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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:06.09.2013
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/V5-13
Rechtsgrundlage:MVG.EKD §§ 38, 40 Buchstabe d)
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) Beschluss vom 4. Februar 2013
Schlagworte:Erstellung von Dienstplänen
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Leitsatz:

1. Ein Feststellungsantrag bedarf im kirchengerichtlichen Verfahren in Mitarbeitervertre-tungssachen eines Feststellungsinteresses. Für dessen Annahme ist es nicht ausreichend, dass die mit einem Antrag angestrebte Entscheidung Richtschnur für das Verhalten der Beteiligten in verschiedenen künftigen Fällen und Fallkonstellationen sein kann.
2. Die Mitarbeitervertretung darf ihre Zustimmung zu einer beabsichtigten Maßnahme der Dienststellenleitung nicht nur verweigern, wenn die Festlegungen in einem Dienstplan gegen höherrangiges Recht verstoßen. Vielmehr darf sie sich auf alle Gründe berufen, die dem Schutzbereich des jeweiligen Mitbestimmungsrechts zugeordnet werden können.
3. Es besteht kein Feststellungsinteresse an einem Feststellungsantrag der Dienststellen-leitung, mit dem festgestellt werden soll, dass bestimmte Gestaltungen in Dienstplänen (rechtmäßig sind), weil die Mitarbeitervertretung den Dienstplänen nach einer derartigen Feststellung immer noch die Zustimmung verweigern könnte.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) vom 4. Februar 2013, Az. 2 M 94/12, abgeändert.
Die Anträge der Dienststellenleitung werden als unzulässig verworfen.

Gründe:

I. Die Dienststellenleitung verlangt die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, bei der Dienstplanung Schichtfolgen von maximal zehn Schichten einzuhalten, dass sie berechtigt sei, Dienstpläne zu erstellen, die eine Ruhezeit zwischen Ende und Beginn einer Schicht von zehn Stunden vorsehen, sofern ein entsprechender Ausgleich im Sinne von § 5 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) gewährt werde, und dass teilzeitbeschäftigte Mitarbeitende mit der gleichen Stundenzahl geplant werden dürften wie in Vollzeit beschäftigte Mitarbeitende.
Die Dienstgeberin betreibt Altenheime. Zwischen der Dienststellenleitung und der Mitarbei-tervertretung kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen über die monatlichen Dienstpläne, deren Entwürfe der Mitarbeitervertretung bis zum 10. des Vormonats zugehen. Die Mitarbeitervertretung begründet ihre Zustimmungsverweigerungen zu den Dienstplänen unter anderem damit, dass Folgen von mehr als sieben Schichten § 6 ArbZG und den Empfehlungen der Unfallversicherung widersprächen. Ferner macht sie geltend, dass Teilzeitbeschäftigte überdurchschnittlich zu schlechten Zeiten eingeplant würden, was unbillig sei. Schließlich bemängelt sie Ruhezeiten von zehn Stunden, die § 5 ArbZG widersprächen. Auch nach Stellungnahmen der Dienststellenleitung und ggf. vorgenommen Korrekturen an den Dienstplänen erteilte die Mitarbeitervertretung jedenfalls keine Zustimmung zu den Dienstplänen für Oktober 2012 bis Januar 2013. Die Dienststellenleitung beantragte bei der Schlichtungsstelle jeweils die Ersetzung der Zustimmung. Diese Anträge wurden im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle für erledigt erklärt. In den Einrichtun-gen wurde zuvor nach den Dienstplanentwürfen der Dienststelle gearbeitet.
