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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:16.12.2013
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/V20-13
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 19 Abs. 3
Vorinstanzen:Az.: 2 M 17/13 Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) Beschluss vom 23. Mai 2013
Schlagworte:Entsendung von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung zu Fortbildungsveranstaltungen
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Leitsatz:

1. Der Anspruch auf Übernahme von Schulungskosten sowie auf Freistellung für den Besuch einer Schulungsveranstaltung setzt voraus, dass für die Tätigkeit in der Mitarbeitervertretung erforderliche Kenntnisse im Sinne von § 19 Abs. 3 MVG.EKD vermittelt werden. Welche Kenntnisse erforderlich sind und ob solche Kenntnisse durch die Teilnahme an einer Tagung oder in einem Lehrgang vermittelt werden, entscheidet die Mitarbeitervertretung, ihr steht in-soweit ein Beurteilungsspielraum zu (ständige Rechtsprechung des KGH.EKD, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - II-0124/T58-11, Beschluss vom 3. Juni 2013 - II-0124/U24-12 - beide veröffentlicht unter www.kirchenrecht-ekd.de).
2. Die Entscheidung einer aus 15 Mitgliedern bestehenden Mitarbeitervertretung, neben einem freigestellten Mitglied ein zweites, nicht freigestelltes Mitglied an einer 5-tägigen Schu-lung zum Thema "Mitarbeiterversammlung und Öffentlichkeitsarbeit" teilnehmen zu lassen, hält sich im Rahmen dieses Beurteilungsspielraumes.

Tenor:

