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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:05.12.2016
Aktenzeichen:II-0124/48-2016
Rechtsgrundlage:MVG.EKD, Präambe;l § 14 Abs. 2 TzBfG
Vorinstanzen:Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland - Kammern für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten - Az.: II-2708/18-2015
Schlagworte:Dienstgemeinschaft, Sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag
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Leitsatz:

Aus dem in der Präambel zum MVG-EKD normierten Leitbild der Dienstgemeinschaft für kirchliche und diakonische Arbeitgeber folgt kein Verbot, sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse nach Maßgabe von § 14 Abs. 2 TzBfG bzw. § 30 Abs. 3 TVÖD zu vereinbaren.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss des Kirchenge-richts der Evangelischen Kirche in Deutschland - Kammern für mitarbeitervertre-tungsrechtliche Streitigkeiten - vom 6. Juni 2016 (II-2708/18-2015) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten, die Dienststellenleitung C und die dort gebildete Mitarbeitervertretung, streiten darüber, ob die Dienststellenleitung befugt ist, mit Mitarbeiter/-innen befristete Arbeits-verträge ohne sachlichen Grund nach Maßgabe von § 14 Abs. 2 TzBfG abzuschließen.
Die Mitarbeitervertretung hat die Auffassung vertreten, sachgrundlose Befristungen seien mit dem kirchlichen Selbstverständnis unvereinbar und widersprächen dem kirchlichen Leitbild der Dienstgemeinschaft. Daraus würden sich besondere Pflichten für das Handeln der Dienststellenleitungen ergeben, wie etwa das kirchengerichtlich anerkannte Verbot substituie-render Arbeitnehmerüberlassung. Der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags ohne Sachgrund sei eine vergleichbar unerlaubte Vertragsgestaltung.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
festzustellen, dass die Dienststellenleitung nicht berechtigt ist, Arbeitsverhältnisse sach-grundlos gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG zu befristen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Antragstellerin berechtigt ist, einer Einstellung zu widersprechen, wenn das Arbeitsverhältnis sachgrundlos gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG befristet werden soll.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen
und hat die Auffassung vertreten, die Anträge seien unzulässig. Es handele sich nicht um eine Streitigkeit aus dem MVG-EKD sondern aus dem Rechtskreis des weltlichen Rechtes; dies-bezüglich gäbe es keine Kompetenz der Mitarbeitervertretung, weltliche Rechtsfragen vor dem Kirchengericht klären zu lassen. Mit dem Abschluss sachgrundlos befristeter Arbeitsver-träge werde nicht gegen den Leitgedanken der Dienstgemeinschaft verstoßen, aus dem Be-griff der Dienstgemeinschaft ließen sich keine Aussagen über die Dauerhaftigkeit einzelner Beschäftigungsverhältnisse sondern nur in Bezug auf die Zusammensetzung der Dienstge-meinschaft bzw. das Gebot zu einheitlicher Vergütung ableiten. Soweit die auf Grundlage des ARRG-EKD gebildete Arbeitsrechtliche Kommission mit der Bezugnahme in § 3 Abs. 2 DVO.EKD auf den TVÖD auch die tariflichen Bedingungen für sachgrundlose Befristungen einbezogen habe, widerspräche das nicht dem Grundsatz der Dienstgemeinschaft.
Das Kirchengericht hat die Anträge zurückgewiesen. Mit der frist- und formgerecht eingeleg-ten und begründeten Beschwerde verfolgt die Mitarbeitervertretung ihren Antrag weiter. Die Dienststellenleitung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig, er betrifft eine Streitigkeit aus der Anwendung des MVG-EKD i.S.v. § 60 MVG-EKD. Der Mitarbeitervertretung obliegt nach § 35 Abs. 1 MVG-EKD die För-derung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter, sie hat nach § 35 Abs. 3 Buchstabe b) MVG-EKD dafür einzutreten, dass die arbeits-, sozial und dienstrechtlichen Bestimmungen, Vereinbarungen und Anordnungen eingehalten werden. Dies beinhaltet, die Anwendung von Normen auf kirchliche Arbeitsverhältnisse klären zu lassen (vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 10. Dezember 2012 - II-0124/U5-2012; Fey/Rehren MVG.EKD, § 35 Rn. 10). Ob das erforderliche Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO besteht, kann vorliegend dahinstehen. Dieses ist lediglich erforderlich für die posi-tive Feststellung eines Rechtsverhältnisses bzw. einer Rechtsverletzung. Für den Fall der Abweisung des Antrags in der Sache kann sein Bestehen dahinstehen (vgl. BAG, Urteil vom 12. Februar 2003 - 10 AZR 299/02-).
