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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:30.01.1997
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/A10-96
Rechtsgrundlage:MVG.EKD §§ 6, 30 § 60 Abs. 1 Buchst. l)
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen, Az.: 2 M 42/96; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 3/97 S. 137; Rechtssprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2000, S.40
Schlagworte:Genehmigungspflicht für Dienstreisen der MAV (GMAV). Rechtsschutz.
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Leitsatz:

Reisen von Mitgliedern einer Gesamtmitarbeitervertretung zur Teilnahme an einer Sitzung der Gesamtmitarbeitervertretung bedürfen als Dienstreisen der Genehmigung. Wird diese verweigert, muß die Gesamtmitarbeitervertretung sich zur Entscheidung an die Schlichtungsstelle wenden. Für eigenmächtig durchgeführte Reisen braucht die Dienststelle die Kosten nicht zu tragen.

Tenor:

1. Die Beschwerde der Gesamtmitarbeitervertretung gegen den Beschluß der Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche von Westfalen in Münster (Westf.) vom 15. August 1996 - 2 M 42/96 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gegenstandswert wird auf 6.000,- (sechstausend) DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dienststellenleitung verpflichtet ist, bestimmte Reisekosten der Gesamtmitarbeitervertretung zu erstatten.
Die antragstellende Dienststellenleitung unterhält sozialpädagogische Einrichtungen für Kinder und Jugendliche in verschiedenen Orten, verteilt auf mehrere Bundesländer. Ihre Gesamtmitarbeitervertretung besteht aus 14 Mitgliedern. Die Beteiligten haben sich vergleichsweise dahin verständigt, daß die Gesamtmitarbeitervertretung ihre regelmäßigen Sitzungen zweitägig in Abständen von drei Monaten durchführt und den genauen Termin langfristig vorher ankündigt. Die Gesamtmitarbeitervertretung tagte am 17./18. April 1996. Mit Schreiben vom 24. April 1996 kündigte die Dienststellenleitung eine im Jahre 1993 abgeschlossene Dienstvereinbarung über die Freistellung von Mitgliedern der GMV zum 31. Juli 1996. Daraufhin lud der Vorsitzende die Mitglieder der GMV zu einer außerordentlichen Sitzung am 9. Mai 1996 für die Zeit von 11.00 bis etwa 15.00 Uhr ein und teilte dies mit Schreiben vom 30. April der Dienststellenleitung mit. Zur Begründung legte er dar, die Erörterung eines so tiefgreifenden Einschnitts in die Arbeitsmöglichkeiten der GMV habe nicht Zeit bis zur nächsten regelmäßigen Sitzung am 10./11. September. Er wies weiter daraufhin, daß die Angelegenheit, wäre die Kündigung etwas früher erklärt worden, auf der Sitzung am 17./18. April hätte besprochen werden können.
Die Dienststellenleitung entgegnete mit Schreiben vom 3. Mai, eine außerplanmäßige Sitzung am 9. Mai werde nicht für erforderlich gehalten. Da die Mitglieder der GMV in der Zeit vom 20. bis zum 24. Mai zu einer Fortbildungsveranstaltung zusammenkämen, könne die Angelegenheit der Kündigung dann mit beraten werden. Die beantragten Dienstreisegenehmigungen wurden nicht erteilt. An der Fortbildungsveranstaltung nahmen zehn der 14 Mitglieder der Gesamtmitarbeitervertretung teil.
Die Gesamtmitarbeitervertretung führte die angekündigte Sitzung am 9. Mai 1996 durch. Zwölf ihrer Mitglieder waren anwesend.
Die Antragstellerin weigert sich, die angefallenen Reisekosten zu übernehmen und begehrt die Feststellung, hierzu nicht verpflichtet zu sein. Sie hat vorgetragen, die Durchführung der Sitzung vom 9. Mai sei nicht erforderlich gewesen. In der Zeit vom 20. bis zum 24. Mai hätten die Mitglieder der GMV sich zu einer Fortbildungsveranstaltung getroffen. Für diese Veranstaltung habe sie den Betrag von 15.145,50 DM an Kosten für Referenten, Unterkunft und Verpflegung aufgewandt. Dazu kämen Reisekosten und Kosten für Dienstbefreiung. Mit etwas gutem Willen wäre es der GMV möglich gewesen, das Thema Kündigung der Dienstvereinbarung auf der über eine ganze Woche sich erstreckenden Veranstaltung mit zu erörtern.