Der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) vom 23. Mai 2013 - 2 M 17/13 - wird abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin berechtigt ist, neben einem freigestellten MAV-Mitglied ein weiteres nicht freigestelltes Mitglied zu einer 5-tägigen Schulung zum Thema "Mitarbeiterversammlung und Öffentlichkeitsarbeit" zu entsenden.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mitarbeitervertretung neben einem freigestellten Mitglied ein weiteres nicht freigestelltes Mitglied zu einer Schulungsveranstaltung zum Thema "Mitarbeiterversammlung und Öffentlichkeitsarbeit" entsenden kann.
Die Dienststelle betreibt Krankenhäuser und beschäftigt in drei Betriebsstätten ca. 1.650 Mit-arbeitende. Die Antragstellerin ist die für diese Betriebsstätten gebildete Mitarbeitervertretung. Sie besteht aus 15 Mitgliedern.
Nach einem Beschluss der Mitarbeitervertretung sollte neben einem freigestellten Mitglied ein nicht freigestelltes Mitglied zu einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema "Mitarbeiter-versammlung und Öffentlichkeitsarbeit" entsendet werden. Diese Veranstaltung hatte inhaltlich folgende Schwerpunkte:
- Öffentlichkeitsarbeit der MAV
- Gestaltung von Mitarbeiterversammlungen
- Erweiterung der eigenen rhetorischen Kompetenz
- Werbung und Einladungen
- Medieneinsatz
- Entwicklung neuer Methoden.
Die Dienststellenleitung stimmte der Teilnahme des freigestellten Mitglieds der Mitarbeiter-vertretung zu, lehnte aber eine Freistellung des nicht freigestellten Mitglieds und eine Kos-tenübernahme für diesen ab.
Nachdem die Schlichtungsstelle den erstinstanzlich gestellten Antrag auf Freistellung und Kostenübernahme zurückgewiesen hat, hat das nicht freigestellte Mitglied an der Fortbil-dungsveranstaltung nicht teilgenommen. Die Antragstellerin beabsichtigt nunmehr, zu einer der nächsten Veranstaltungen zu diesem Thema ein nicht freigestelltes Mitglied zu entsenden.
Sie hat im Hinblick darauf, dass die ursprünglich streitgegenständliche Schulungsveranstaltung bereits stattgefunden hat, in der Beschwerde den Antrag geändert und beantragt nunmehr,
festzustellen, dass die Antragstellerin berechtigt ist, neben einem freigestellten MAV-Mitglied ein weiteres nicht freigestelltes Mitglied zu einer 5-tägigen Schulung zum Thema "Mitarbeiterversammlungen und Öffentlichkeitsarbeit" zu entsenden.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die Teilnahme eines weiteren nicht freigestellten Mitglieds an einer Fortbildungsveranstaltung zu diesem Thema sei nicht erforderlich, auch sei eine 5-tägige Schulung zu diesem Thema unverhältnismäßig und nicht erforderlich.
II. Die Beschwerde ist, auch mit dem geänderten Antrag, zulässig (§ 62 MVG.EKD, § 87 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz, § 81 Abs. 3 Satz 1 ArbGG). Die ursprünglich streitgegenständliche Schulungsmaßnahme ist zwar beendet, die grundsätzliche Rechtsfrage der Erforderlichkeit einer Teilnahme eines weiteren Mitglieds an einer Schulungsveranstaltung zu diesem Thema ist zwischen den Beteiligten aber nach wie vor streitig. Die Antragsänderung ist sachdienlich, weil es den zwischen den Beteiligten bestehenden grundsätzlichen Streit einer Entscheidung zuführt; auch das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Erforderlichkeit einer Schu-lungsmaßnahme zum Thema "Mitarbeiterversammlung und Öffentlichkeitsarbeit" ist deshalb nicht entfallen (vgl. BAG, Beschluss vom 10 Juni 1974 - 1 ABR 136/73 - AP Nr. 15 zu § 37 BetrVG; Beschluss vom 16. März 1976 - 1 ABR 43/74 - AP Nr. 22 zu § 37 BetrVG).
III. Die Beschwerde ist begründet.
1. Der Anspruch auf Übernahme von Schulungskosten sowie auf Freistellung für den Besuch einer Schulungsveranstaltung setzt voraus, dass für die Tätigkeit in der Mitarbeiterver-tretung erforderliche Kenntnisse im Sinne von § 19 Abs. 3 MVG.EKD vermittelt werden. Welche Kenntnisse erforderlich sind und ob solche Kenntnisse durch die Teilnahme an einer Tagung oder in einem Lehrgang vermittelt werden, entscheidet die Mitarbeitervertretung, ihr steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu (ständige Rechtsprechung KGH.EKD, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - II-0124/T58-11; Beschluss vom 3. Juni 2013 - II-0124/U24-12 - beide veröffentlicht unter www.kirchenrecht-ekd.de; vgl. auch BAG, Beschluss vom 7. Juni 1989 - 7 ABR 26/88 - AP Nr. 67 zu § 37 BetrVG 1972). Dieser Beurteilungsspielraum ist notwendig, da nur das Gremium der Mitarbeitervertretung darüber befinden kann, welche Kenntnisse für die konkrete Arbeit der Mitarbeitervertretung notwendig sind. Dies gilt insbesondere, weil § 19 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD den Schulungsanspruch auf vier Wochen pro Amtsperiode beschränkt; eine differenzierende Regelung entsprechend § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG kennt das Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD nicht. Steht nur ein beschränktes Schulungsvolumen zur Verfügung, so bedarf es eines ausreichend weiten Beurteilungsspielraums, um durch differenzierte Schulungs- und Tagungsteilnahme ihrer Mitglieder den insgesamt erforderlichen Kenntnisstand in der Mitarbeitervertretung sicherstellen zu können.
2. Dieser Beurteilungsspielraum schließt ein, dass auch die Teilnahme an Tagungen erforderlich im Sinne von § 19 Abs. 3 MVG.EKD sein kann, für die es eine "konkrete Erforderlichkeit", etwa im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG, nicht gibt. Die Tätigkeit einer Mitarbeitervertretung besteht nicht ausschließlich aus konkreten einzelfallbezogenen Beteiligungsfragen. Der Kenntnisstand der Mitglieder der Mitarbeitervertretung muss vielmehr insgesamt so sein, dass eine sinnvolle, zielgerichtete Tätigkeit jederzeit gewährleistet sein kann.
3. Die Entscheidung der Mitarbeitervertretung, ein zweites, nicht freigestelltes Mitglied an einer Schulung zum Thema "Mitarbeiterversammlung und Öffentlichkeitsarbeit" teilnehmen zu lassen, hält sich im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums. Es unterliegt keinen durchgreifenden Zweifeln, dass es im Hinblick auf die Größe der Mitarbeitervertretung, die Anzahl der Mitarbeitenden in der Dienststelle und die Zahl der Betriebsstätten erforderlich ist, dass ein weiteres Mitglied der Mitarbeitervertretung neben einem freigestellten Mitglied über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn nach der Beurteilung der Mitarbeitervertretung für die Organisation von Veranstaltungen für diese Anzahl von Mitarbeitenden zwei Mitglieder erforderlich sind. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das geschulte Mitglied ausfallen kann und die der Mitarbeitervertretung gesetzlich obliegende Aufgabe der Organisation von Mitarbeiterversammlungen nicht wahrgenommen werden kann.
4. Gleichfalls obliegt es der Mitarbeitervertretung zu entscheiden, welches Mitglied im Gremium sich mit welchem Thema auseinandersetzt. Es gibt entgegen der Auffassung der Vorinstanz keinen Rechtssatz dahingehend, dass bestimmte Tätigkeiten (nur) von freigestellten Mitgliedern der Mitarbeitervertretung wahrzunehmen sind. Diese haben zwar vorrangig im Rahmen der Freistellung die Aufgaben der Mitarbeitervertretung zu erledigen (Baumann-Czichon, Kommentar zum MVG.EKD, § 20 Rn. 10); daraus ergibt sich aber nicht, dass nicht freigestellte Mitglieder der Mitarbeitervertretung nicht in Aufgaben der Veranstaltungsorganisation und Öffentlichkeitsarbeit eingebunden und entsprechend geschult werden dürfen.
5. Die Einwände der Dienststellenleitung gegen den Umfang der beabsichtigten Schu-lungsveranstaltung greifen nicht. Das Themenspektrum der Schulungsmaßnahme betrifft nicht nur die Gestaltung von Mitarbeiterversammlungen, sondern beinhaltet eine umfassende Schulung zum Thema Öffentlichkeitsarbeit. Es ist nicht zu beanstanden, dass nach Beurteilung der Mitarbeitervertretung die Teilnahme an einer solchen Schulung erforderlich ist.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).