2016, 1 ABR 15/14, Rdnr. 15; Juris).
b) Der Antrag ist begründet. Die Dienststelle ist verpflichtet, für die im Bereich der Lan-desgeschäftsstelle neueingestellten Beschäftigten die AVR Kurhessen und Waldeck anzuwenden. Dieses folgt aus § 24 des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes Kurhessen und Waldeck, der gleichlautend mit dem entsprechenden Kirchengesetz für Hessen-Nassau bestimmt, dass das bei Inkrafttreten des Gesetzes jeweils geltende Arbeitsvertragsrecht für das Diakonische Werk und seine Einrichtungen in Kraft bleibt, solange nicht durch die Arbeitsrechtliche Kommission oder den Schlichtungsausschuss etwas anderes be-stimmt wird.
Die AVR für das Diakonische Werk in Kurhessen und Waldeck ist das für die Beschäf-tigten der Landesgeschäftsstelle „jeweils geltende Arbeitsvertragsrecht“, auch wenn das die Dienststelle ihren an einem anderen Standort hat. Durch die Benutzung des Wortes „jeweils“ hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass zwischen den in der Dienststelle bisher geltenden Rechten differenziert werden soll. Es soll trotz der im Arbeitsrechtsre-gelungsgesetzes für die Dienststelle vorgesehenen Bildung einer gemeinsamen Arbeits-rechtlichen Kommission bei dem jeweiligen Rechtszustand bleiben, bis auch ein ge-meinsames Arbeitsrecht durch entsprechende gemeinsame Arbeitsrechtsregelungen geschaffen worden ist oder die gemeinsame Arbeitsrechtliche Kommission in anderer Weise „etwas anderes“ im Sinne des § 24 des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes be-stimmt hat. Sollte der Begriff „jeweils“ nicht in diesem, zwischen den beiden Regelungs-bereichen differenzierenden Sinne gemeint sein, ist für ihn keine andere Bedeutung erkennbar.
Für die Beschäftigten der Landesgeschäftsstelle gelten bis zu einer Neuregelung die bisherigen Arbeitsrechtsregelungen für das Diakonische Werk Kurhessen-Waldeck, und zwar unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Vereinigung der Diakonischen Werke angestellt worden sind. Es bleibt nämlich nach dem Gesetz das Arbeitsvertragsrecht „in Kraft“. Das bedeutet, dass es nicht nur für die bisher schon bestehenden Arbeitsverhält-nisse weitergilt, sondern als Recht weiterbestehen soll. Die gesetzliche Anordnung in § 24 des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes will mehr erreichen als einen Übergang der Arbeitsbedingungen. Es will eine nahtlose Ablösung des eines Arbeitsvertragsrechts durch das andere erreichen. Nur dadurch wird vermieden, dass sich in einer Über-gangsphase Arbeitsvertragsbedingungen je nach dem Zeitpunkt der Einstellung der Be-schäftigten auseinanderentwickeln.
Die Landesgeschäftsstelle ist in diesem Sinne als Teil der Dienststelle anzusehen, für das die Arbeitsrechtsregelungen aus Kurhessen-Waldeck gelten. Obwohl der Sitz an einem anderen Standort ist, ordnet der Gesetzgeber ausdrücklich eine Weitergeltung des bisherigen Rechts an. Damit kann nur das unterschiedliche Recht gemeint sein, das vor der Vereinigung der Diakonischen Werke für deren jeweiligen Geschäftsstellen galt. Unabhängig vom Sitz der Dienststelle gilt deshalb für die Landesgeschäftsstelle auf-grund der übereinstimmenden Regelungen in Kurhessen und Waldeck und Hessen Nassau das bisherige Recht aus Kurhessen und Waldeck weiter.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).