Die Dienststellenleitung hat die Auffassung vertreten, dass die Einwände der Mitarbeiterver-tretung gegen die Dienstpläne unberechtigt seien. Der BAT-KF ermögliche eine Folge von zehn Schichten, § 5 Abs. 2 ArbZG erlaube eine Ruhezeit von zehn Stunden. Ein überpropor-tionaler Einsatz von Teilzeitbeschäftigten an Wochenenden finde nicht statt.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
1. festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sei, bei der Dienstplanung Schichtfolgen von maximal sieben, acht, neun oder zehn Schichten einzuhalten,
2. festzustellen, dass sie berechtigt ist, Dienstpläne zu erstellen, die eine Ruhezeit zwischen Ende und Beginn einer Schicht von zehn Stunden vorsehen, sofern ein entsprechender Ausgleich im Sinne von § 5 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz gewährt wird,
3. festzustellen, dass die Planung gem. Ziffer 2 gegenüber der Mitarbeitervertretung nicht gesondert begründet und beantragt werden muss,
4. festzustellen, dass die teilzeitbeschäftigten Mitarbeitenden an Sonn- und Feiertagen mit der gleichen Stundenzahl geplant werden dürften wie in Vollzeit beschäftigte Mitarbeitende.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Rechtsauffassungen der Dienststellenleitung zu den genannten Punkten unzutreffend seien.
Die Schlichtungsstelle hat den Anträgen der Dienststellenleitung zu 1., 2. und 4. stattgegeben. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 3 bis 8 der Beschwerdeakte verwiesen. Gegen diesen Beschluss, der der Mitarbeitervertretung am 1. März 2013 zugestellt worden ist, hat diese mit Schriftsatz vom 13. März 2013, beim Kirchengerichtshof der EKD eingegangen am 18. März 2013, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29. April 2013, beim Kirchengerichtshof der EKD per Fax eingegangen am 30. April 2013 und postalisch am 6. Mai 2013, begründet. Der Senat hat die Beschwerde zur Entscheidung angenommen.
Die Mitarbeitervertretung meint, dass der erstinstanzliche Beschluss falsch sei. Der Tarifvertrag erlaube nur ausnahmsweise im Rahmen begründeter betrieblicher oder dienstlicher Notwendigkeiten eine Folge von nicht mehr als acht Schichten. Eine Kürzung der Ruhezeit auf zehn Stunden setze voraus, dass dieses die Arbeit erfordere und ein Ausgleich innerhalb von 13 Wochen erfolge. Demgemäß müsse die Erforderlichkeit und der Ausgleich gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung festgelegt werden. Schließlich dürften Teilzeitbeschäftigte nur anteilig am Wochenenddienst beteiligt werden.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den erstinstanzlichen Beschluss vom 4. Februar 2013 abzuändern und die Anträge der Dienststellenleitung zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet, weil die von der Dienststellenleitung gestellten Anträge unzulässig sind.
1. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 MVG.EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof der EKD hat sie zur Entscheidung angenommen.
2. Die Beschwerde ist unbegründet, weil die Anträge der Dienststellenleitung unzulässig sind. Ihnen fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse.
Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, dessen Regelungen nach § 62 MVG.EKD auf kirchengerichtliche Verfahren in Mitarbeitervertretungssachen anzuwenden sind, bedarf ein Feststellungsantrag eines Feststellungsinteresses. Dieses folgt aus § 256 ZPO, der auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gilt. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses als besondere Prozessvo-raussetzung ist die spezielle Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzinteresses (BAG, Beschluss vom 19. Februar 2002, 1 ABR 20/01). Die Erstel-lung eines Rechtsgutachtens über einen Sachverhalt ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Ge-richte. Diese entscheiden über das Bestehen konkreter Rechtsverhältnisse, Ansprüche und Verpflichtungen (BAG, Beschluss vom 3. Mai 2006, 1 ABR 63/04). Der Umstand, dass die mit einem Antrag angestrebte Entscheidung Richtschnur für das Verhalten der Beteiligten in verschiedenen künftigen Fällen und Fallkonstellationen sein kann, reicht für das Rechts-schutzinteresse nicht aus (BAG, Beschluss vom 27. Januar 2004, 1 ABR 5/03).