Die Dienststellenleitung hat beantragt
1. festzustellen, daß die Einberufung der Sitzung der Gesamtmitarbeitervertretung am 9. Mai 1996 nicht erforderlich war,
2. festzustellen, daß die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, die Kosten für Dienstreisen zur Sitzung der Gesamtmitarbeitervertretung am 9. Mai 1996 zu tragen.
Die Gesamtmitarbeitervertretung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, auf die Kündigung der Dienstvereinbarung seitens der Dienststellenleitung habe sie klären müssen, wie sie ihre Arbeit organisieren und wie sie auf die rechtsgestaltende Erklärung habe reagieren wollen. Für solche Aufgaben sei eine Beschlußfassung durch das Gremium erforderlich. Diese habe wegen der Sensibilität der anstehenden Frage nur im Rahmen einer Sitzung erfolgend können. Mit der Wahl des Zeitpunktes der Kündigung habe der Antragstellerin klar sein müssen, daß ihr Verhalten eine zusätzliche Sitzung der GMV erforderlich machen werde. Auf der Fortbildungsveranstaltung habe die Frage der Kündigung nicht erörtert werden können. Schließlich habe die Zusammensetzung der Teilnehmer an der Fortbildungsveranstaltung entsprochen.
Die Schlichtungsstelle hat durch Beschluß vom 15. August 1996 den Antrag zu 1) mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig behandelt (insoweit ist die Entscheidung rechtskräftig geworden), im übrigen aber festgestellt, daß die Dienststellenleitung zur Tragung der Reisekosten für die Sitzung vom 9. Mai 1996 nicht verpflichtet sei. Zur Begründung hat sie ausgeführt:
Die Dienststelle trage die durch die Tätigkeit der Gesamtmitarbeitervertretung entstehenden erforderlichen Kosten. Reisen der Mitglieder der Mitarbeitervertretung, die für ihre Tätigkeit notwendig seien, gälten als Dienstreisen und bedürften wie sonstige Dienstreisen der Genehmigung der Dienststelle. Die Mitarbeitervertretung sei nicht berechtigt, sich über die Verweigerung einer Reisegenehmigung einfach hinwegzusetzen. Sie müsse vielmehr, notfalls im Wege einer einstweiligen Anordnung, feststellen lassen, daß die Dienststellenleitung nicht berechtigt sei, die Dienstreise zu untersagen.
Hieran ändere auch nichts daß es mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht zu vereinbaren sei, daß die Dienststellenleitung die Dienstvereinbarung von 1993 erst unmittelbar nach der regulären Sitzung vom 17./18. April 1996 gekündigt habe. Die vorliegenden Auseinandersetzungen hätten vermieden werden können, wenn die Dienststellenleitung die Lage der GMV mit bedacht und etwas früher gekündigt hätte.
Davon abgesehen, seien die Reisen aber auch nicht erforderlich gewesen. Die Vorgehensweise der GMV hätte bei etwas gutem Willen und sorgfältiger Vorbereitung ohne weiteres während der Fortbildungsveranstaltung vom 20. bis zum 24. Mai beraten werden können. Gerade in finanziell schwieriger werdenden Zeiten sei jede Mitarbeitervertretung gehalten, den Grundsatz der sparsamen Verwendung der Mittel strikt zu beachten.
Schließlich könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Kündigung der Dienstvereinbarung die Arbeit der Gesamtmitarbeitervertretung nicht unmöglich gemacht habe. Den Mitgliedern der Mitarbeitervertretung sei, unabhängig von einer Freistellung, die für ihre Tätigkeit notwendige Zeit ohne Minderung ihrer Bezüge innerhalb der allgemeinen Arbeitszeit zu gewähren. Wie in der mündlichen Verhandlung festgestellt, seien der Vorsitzende und die übrigen Mitglieder der Gesamtmitarbeitervertretung nicht in ihrem Recht, jederzeit für die Mitarbeitervertretung tätig zu werden, behindert worden.
