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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:31.08.2015
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/10-2015
Rechtsgrundlage:MVG-EKD § 6a
Vorinstanzen:Az.: 2 M 85/14 Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) Beschluss vom 3. Februar 2015
Schlagworte:Gründung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund; Ausschluss eines Mitglieds der Gesamtmitarbeitervertretung
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Leitsatz:

§ 6a MVG-EKD erlaubt die Gründung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund nur in einem Über- bzw. Unterordnungskonzern, nicht jedoch in einem Gleichstellungskonzern; nach § 6a Abs. 1 S. 1 MVG-EKD muss die einheitliche und beherrschende Leitung bei einer der Einrichtungen liegen.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluss der Schlichtungsstel-le nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) vom 3. Februar 2015, Az. 2 M 85/14, abgeändert.
Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über den Ausschluss eines Mitglieds aus der Gesamtmitarbeiter-vertretung wegen grober Pflichtverletzung. Die Antragstellerin sieht sich als rechtmäßig kon-stituierte Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund der Stiftung E. Dieser besteht aus vier Stiftungen. Alle Stiftungen sind rechtsfähige kirchliche Stiftungen des privaten Rechts und haben sich nahezu gleichlautende Satzungen gegeben. Alle Stiftungen haben ihren Sitz in Bielefeld, Standort einer Stiftung ist Bernau bei Berlin (Brandenburg). Der inso-weit gleichlautende § 5 der jeweiligen Satzungen regelt die Einheit der Stiftungen. Nach § 5 Abs. 1 hat der Zusammenschluss der Stiftungen den Zweck, die wirtschaftliche Einheit der Stiftung E auf Grundlage ihrer geistlichen Einheit in gemeinsamer Planung, gemeinsame Aufgabenstellung und gemeinsamer Finanzdisposition zu verwirklichen. Nach § 5 Abs. 2 der jeweiligen Satzung geben sich die Stiftungen eine einheitliche Leitung. Die Mitglieder der je-weiligen Verwaltungsräte sowie der Vorstände sind zugleich Mitglieder der Verwaltungsräte bzw. des Vorstandes der drei anderen Stiftungen. Alle Stiftungen haben als Organe einen Verwaltungsrat und einen Vorstand. Der in allen vier Stiftungen personenidentische Verwal-tungsrat besteht aus siebzehn Mitgliedern, die Mitgliedschaft wird durch Zuwahl begründet. Der jeweilige Verwaltungsrat beaufsichtigt die Geschäftsführung des jeweiligen Vorstandes und entscheidet über die Bestätigung der Finanz- und Investitionsplanung. Der nach allen vier Satzungen gebildete Vorstand vertritt die jeweilige Stiftung nach außen und leitet sie. Einige Stiftungen haben Tochtergesellschaften, so die Einrichtung G mit Sitz in Berlin, die Mitglied im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DWBO) ist. Wesentliche Stabsstellen sind in der Stiftung E angesiedelt, aber eine Stiftung und die in Berlin ansässige Einrichtung G haben auch eigene Personalabteilungen, EDV-Abteilungen mit unabhängigem IT-System, Controlling, Finanz- und Rechnungswesen, eigene Fachschulen, Fortbildungsan-gebote, eigene Stiftungszeitungen und ein eigenes Intranet.
Bis zu den Neuwahlen der Mitarbeitervertretungen im Frühjahr 2014 hatten drei Stiftungen eine Gesamtmitarbeitervertretung. Seit dem Jahr 2011 ist eine weitere Stiftung Teil der Stif-tung E. Nach der Mitarbeitervertretungswahl 2014 gab es Bestrebungen, eine gemeinsame Mitarbeitervertretung im Dienststellenverbund nach § 6a MVG-EKD zu installieren. Am 30. Juni 2014 gab es eine konstituierende Sitzung, an der siebzehn der vierundzwanzig betei-ligten Mitarbeitervertretungen teilnahmen. Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2., Herr C, unterlag bei der Wahl zum Vorsitzenden dieser Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellen-verbund.
Der Beteiligte zu 2. korrespondierte über große E-Mail-Verteiler über den Inhalt einer Ver-sammlung am 12. Mai 2014, in der er angeblich bedroht worden war. Die E-Mails gingen u.a. auch an den Vorstand der Stiftung E. Nach weiterer E-Mail-Korrespondenz beschloss die Antragsstellerin am 2. Oktober 2014 den Beteiligten zu 2. wegen grober Verletzung der Schweigepflicht nach § 17 MVG-EKD auszuschließen.