Danach fehlt vorliegend das Feststellungsinteresse. Es ist nicht ersichtlich, welche konkreten Rechtsverhältnisse, Ansprüche und Verpflichtungen durch die Anträge der Dienststellenlei-tung festgestellt werden sollen. Die Mitarbeitervertretung darf nach § 38 MVG.EKD die Zustimmung nicht nur verweigern, wenn die Festlegungen in einem Dienstplan gegen höherrangiges Recht verstoßen. Vielmehr darf sie sich auf alle Gründe berufen, die dem Schutz-bereich des jeweiligen Mitbestimmungsrechts zugeordnet werden können (Berliner Kommentar/Andelewski, § 38 Rn. 50). Selbst wenn die Dienststellenleitung also berechtigt wäre, die von der Mitarbeitervertretung bemängelten Arbeitszeitgestaltungen vorzunehmen, könnte die Mitarbeitervertretung den Dienstplänen immer noch die Zustimmung verweigern, weil sie nicht auf die Geltendmachung von Rechtsverstößen beschränkt ist. Alle von ihr vorgebrach-ten Bedenken fallen in den Schutzbereich des Mitbestimmungsrechts nach § 40 Buchstabe d) MVG.EKD. Sowohl durch eine Begrenzung der Anzahl der Schichtfolgen als auch durch die Einhaltung von Mindestruhezeiten soll die Überlastung der Beschäftigten durch die Arbeit verhindert werden. Dieses zu verhindern ist unmittelbarer Zweck der Beteiligung der Mitar-beitervertretung, die die Beschäftigten vor einer Überlastung durch die Arbeit schützen soll. Ebenfalls zu dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts nach § 40 Buchstabe d) MVG.EKD gehört es, dass es zu einer gleichmäßigen und ausgewogenen Verteilung der Arbeit auf die einzelnen Beschäftigtengruppen und Beschäftigten kommt. Die Mitarbeiterver-tretung darf und soll dafür sorgen, dass nicht einzelne Beschäftigtengruppen und Beschäftigte gegenüber anderen Nachteile bei der Einteilung zu "ungünstigen" Arbeitszeiten erleiden. Damit unterfällt auch das Anliegen der Mitarbeitervertretung, bei Teilzeitbeschäftigten auf einen angemessenen Einsatz an Wochenenden und Feiertagen zu achten, in den Schutzbe-reich des Mitbestimmungsrechts. Das Gericht bringt damit ausdrücklich nicht zum Ausdruck, dass die Einwendungen der Mitarbeitervertretung gegen die Regelungsvorschläge der Dienststellenleitung zutreffend oder gewichtiger sind. Sie sind aber nach § 38 MVG.EKD zu beachtende Gründe. Dieses gilt unabhängig davon, ob die Regelungsvorschläge der Dienst-stellenleitung mit höherrangigem Recht vereinbar sind oder nicht. Mit den von der Dienststellenleitung gestellten Anträgen soll das Gericht damit nur ein Rechtsgutachten erstatten und nicht über das Bestehen konkreter Rechtsverhältnisse, Ansprüche und Verpflichtungen entscheiden. Das reicht selbst dann nicht aus, wenn eine solche Entscheidung Richtschnur für das Verhalten der Beteiligten in verschiedenen künftigen Fällen und Fallkonstellationen sein kann. Die Mitarbeitervertretung wäre nicht gehindert, zukünftig die von der Dienststellenleitung vorgesehenen Arbeitszeitgestaltungen auch dann abzulehnen, wenn sie nicht rechtswidrig wären. Sie könnte mit guten Gründen die Auffassung vertreten, dass zur Vermeidung einer Überlast die langen Schichtfolgen und die kürzere Ruhezeit vermieden und dass Teil-zeitbeschäftigte an Wochenenden und Feiertagen anders geplant werden müssten. Dieses zeigt, dass mit der Entscheidung über die Anträge der Dienststellenleitung keine Rechtsklarheit über Berechtigung der Zustimmungsverweigerungen der Mitarbeitervertretungen hergestellt würde und es sich um ein bloßes Gutachten des Gerichts handelte.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).