Gegen den ihr am 26. August 1996 zugestellten Beschluß hat die Gesamtmitarbeitervertretung mit Schriftsatz vom 26. September 1996, eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie trägt vor:
Die Schlichtungsstelle verkenne die Bedeutung des Genehmigungsvorbehalts des § 30 Abs. 4 MVG.EKD. Nach dieser Vorschrift stehe der Dienststellenleitung hinsichtlich erforderlicher Dienstreisen der Mitarbeitervertretungen ein materieller Genehmigungsvorbehalt nicht zu. Andernfalls könne die Dienststellenleitung dann, wenn eine Einrichtung mehrere räumlich voneinander getrennte Betriebsstätten aufweise, die Durchführung einer Sitzung einer Mitarbeitervertretung stets durch Verweigerung der Dienstreisegenehmigung verhindern. Eine am Normzweck orientierte Auslegung des § 30 Abs. 4 MVG.EKD führe daher zwingend dazu, daß die Dienststellenleitung lediglich einen formellen Genehmigungsvorbehalt habe. Sie könne nicht prüfen, ob die Dienstreise erforderlich sei. Sie dürfe lediglich prüfen, ob die gewählten Reisemittel und sonstigen Bedingungen der Dienstreise den in der Dienststelle geltenden Vorschriften entsprächen.
Die Durchführung der Sitzung vom 9. Mai 1996 sei auch erforderlich gewesen. Die Schlichtungsstelle verkenne, daß an der Fortbildungsveranstaltung vom 20. bis zum 24. Mai 1996 nicht alle Mitglieder der Gesamtmitarbeitervertretung hätten teilnehmen können, weil sie teilweise aus dienstlichen Gründen unabweisbar verhindert gewesen seien.
Die Beschwerdeführerin beantragt daher,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Anträge der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen und weiter auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist statthaft nach § 63 Abs. 1 Buchst. c) MVG.EKD (a.F.), sie ist auch in der rechten Frist eingelegt worden (§ 63 Abs. 3 MVG.EKD) und damit zulässig. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben. Die Schlichtungsstelle hat richtig entschieden.
Die Dienststelle trägt die durch die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung entstehenden erforderlichen Kosten (§ 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD). Die Genehmigung dieser Reisen und die Erstattung der Reisekosten erfolgen nach den für die Dienststelle geltenden Bestimmungen (Satz 2). Bei Streitigkeiten über die Genehmigung von Dienstreisen - und damit auch über die Abrechnung steht der Weg zur Schlichtungsstelle als kirchlichem Gericht offen (§ 30 Abs. 6 MVG.EKD; vgl. in diesem Zusammenhang auch BAG, Urteil vom 9. September 1992 - 5 AZR 456/91 -). Notwendige Reisen der Mitglieder der Gesamtmitarbeitervertretung zur Teilnahme an einer Sitzung der Gesamtmitarbeitervertretung sind nach der Fiktion des § 30 Abs. 4 Satz 1 MVG.EKD (in Verbindung mit § 6 Abs. 6 MVG.EKD) ebenfalls als Dienstreisen zu behandeln. Dies bedeutet, daß sie vorher von der Dienststelle genehmigt werden müssen. Dabei prüft die Dienststelle die Erforderlichkeit. Soweit es dabei um die Erforderlichkeit der Sitzung geht, ist ihre Prüfungsbefugnis naturgemäß eingeschränkt, wobei es hier keiner abschließenden Entscheidung darüber bedarf, wie weit die Prüfungsbefungnis reicht. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung, der Dienststelle stehe hinsichtlich der Erforderlichkeit der Dienstreise ein materieller Genehmigungsvorbehalt nicht zu, findet im Gesetz keine Stütze. Jedenfalls ist die Gesamtmitarbeitervertretung, wie die Schlichtungsstelle zutreffend ausgeführt hat, nicht berechtigt, sich über die Verweigerung der Reisegenehmigung einfach hinwegzusetzen und eigenmächtig die umstrittene Reise anzutreten. Das ist schon deswegen nicht zu billigen, weil der Mitarbeitervertretung (Gesamtmitarbeitervertretung) ein ausreichender Rechtsschutz zur Verfügung steht, um ihr Anliegen einer unabhängigen Stelle vorzutragen und von ihr eine Entscheidung einzuholen, in Eilfällen eine einstweilige Anordnung.
Aus den dargelegten Gründen ist die Antragstellerin nicht verpflichtet, die Kosten der Reisen zur Sitzung am 9. Mai 1996 zu tragen. Auf die übrigen - wohl ebenfalls zu billigenden - Ausführungen der Schlichtungsstelle kommt es für die Entscheidung über die Beschwerde nicht mehr an.
Die Kostenregelung beruht auf § 13 Abs. 2 VGG-EKD, die Entscheidung über den Gegenstandswert auf § 8 BRAGO.