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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:14.12.1995
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/8-95
Rechtsgrundlage:
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen, Az.: 1 M 8/95; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 2/96
Schlagworte:Begrenzung des Initiativrechts nach § 47 MVG.EKD
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Leitsatz:

1. Gibt es für einen bestimmten Mitarbeiterkreis im Vergleich zu anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine ausdrücklichen gesetzlichen oder kollektivrechtlichen Regelungen, ist es eine Frage des materiellen Arbeitsrechts, ob der Mitarbeiterkreis in rechtserheblicherweise ungleichbehandelt wird und einen Anspruch auf Gleichbehandlung hat. Eine Initiativkompetenz der Mitarbeitervertretung ist nicht gegeben.
2. Ein Votum der Schlichtungsstelle in dieser Frage ist vom Gesetz nicht vorgesehen und deswegen nicht rechtsmittelfähig.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin und auf den Antrag der Antragsgegnerin wird der Beschluß der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz in der Ev. Kirche von Westfalen vom 12. Juli 1995 - Az.: 1 M 8/95 - aufgehoben.
Der Tenor des Beschlusses der Schlichtungsstelle wird zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:
Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin (MAV) hat bei der Dienststellenleitung (Antragsgegnerin) unter Bezugnahme auf ihr Initiativrecht nach § 47 MVG.EKD vorgeschlagen, für Aushilfskräfte (Studenten und Schüler) die Regelungen der "Ordnung für den Dienst der nebenberuflich oder geringfügig beschäftigten kirchlichen Mitarbeiter" anzuwenden und nach § 3 Abs. 5 dieser Ordnung die Kosten für das Gesundheitszeugnis gemäß § 18 BSeuchenG zu übernehmen, ferner die Aushilfskräfte den festangestellten Mitarbeitern über die Anwendung der genannten "Nebenberuflerordnung" auch hinsichtlich der Urlaubsansprüche und der Kündigungsfristen gleichzustellen. Da die Dienststellenleitung dies ablehnte, rief die Mitarbeitervertretung die Schlichtungsstelle an.
Die Antragstellerin hat beantragt
festzustellen, daß die Weigerung der Dienststellenleitung, die von der Mitarbeitervertretung beantragte Maßnahme, für Aushilfskräfte die "Ordnung für den Dienst der nebenberuflich oder geringfügig beschäftigten kirchlichen Mitarbeiter" anzuwenden und daher gemäß § 3 Abs. 5 dieser Ordnung die Kosten für das Gesundheitszeugnis gemäß § 18 BSeuchenG zu übernehmen, ermessensfehlerhaft sei und revidiert werden müsse,
ferner festzustellen, daß die Weigerung der Dienststellenleitung, Aushilfskräfte den festangestellten Mitarbeitern hinsichtlich Urlaubsanspruch und Kündigungsfristen gleichzustellen, ebenfalls ermessensfehlerhaft sei und revidiert werden müsse.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Schlichtungsstelle hat am 12. Juli 1995 den folgenden Beschluß gefaßt:
Im Hinblick auf die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über die Kostenträgerschaft für das Gesundheitszeugnis nach § 18 Abs. 1 Satz 1 B SeuchenG und über die Rechtsgrundlagen für Urlaub und Kündigung bei Vereinbarungen mit geringfügig und /oder versicherungsfrei beschäftigten Aushilfsmitarbeitern hält die Kammer das Eintreten der Mitarbeitervertretung nach §§ 33 Abs. 1 Satz 3; 35 Abs. 3 Buchst. b MVG.EKD für eine Behandlung der Mitarbeiter nach Recht und Billigkeit und für das Einhalten arbeitsrechtlicher Bestimmungen für berechtigt.
Zur Begründung ist unter anderem ausgeführt: Der Initiativantrag der Mitarbeitervertretung biete keine Grundlage für eine Entscheidung der Kammer; denn die angestrebten Maßnahmen der Dienststelle lägen außerhalb der von § 47 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD festgelegten Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretung. Weder zählten die Kostenträgerschaft für Gesundheitszeugnisse nach § 18 BSeuchenG etwa zum Tatbestand des § 40 Buchst. b MVG.EKD noch unterlägen die arbeitsvertraglichen Grundlagen für Urlaub und Kündigung den Mitbestimmungstatbeständen etwa der §§ 40 Buchst. e oder k oder 42 Buchst. a MVG.EKD.