2. Der Antrag ist unbegründet. Die Dienststellenleitung ist nicht gehindert, im Rahmen von § 14 Abs. 2 TzBfG bzw. § 30 Abs. 3 TVöD sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse zu ver-einbaren.
a) Die Arbeitsverhältnisse der Dienststelle werden auf Grundlage der Dienstvertragsord-nung der Evangelischen Kirche in Deutschland (DVO.EKD) vereinbart. § 3 Abs. 2 DVO.EKD bestimmt, dass auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Bestim-mungen des TVöD zur Anwendung kommen; dies beinhaltet, nach Maßgabe von § 30 Abs. 3 TVöD befristete Arbeitsverträge auch ohne sachlichen Grund abzuschließen. Nach § 30 Abs. 3 TVöD soll ein befristeter Arbeitsvertrag ohne sachlichen Grund in der Regel zwölf Mo-nate nicht unterschreiten; die Vertragsdauer muss mindestens sechs Monate betragen und vor Ablauf des Arbeitsvertrages hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob eine unbefristete oder be-fristete Weiterbeschäftigung möglich ist. Die Arbeitsrechtliche Kommission hat somit ein Ta-rifwerk in Bezug genommen, welches den Abschluss sachgrundlos befristeter Beschäfti-gungsverhältnisse bestimmten Modifikationen unterwirft. Nur mit diesen Maßgaben ist der Abschluss sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge zulässig.
b) Dies verstößt nicht gegen das in der Präambel zum MVG-EKD verpflichtend niederge-legte Prinzip der Dienstgemeinschaft. Die Evangelische Kirche hat der Gestaltung des kirchli-chen Dienstes das Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft zugrunde gelegt, diese Ent-scheidung wird vom Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gedeckt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1985 - 2 BVR 1703/83; BAG, Urteil vom 20. November 2012 - 11 ZR 179/11). Nach Satz 3 der Präambel verbindet die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie Dienststellenleitung und Mitarbeiter/-innen zu einer Dienstgemeinschaft und verpflichtet sie zu vertrauensvoller Zusammenarbeit. Daraus folgt, dass eine kirchliche Einrichtung, anders als im staatlichen Bereich nicht frei gestalten kann, ob Daueraufgaben mit eigenen Arbeitnehmer/-innen, über Dienst- oder Werkverträge oder mit Leiharbeitnehmer/-innen erledigt werden (vgl. nur KGH.EKD, Beschluss vom 9. Ok-tober 2006 - II-0124/M35-2006 - www.kirchenrecht-ekd.de). Ein drittbezogener Personalein-satz in kirchlichen Einrichtungen darf das Leitbild einer kirchlichen Dienstgemeinschaft als Grundprinzip des kirchlichen Dienstes nicht in Frage stellen (vgl. auch Kirchlicher Arbeitsge-richtshof, Beschluss vom 7. Juni 2013 - M 22/2012).
c) Daraus folgt entgegen der Auffassung der Mitarbeitervertretung nicht, dass darüber hinaus kirchliche oder diakonische Dienstgeber gehindert wären, Arbeitsverträge vollumfäng-lich dem weltlichen Arbeitsrecht einschließlich der Möglichkeit des Abschlusses von sach-grundlos befristeten Arbeitsverträgen nach § 14 Abs. 2 TzBfG zu unterwerfen. Dafür gibt der Begriff der Dienstgemeinschaft nichts her, er betrifft die Zusammensetzung der Mitarbeiter/-innen der Dienstgemeinschaft, nicht aber die Dauer der Arbeitsverhältnisse. Eine kirchliche oder diakonische Einrichtung ist deshalb nicht gehindert, sich z.B. auf die Kleinbetriebsklausel des § 23 KSG zu berufen, sie kann sich auch innerhalb der Wartezeit des § 1 KSG ohne sachlichen Grund durch Kündigung von einem(r) Mitarbeiter(in) trennen, ohne dass damit das Prinzip der Dienstgemeinschaft in Frage stünde; auch der Abschluss befristeter Arbeitsverträ-ge, sei es nach § 14 Abs. 1 TzBfG mit sachlichem Grund oder nach § 14 Abs. 2 TzBfG ohne sachlichen Grund, ist deshalb ohne weiteres zulässig. Der Beendigungsschutz kann zwar kir-chenrechtlich eigenständig geregelt werden, die nach dem kirchlichen Selbstbestimmungs-recht zulässige Anwendung des weltlichen Bestandsschutzsystems ist aber nicht zu bean-standen. Die Verpflichtung auf das Prinzip der Dienstgemeinschaft beinhaltet nicht das Gebot, einen weitergehenden Bestandsschutz zu normieren oder auf die Anwendung bestimmter Normen zu verzichten. Der Antrag war deshalb zurückzuweisen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).
Mestwerdt Bock Neuendorf