Sie hat mit dem am 3. November 2014 bei der Schlichtungsstelle eingegangenen Antrag ein Verfahren eingeleitet und beantragt,
den Beteiligten zu 2. aus der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund aus-zuschließen.
Der Beteiligte zu 2. hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
und die Auffassung vertreten, die Schlichtungsstelle der Evangelische Kirche von Westfalen sei unzuständig, weil er als Mitglied der Mitarbeitervertretung in der Einrichtung G nicht in die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle falle. Seine Dienststelle sei Mitglied im DWBO, sodass die dortige Schlichtungsstelle zuständig sei. Die Antragstellerin sei auch nicht aktiv legitimiert, da die Voraussetzungen für die Bildung einer GMAV im Dienststellenverbund nach § 6a MVG-EKD nicht vorliegen würden. Tatsächlich handele es sich bei den Stiftungen E um ei-nen Gleichordnungskonzern, auf den § 6a MVG-EKD nicht zur Anwendung kommen könne. Eine rechtlich nicht existente Mitarbeitervertretung sei weder beteiligtenfähig noch antragsbe-fugt.
Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag stattgegeben und die Auffassung vertreten, die angeru-fene Schlichtungsstelle sei zulässig und das Ausschließungsbegehren begründet, da der Be-teiligte zu 2. durch E-Mails vom 4. und 23. September 2014 in grober Weise gegen seine Ver-schwiegenheitspflicht aus § 22 Abs. 1 S. 4 MVG-EKD verstoßen habe.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 2. und verfolgt sein Begehren, den Antrag zurückzuweisen, in der Beschwerde weiter. Der Kirchengerichtshof der EKD hat als weitere Beteiligte die Dienststellenleitungen der Stiftungen E beteiligt. Diese haben keinen Antrag formuliert.
II. Die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Beschwerde ist zulässig und be-gründet.
1. Die Rüge der fehlenden Zuständigkeit der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeiterver-tretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen ist unbehelflich. Zutreffend ist zwar, dass sich weder in der Schiedsordnung des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz noch in der Verordnung über die Zuständigkeit der beiden Kammern, der Geschäftsstelle und der Entschädigung der Vorsitzenden der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG-Ausführungsverordnung-MVG.AVO) vom 14. Dezember 1994 eine Regelung der Zuständigkeit für solche Verfahren findet, an denen Dienststellen beteiligt sind, die Mitglied in unterschiedlichen diakonischen Werken sind. Nach § 62 MVG-EKD, § 48 Abs. 1, § 65 ArbGG ist eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit in der Beschwer-deinstanz nicht möglich. Die angerufene Schlichtungsstelle hat ihre Zuständigkeit angenom-men. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.
2. Der Antrag der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienstellenverbund ist zulässig, für die Sachprüfung wird die Beteiligtenfähigkeit der Antragstellerin zur Ermöglichung einer Sachent-scheidung unterstellt (vgl. BAG 18. März 2015 - 7 ABR 42/12).
3. Der Antrag ist unbegründet, da die Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenver-bund ohne rechtliche Grundlage gebildet wurde und deshalb rechtlich nicht existent ist.
a) Auf drei der vier Stiftungen findet das Zweite Kirchengesetz über Mitarbeitervertretun-gen in der Evangelischen Kirche in Deutschland 2013 (MVG-EKD) vom 12. November 2013 (ABl.EKD 2013, S. 425; KABl. 2014 S. 314) mit den Bestimmungen des Ausführungsgesetzes zum Zweiten Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen der Evangelischen Kirche in Deutschland 2013 (Ausführungsgesetz zum Mitarbeitervertretungsgesetz AGMVG) vom 20. November 2014 (KABl. 2014, S. 335) Anwendung. Auf den Anstellungsträger des Beteilig-ten zu 2. findet das Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD MVG.EKD) vom 6. November 1992 in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15. Januar 2010 (ABl.EKD 2010, S.3), geändert durch Kirchengesetz vom 9. November 2011 (ABl.EKD 2011, S. 339), Anwendung unter Be-rücksichtigung des Kirchengesetzes über die Anwendung des Kirchengesetzes über Mitarbei-tervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 1992 in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (MVG-Anwendungsgesetz - MVG-AG) vom 16. April 2010, geändert durch Kirchengesetz vom 20. April 2013 (KABl. S. 86), der Rechtsverordnung über die Geltung des MVG-Anwendungsgesetzes für das Diako-nische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. vom 13. Dezember 2013 (KABl. S. 4) sowie der Ordnung zur Mitgliedschaft in einer Mitarbeitervertretung im Diakoni-schen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. gemäß § 1 Abs. 1 der Rechts-verordnung zur Mitgliedschaft in einer Mitarbeitervertretung im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. (MAV-Mitgliedsordnung DWBO) vom 13. Dezem-ber 2013.