Weiter hat die Schlichtungsstelle unter Hinweis auf § 60 Abs. 1 letzter Halbsatz MVG.EKD ein "Votum" in der Sache abgegeben, "um damit zu einem etwa doch noch möglichen einvernehmlichen Klärungsprozeß zwischen den Parteien über die streitbefangenen Probleme beizutragen". Dieses Votum könne und dürfe jedoch nicht eine im Tenor manifestierte, verbindliche Entscheidung über die vorliegenden, die Inhalte von Arbeitsverhältnissen betreffenden streitigen Rechtsfragen beinhalten. - Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den Beschluß verwiesen.
Gegen den ihr am 28. Juli 1995 zugestellten Beschluß hat die antragstellende Mitarbeitervertretung mit Schriftsatz vom 15. August 1995, eingegangen am 21. August, Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre Anträge weiterverfolgt.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird zur Darstellung des Sachverhalts auf den Inhalt ihrer Schriftsätze mit allen Anlagen Bezug genommen.
II. 1. Soweit die Schlichtungsstelle ein "Votum" abgegeben hat, sollte dieses ersichtlich dazu dienen, zwischen den Beteiligten Rechtsfrieden herzustellen. Ein Votum dieser Art ist, wie die Schlichtungsstelle selber richtig sieht, vom Gesetz nicht vorgesehen und schon deswegen nicht rechtsmittelfähig. Soweit die Schlichtungsstelle jedoch unter II.1. erster Absatz ihrer Begründung ausführt, die von der Mitarbeitervertretung angestrebten Maßnahmen lägen außerhalb ihrer Beteiligungsrechte, ist hierin eine inhaltliche Entscheidung über die Anträge der Mitarbeitervertretung zu sehen. Insoweit bleibt die nach § 63 Abs. 1 Buchst. c MVG.EKD statthafte und im übrigen in zulässiger Weise ein¬gelegte Beschwerde der Antragstellerin aber erfolglos, weil die Entscheidung insoweit sachlich zu¬treffend ist. Zur Klarstellung war der angefochtene Beschluß jedoch aufzuheben und sein Tenor neu zu fassen.
2. Nach § 35 Abs. 3 Buchst. b MVG.EKD soll die Mitarbeitervertretung insbesondere dafür eintreten, daß die arbeits-, sozial- und dienstrechtlichen Bestimmungen, Vereinbarungen und Anordnungen eingehalten werden. Die Mitarbeitervertretung hat insoweit eine Überwachungsaufgabe. Für die von der MAV vorliegend zugunsten der Aushilfskräfte aufgegriffenen Fragen der Kostenübernahme (Gesundheitszeugnis nach § 18 BSeuchenG), der Urlaubsgewährung und der Kündigungsfristen gibt es keine ausdrücklichen gesetzlichen oder kollektivrechtlichen Regelungen. Ob der genannte Personenkreis im Vergleich zu den festangestellten Mitarbeitern in rechtserheblicher Weise ungleich behandelt wird und einen Anspruch auf Gleichbehandlung hat, ist eine Frage des materiellen Arbeitsrechts und liegt außerhalb der Initiativkompetenz der Mitarbeitervertretung. Um die Frage der Gleichbehandlung zu beantworten, bedarf es entweder einer von der Arbeitsrechtlichen Kommission zu beschließenden ausdrücklichen materiellrechtlichen Kollektivregelung oder aber einer von einer Aushilfskraft selbst zu erwirkenden Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen. Dagegen handelt es sich hier, wie die Schlichtungsstelle zutreffend erkannt hat, nicht um eine Frage der Mitbestimmung und folglich auch nicht um eine von der Schlichtungsstelle und dem Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten zu entscheidende Angelegenheit.