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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:16.11.1995
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/6-95
Rechtsgrundlage:
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle DW der Ev. Kirche von Westfalen, Az.: 2 M 76/94; Fundstellen: Die Mitarbeitervertretung 2/96 S. 97; Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 1996 S. 22
Schlagworte:Beschwerderecht der MAV nach § 48 MVG.EKD
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Leitsatz:

1. Die Mitarbeitervertretung kann eine Beschwerde nach § 48 MVG.EKD erst einlegen, wenn eine Einigung mit der Dienststellenleitung gescheitert und dies schriftlich erklärt ist und wenn die Dienststellenleitung nach Ansicht der Mitarbeitervertretung gegen Ihre Pflichten verstoßen hat.
2. § 48 MVG.EKD ist keine Spezialregelung in dem Sinne, daß sie der allgemeinen Regelung des § 35 Abs. 3 Buchst. c MVG.EKD i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 und 2 MVG.EKD dann vorgeht, wenn ein Mitglied der Dienststellenleitung Anlaß zur Beschwerde gegeben hat.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluß der Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen in Münster vom 4. April 1995 - 2 M 76/94 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mitarbeitervertretung sich zu Recht mit einer Beschwerde an das Aufsichtsorgan der Antragsgegnerin gewandt hat oder ob sie ihre Beschwerde bei der Dienststellenleitung hätte vorbringen müssen.
Die Dienststellenleitung (i.S. des § 35 MVG.EKD) der Antragsgegnerin besteht aus drei Personen, eine von ihnen ist der Verwaltungsdirektor. Das Aufsichtsorgan (i.S. des § 48 MVG.EKD) der Antragsgegnerin ist der ebenfalls aus drei Personen bestehende Vorstand. Die Antragstellerin hat vorgetragen, der Verwaltungsdirektor habe den diensthabenden Pförtner am 11. September 1994 mit zunehmender Lautstärke angewiesen, das Parken der Autos vor dem Eingangsbereich des Berufsbildungswerkes zu verhindern; in diesem Zusammenhang habe er mit Abmahnung und Kündigung gedroht. Wegen dieses Vorfalles wandte sich die Antragstellerin mit Einschreiben vom 28. September 1994 beschwerdeführend an den Vorsitzenden des Vorstandes der Antragsgegnerin. Dieser verwies im Antwortschreiben vom 4. Oktober darauf, daß - wie bereits früher klargestellt - Gesprächspartner der Mitarbeitervertretung die Dienstleitung sei, nicht jedoch der Vorstand. Der Vorstand sei keine zusätzliche Schlichtungsstelle.
Nunmehr rief die Antragstellerin die Schlichtungsstelle an. Sie hat beantragt
festzustellen, daß die Mitarbeitervertretung berechtigt gewesen sei, wegen des Vorfalls vom 11. September 1994 (Anweisung an den Pförtner) Beschwerde beim Vorstandsvorsitzenden einzulegen und daß der Vorstand verpflichtet gewesen sei, auf Abhilfe hinzuwirken.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat den Vortrag der Antragstellerin in tatsächlicher Hinsicht bestritten und eine eigene Darstellung des Vorfalls vom 11. September 1994 gegeben (Schriftsatz vom 8. November 1994). Sie hat weiter geltend gemacht, die Mitarbeitervertretung hätte den umstrittenen Vorgang mit der Dienststellenleitung verhandeln müssen und hätte sich nicht sofort an den Vorsitzenden des Vorstandes wenden dürfen.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag der Mitarbeitervertretung durch Beschluß vom 4. April 1995 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt: Nach § 35 Abs. 3 Buchst. c MVG.EKD gehöre es zu den allgemeinen Aufgaben der Mitarbeitervertretung, u.a. Beschwerden von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen entgegenzunehmen und, soweit diese berechtigt erscheinen, durch Verhandlung mit der Dienststellenleitung auf deren Erledigung hinzuwirken. Auch insoweit gelte, und zwar auch dann, wenn sich die Beschwerde gegen ein Mitglied der Dienststellenleitung richte, daß Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung vertrauensvoll und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten haben (§ 33 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD). In strittigen Fällen sei eine Einigung durch Aussprache anzustreben. Erst wenn die Bemühungen um eine Einigung in der Dienststelle gescheitert seien, dürften andere Stellen im Rahmen der dafür geltenden Bestimmungen angerufen werden (§ 33 Abs. 3 Sätze 1 und 2 MVG.EKD). Zu den anderen Stellen im Sinne der genannten Vorschrift gehöre auch die Beschwerdestelle nach § 48 MVG.EKD. Das Scheitern der Einigung müsse von der Mitarbeitervertretung oder der Dienststellenleitung schriftlich erklärt werden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 MVG.EKD). Dies alles sei vorliegend nicht geschehen, so daß die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt gewesen sei, sich bereits zu diesem Zeitpunkt an den Vorstand zu wenden. Nicht zu folgen sei der Auffassung der Mitarbeitervertretung, § 35 Abs. 3 Buchst. c MVG.EKD greife nicht ein, wenn sich die Beschwerde gegen ein Mitglied der Dienststellenleitung richte, sondern vielmehr sei in diesem Falle § 48 MVG. EKD unmittelbar anzuwenden. - Im übrigen wird auf die Begründung des Beschlusses der Schlichtungsstelle Bezug genommen.
Gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle hat die Mitarbeitervertretung mit Schriftsatz vom 10. Mai 1995 Beschwerde eingelegt, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt und ihren Feststellungsantrag weiterverfolgt.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, insbesondere wegen aller Einzelheiten, wird zur Darstellung des Sachverhalts auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft nach § 63 Abs. 1 Buchst. c MVG.EKD, weil über eine Frage der Zuständigkeit, also der Befugnisse der Mitarbeitervertretung gestritten wird. Die Beschwerde ist auch unter Berücksichtigung von §§ 16 Satz 1 VGG.EKD, 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO rechtzeitig eingelegt worden. Sie beachtet ferner die Formvorschrift des § 124 Abs. 3 Satz 1 VwGO und ist damit insgesamt zulässig. In der Sache ist sie jedoch nicht begründet. Die Schlichtungsstelle hat richtig entschieden.
Nach § 35 Abs. 3 Buchst. c MVG.EKD in Verbindung mit der grundsätzlichen Regelung des § 33 Abs. 3 Sätze 1 und 2 MVG.EKD gehört es zu den Aufgaben der Mitarbeitervertretung, für berechtigt gehaltene Beschwerden der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch Verhandlungen mit der Dienststellenleitung mit dem Bemühen um eine Einigung in der Dienststelle auf deren Erledigung hinzuwirken. Erst wenn eine Einigung mit der Dienststellenleitung gescheitert und dies schriftlich erklärt ist und wenn die Dienststellenleitung nach Meinung der Mitarbeitervertretung gegen ihre Pflichten verstoßen hat, kann die Mitarbeitervertretung nach § 48 MVG.EKD Beschwerde einlegen. Das alles hat die Schlichtungsstelle zutreffend erkannt und ausgeführt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf ihre Begründung im angefochtenen Beschluß verwiesen. Das Gesetz unterscheidet in § 35 Abs. 3 Buchst. c MVG.EKD nicht danach, ob der Sachverhalt, der nach Meinung der Mitarbeitervertretung Anlaß zur Beschwerde gibt, von der Dienststellenleitung als Organ, einem Mitglied der Dienststellenleitung oder von sonst jemand anderem verursacht worden und zu vertreten ist. In jedem denkbaren Fall einer Beschwerde im Sinne des § 35 Abs. 3 Buchst. c MVG.EKD bedarf es der Verhandlung mit der Dienststellenleitung. § 48 MVG.EKD ist demgegenüber keine Spezialregelung in dem Sinne, daß sie der allgemeinen Regelung des § 35 Abs. 3 Buchst. c in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Sätze 1 und 2 MVG.EKD dann vorginge, wenn ein Mitglied der Dienststellenleitung Anlaß zur Beschwerde gegeben haben soll. Diese Auslegung findet im Gesetz weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck und auch nicht nach dem systematischen Zusammenhang eine Stütze.