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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:17.08.2016
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/42-2016
Rechtsgrundlage:MVG-EKD § 40 Buchstabe k)
Vorinstanzen:Az.: MVG-887 Kirchengericht der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz Beschluss vom 23. Mai 2016
Schlagworte:Einstweilige Verfügung mit dem Inhalt " Siezen und Ansprechen mit dem Nachnamen der beschäftigten Menschen mit Behinderung"
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Leitsatz:

Eine Weisung der Dienststelle an die Mitarbeitende, in einer Einrichtung beschäftigte Men-schen mit Nachnamen anzusprechen und zu Siezen, unterliegt nicht der Mitbestimmung nach § 40 Buchstabe k) MVG-EKD.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss des Kirchenge-richts der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeiterver-tretungsgesetz vom 23. Mai 2016 - MVG-887 - wird nicht zur Entscheidung ange-nommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Antragstellerin begehrt, der Dienststellenleitung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren mit dem Gegenstand "Siezen und Ansprechen mit dem Nachnamen der beschäftigten Menschen mit Behinderung" zu untersagen, die Mitarbeitenden der Dienst-stelle anzuweisen, die in der Einrichtung beschäftigten Menschen mit Behinderung durchgän-gig zu siezen und sie mit ihrem Nachnamen anzusprechen.
Mit Anweisung im Rahmen eines Protokolls vom 2. März 2016 bat die Dienststellenleitung unter Hinweis auf die in der Einrichtung herrschende Nähe-Distanz-Kultur im Umgang mit Beschäftigten unter besonderer Berücksichtigung der Teilaspekte "Anrede" und "Körperkon-takt" alle Mitarbeitenden, Beschäftigte künftig durchgängig zu siezen und mit ihrem Nachna-men anzusprechen. In begründeten Einzelfällen solle über individuelle Ausnahmeregelungen entschieden werden.
Die Dienststellenleitung vertritt die Auffassung, dass diese Anweisung des Einrichtungsleiters nach § 40 Buchstabe k) MVG-EKD mitbestimmungspflichtig sei. Mit der Maßnahme werde das soziale Verhalten der Mitarbeitenden in der Dienststelle maßgeblich bestimmt und gestal-tet und damit generell das Zusammenleben und das Zusammenwirken der Mitarbeitenden in der Dienststelle.
Ein Verfügungsanspruch bestehe, da die betrieblichen Interessen durch ein Zuwarten bis zum Abschluss des (Hauptsache-)Beschlussverfahrens nicht beeinträchtigt würden.
Die Antragstellerin hat beantragt,
der Dienststellenleitung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im (Hauptsache-) Be-schlussverfahren mit dem Gegenstand "Siezen und Ansprechen mit dem Nachnamen der beschäftigten Menschen mit Behinderung" zu untersagen, die Mitarbeitenden der Dienststelle anzuweisen, die beschäftigten Menschen mit Behinderung durchgängig zu siezen und mit ihrem Nachnamen anzusprechen sowie die Dienststellenleitung zu ver-pflichten, die Anweisung vom 2. März 2016 aufzuheben.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es fehle sowohl an einem Verfügungsanspruch wie an einem Verfügungsgrund.
Mit der fristgerecht eingereichten und begründeten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Antragsbegehren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Es fehlt bereits an einem Verfügungsanspruch. Die Anweisung vom 2. März 2016 unterliegt nicht der Mitbestimmung.
1. Nach § 40 Buchstabe k) MVG-EKD hat die Mitarbeitervertretung mitzubestimmen bei der Regelung der Ordnung in der Dienststelle sowie bei der Regelung des Verhaltens der Mit-arbeiter und Mitarbeiterinnen im Dienst. Gegenstand der Mitbestimmung nach § 40 Buchsta-be k) MVG-EKD und des gleichregelnden § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zu-sammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es beruht darauf, dass die Arbeitnehmenden ihre vertraglich geschuldete Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation erbringen und dabei dessen Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt den Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Belegschaft im Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Bei solchen Maßnahmen hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Das soll gewährleisten, dass die Arbeitnehmenden gleichbe-rechtigt an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens teilhaben. Mitbestimmungsfrei sind dagegen Anordnungen, die das sog. Arbeitsverhalten betreffen und mit denen die Ar-beitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird. Wirkt sich eine Maßnahme zugleich auf das Ordnungs- und das Arbeitsverhalten aus, kommt es darauf an, welcher Regelungs-zweck überwiegt (BAG, Beschluss vom 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10).
2. Danach unterliegt die streitgegenständliche Weisung vom 2. März 2016, Beschäftigte künftig durchgängig zu siezen und mit ihrem Nachnamen anzusprechen, nicht der Mitbe-stimmung der Mitarbeitervertretung. Betroffen ist die Art und Weise der Erbringung der Ar-beitsleistung der Mitarbeitenden gegenüber den "Kunden", den in der Einrichtung Betreuten und Beschäftigten, nicht aber das Verhalten der Mitarbeitenden untereinander bzw. die Form der Gesprächskommunikation zwischen ihnen. Es steht der Dienststellenleitung frei, durch Arbeitsanweisung die Regeln im Umgang mit den Beschäftigten festzulegen. Ob eine solche Anweisung sinnhaft ist, mag im Einzelfall zweifelhaft sein; daraus folgt jedoch kein Mitbe-stimmungsrecht der Mitarbeitervertretung.
3. Selbst wenn als Reflex dieser Anweisung durch das abgeforderte Gesprächsverhalten auch das Verhalten der Mitarbeitenden untereinander betroffen ist, ergibt sich daraus kein Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Rege-lungszweck maßgeblich darauf geregelt ist, das Arbeitsverhalten im Umgang mit den anver-trauten Beschäftigten zu regeln.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).