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Kirchengericht:Verfassungsgerichtshof der EKD
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:26.10.2016
Aktenzeichen:0122/1
Rechtsgrundlage:GO-EKD Artikel 32, Artikel 32c VwGG.EKD § 13 Satz 4
Vorinstanzen:Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland - Verwaltungskammer Az.: 0136/A3-2015 Beschluss vom 23. Juni 2016
Schlagworte:Vorlageverfahren; Statthaftigkeit der Anrufung des Verfassungsgerichtshofs der EKD
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Leitsatz:

  1. Der Verfassungsgerichtshof der EKD kann in gliedkirchlichen Angelegenheiten nur angerufen werden, wenn dessen Zuständigkeit durch die betreffende Gliedkirche oder Vereinigung von Gliedkirchen nach Art. 32 Abs. 4 GO-EKD begründet worden ist.

Tenor:

Die Vorlage des Kirchengerichts der Evangelischen Kirche in Deutschland - Verwaltungskammer - Az. 0136/A3-2015, Beschluss vom 23. Juni 2016 - ist unzulässig.

Gründe:

I.

Das Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland - Verwaltungskammer - hat im Ausgangsverfahren am 23. Juni 2016 beschlossen:
"Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die Frage zur Ent-scheidung vorgelegt, ob § 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen vom 8. April 1992 der Union Evangelischer Kirchen (Bei-hilfeverordnung) mit der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland i.V.m. Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV und Art. 3 Abs. 1 GG und mit Art. 33 Abs. 5 GG, § 47 Abs. 1 Satz 1 PfdG.EKD vereinbar ist".
1. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens streiten über die Höhe des für die Klägerin maßgeblichen Beihilfesatzes. Die am 2. September 1949 geborene Klägerin ist beamtete Pfarrerin der Beklagten und befindet sich seit dem 1. Oktober 2014 im Ruhestand; sie ist dem Grunde nach beihilfeberechtigt. Maßgeblich für die Beihilfebemessung ist die Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen vom 8. April 1992 der Union Evangelischer Kirchen (Beihilfeverordnung - BhVO-UEK). Nach § 1 Abs. 2 BhVO-UEK sinkt der Beihilfesatz um 20 v.H., wenn Beiträge des Beihilfeberechtigten zur privaten Krankenversicherung mit monatlich mindestens 41,00 € aufgrund von Rechtsvorschriften bezuschusst werden; dabei bleibt ein völliger oder teilweiser Verzicht auf einen solchen Zu-schuss für die Bemessung des Beihilfesatzes unberücksichtigt.
Die Klägerin erhält i.S. dieser Regelung eine Zuzahlung der Deutschen Rentenversicherung zur Krankenversicherung von monatlich 56,82 Euro. Sie begehrt von der Beklagten, ihr gleichwohl Beihilfe im Krankheitsfall in Höhe von 70 v.H. zu gewähren, weil § 1 Abs. 2 BhVO-UEK verfassungswidrig sei, und hat im Ausgangsverfahren einen entsprechenden Sachan-trag gestellt. Die Beklagte billigt der Klägerin nur einen Beihilfesatz von 50 v.H. zu und beruft sich auf § 1 Abs. 2 BhVO-UEK. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten des Ausgangsverfahrens wird auf den Beschluss des vorlegenden Gerichts vom 23. Juni 2016 Bezug genommen.
2. Die Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der EKD hält § 1 Abs. 2 BhVO-UEK gemäß der Formel des Vorlagebeschlusses für mit dem darin genannten Verfassungsrecht unvereinbar. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vorlagebeschluss Bezug genommen.
II. Die Beteiligten sind verfahrensleitend auf Bedenken gegen die Statthaftigkeit einer An-rufung des Verfassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland hingewiesen worden, weil es zwischen der UEK und der EKD keine Regelungen gebe, die die Zuständig-keit des angerufenen Gerichts begründen (Beschluss vom 28. Juli 2016); auf den Inhalt des Beschlusses wird verwiesen. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
1. Die Klägerin hat hierzu nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 22. August 2016, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, Stellung genommen. Sie meint, die Zustän-digkeit des Verfassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut des Artikel 32c GO-EKD oder anderer Regelungen; jedoch müsse Artikel 32c GO-EKD analog angewendet werden.
2. Die Beklagte hält den Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland ebenfalls für nicht zuständig. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 6. September 2016 Bezug genommen.
3. Nach der Ansicht der Beteiligten zu 3. (UEK) und zu 4. (EKD) ist der Verfassungsge-richtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht zuständig, weil es keinen Beitritt der Union Evangelischer Kirchen i.S. des Artikel 32 Abs. 4 GO-EKD gibt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beteiligten zu 3., die darin zugleich für die Beteiligte zu 4. vorträgt, vom 25. August 2016 Bezug genommen.
III. Die von dem Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland - Verwaltungs-kammer - auf Artikel 32c GO-EKD gestützte Vorlage ist unzulässig. Der Verfassungsge-richtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland ist im vorliegenden Fall nicht zuständig. Die Union Evangelischer Kirchen in der EKD (Beteiligte zu 3.) hat keine Erklärung gem. Arti-kel 32 Abs. 4 GO-EKD abgegeben, die die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs der Evan-gelischen Kirche in Deutschland in ihren oder ihren Mitgliedskirchen betreffenden verwal-tungsgerichtlichen Verfahren ermöglicht.
1. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutsch-land ergibt sich vorliegend nicht aus Artikel 32c GO-EKD.
Nach Artikel 32c Abs. 1 GO-EKD entscheidet der Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland im (konkreten) Normenkontrollverfahren über die Vereinbarkeit von Kirchengesetzen und Verordnungen der Evangelischen Kirche in Deutschland mit der Grund-ordnung der EKD.
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens gemäß Artikel 32c GO-EKD sind nur Kirchenge-setze und Verordnungen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Die in Rede stehende Beihilfeverordnung ist keine Normierung der Evan-gelischen Kirche in Deutschland, sondern eine solche der Union Evangelischer Kirchen in der EKD und damit einer anderen öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgemeinschaft. Die Evangelische Kirche in Deutschland und die Union Evangelischer Kirchen in der EKD sind jeweils gesondert gebildete und verfasste öffentlich-rechtliche Körperschaften kirchlichen Rechts.
2. Über Normenkontrollverfahren, die die Vereinbarkeit von Normen der UEK mit Verfas-sungsrecht zum Gegenstand haben, wäre der Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland nur zuständig, wenn dies anderweitig kirchengesetzlich geregelt wäre. Auch das ist hier nicht der Fall.
a) Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutsch-land für das vorliegende konkrete Normenkontrollverfahren folgt nicht aus Artikel 32 Abs. 3 GO-EKD. Diese Bestimmung ist hier nicht einschlägig. Hiernach kann die Evangelische Kir-che "für sich", d.h. für Angelegenheiten der EKD, die Zuständigkeit von Kirchengerichten ihrer Gliedkirchen und deren gliedkirchlichen Zusammenschlüssen begründen. Darum geht es hier nicht.
b) Auch nach Artikel 32 Abs. 4 GO-EKD i.V.m. gliedkirchlichem Recht ist die Zuständig-keit des Verfassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland für das vorliegen-de konkrete Normenkontrollverfahren nicht gegeben. Nach Artikel 32 Abs. 4 GO-EKD kann die Evangelische Kirche in Deutschland u.a. ihren Gliedkirchen und deren gliedkirchlichen Zusammenschlüssen die Möglichkeit eröffnen, die Zuständigkeit der Kirchengerichte der EKD zu begründen. Der Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland wird als Kirchengericht (vgl. Artikel 32 Abs. 2 Nr. 1 GO-EKD) von dieser Möglichkeit umfasst. Indessen hat die Union Evangelischer Kirchen in der EKD von dieser Möglichkeit bisher kei-nen Gebrauch gemacht.
Mit der Neuregelung der kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das Kirchengesetz zur Regelung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (VwGG) vom 9. November 2010 (ABl.EKD 2011, S. 21) ist lediglich die Verwaltungsgerichts-barkeit der Union Evangelischer Kirchen in der EKD in die Gerichtsbarkeit der Evangelischen Kirche in Deutschland überführt worden. Ein Verfassungsgericht gab (und gibt) es in der Uni-on Evangelischer Kirchen in der EKD nicht. Eine Regelung der Union Evangelischer Kirchen in der EKD, wonach der Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland in verfassungsrechtlichen Angelegenheiten der Union Evangelischer Kirchen in der EKD ange-rufen werden kann, besteht nicht. Diese Frage ist in den Verhandlungen über die "Übernah-me" des Verwaltungsprozessrechts der Evangelischen Kirche in Deutschland durch die Union Evangelischer Kirchen in der EKD nicht behandelt worden.
c) Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutsch-land folgt auch nicht aus § 13 Satz 4 VwGG.EKD. Diese Norm begründet keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland für Normenkontroll-verfahren, sondern nur für Streitigkeiten über die Ausübung von Rechts- und Amtshilfe.
3. Die von der Klägerin angeregte analoge Anwendung des Artikel 32c Abs. 1 GO-EKD ist rechtlich ausgeschlossen.
a) Eine analoge Anwendung setzt voraus, dass eine gesetzliche Norm desselben Gesetz-gebers eine planwidrige Lücke enthält. Daran fehlt es hier. Es liegt insoweit keine Lücke vor. Der Gesetzgeber der Evangelischen Kirche in Deutschland kann die Zuständigkeit des Ver-fassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland für Normenkontrollverfahren, die gliedkirchliches Recht zum Gegenstand haben, nicht begründen. Vielmehr bedarf es dazu eines entsprechenden Rechtsaktes der Gliedkirche oder des gliedkirchlichen Zusammen-schlusses nach Artikel 32 Abs. 4 GO-EKD.
b) Eine analoge Anwendung des § 13 Satz 4 VwGG.EKD scheidet ebenfalls aus, weil es sich dabei nur um eine punktuelle Regelung handelt.
4. Der Umstand, dass die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland die BhVO-UEK wie eigenes Recht anwendet, ändert an der Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland nichts. Insoweit gelten die gleichen Erwägungen wie die zur UEK. Auch die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland hat keinen Rechtsakt erlassen, der die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland begründet.
IV. Nach allem ist das Verfahren an das vorlegende Gericht zurückzugeben. Eine geson-derte Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland ist entbehrlich.