b) Es kann dahinstehen, ob eine gemeinsame Mitarbeitervertretung im Dienststellenver-bund überhaupt gebildet werden kann, wenn verbundene Dienststellen verschiedenen Gliedkirchen zugeordnet sind und das Mitarbeitervertretungsrecht auf unterschiedlicher kir-chengesetzlicher Grundlage beruht. Ein solcher Fall ist nicht geregelt. Zwar enthält sowohl das MVG-DWBO vom 6. November 1992 in der Fassung vom 9. November 2011 wie auch das Zweite Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland 2013 (MVG-EKD) vom 12. November 2013 einen gleichlautenden § 6a, der nach beiden Rechtsordnungen die Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung im Dienststellenverbund ermöglicht. Eine ausdrückliche kirchengesetzliche Regelung, die gliedkirchenübergreifende gemeinsame Mitarbeitervertretungen im Dienststellenverbund ge-stattet, fehlt aber in beiden Rechtsordnungen. Gleichermaßen fehlt in beiden Rechtsordnun-gen eine Zuständigkeitsregelung für Rechtsstreitigkeiten, die unter Einbezug der gemeinsa-men Mitarbeitervertretung im Dienststellenverbund geführt werden. Dies zeigt, dass in beiden Rechtsordnungen eine gliedkirchenübergreifende Mitarbeitervertretung im Dienststellenver-bund eigentlich nicht vorgesehen ist.
c) Selbst wenn zugunsten der Antragstellerin unterstellt wird, dass eine gliedkirchenüber-greifende Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund rechtlich zulässig ist, liegen die Voraussetzungen des in beiden Rechtsordnungen gleichlautenden § 6a nicht vor. Maß-geblich ist nach beiden Vorschriften, dass die einheitliche und beherrschende Leitung einer Mehrzahl rechtlich selbstständiger diakonischer Einrichtungen bei einer der Einrichtungen liegt. Zwar liegt eine einheitliche und beherrschende Leitung vorliegend nahe, da Vorstand und Verwaltungsrat für mehrere Einrichtungen des Dienststellenverbundes bestimmt und Ent-scheidungen auch für den Dienststellenverbund getroffen werden. Sowohl § 6a Abs. 1 S. 1 MVG-EKD als auch § 6a Abs. 1 S. 1 MVG-DWBO bestimmen jedoch ausdrücklich, dass die beherrschende Leitung bei einer der Einrichtungen liegen muss. Daran fehlt es vorliegend. Sämtliche Stiftungen haben wortidentische Satzungen und werden eigenverantwortlich von Vorstand und Verwaltungsrat geführt. Trotz Personenidentität liegt die beherrschende Leitung damit nicht, wie gesetzlich eindeutig vorausgesetzt, bei einer Einrichtung. § 6a MVG-EKD/MVG-DWBO greift deshalb nur in einer Über- und Unterordnungs-, nicht aber in einer Gleichordnungsstruktur. Innerhalb der beteiligten Stiftungen könnten damit Gesamtmitarbei-tervertretungen im Dienstellenverbund gegründet werden, sofern rechtlich selbstständige Ein-richtungen einander in einem Über-/Unterordnungsverhältnis zugeordnet sind; für die Bildung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienstellenverbund in der vorliegenden Struktur fehlt aber eine gesetzliche Grundlage. Fehlt eine solche, kann eine Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund nicht gegründet werden, selbst wenn ihre Gründung sinnvoll erschei-nen mag.
d) Unerheblich ist, dass die Beteiligten zu 1) und 3) am 22. April 2015 eine Dienstvereinba-rung Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund vereinbart haben, indem die Arbeit der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund und ihre Zusammensetzung gere-gelt sind. Das MVG-EKD kennt keine § 3 BetrVG vergleichbare Bestimmung, wonach durch kollektivrechtliche Regelung Vertretungsorgane gebildet werden können. Eine Dienstverein-barung kann nicht Grundlage für die Gründung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienst-stellenverbund sein. Mangels gesetzlicher Grundlage für die Errichtung einer Gesamtmitarbei-tervertretung im Dienststellenverbund ist die Antragstellerin deshalb rechtlich nicht existent und weder beteiligtenfähig noch antragsbefugt.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).