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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:28.04.2003
Aktenzeichen:VerwG.EKD I-0124/G17-02
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 30
Vorinstanzen:Schlichtungstelle nach dem MVG der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster, Az.: 2 M 22/02; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 5/03, S. 246; Neue Zeitschrift für das Arbeitsrechts 22/03, S. 1290
Schlagworte:Raumbedarf einer Mitarbeitervertretung
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Leitsatz:

1. Ein Rechtssatz, wonach jedem feigestellten Mitglied einer Mitarbeitervertretung ein eigener Büroraum zur Verfügung stehen muss, ist § 30 Abs. 1 MVG.EKD nicht zu entnehmen. Vielmehr kommt es auf die Verhältnisse im Einzelfall an.
2. Für eine elfköpfige Mitarbeitervertretung mit zwei freigestellten Mitgliedern, der für 24 Wochenstunden eine Schreibkraft zur Verfügung steht, sind i.S.d. § 30 Abs. 1 MVG.EKD drei Räume erforderlich, nämlich ein Raum für die Schreibkraft, ein Raum für (freigestellte) Mitarbeitervertreter, ein hinreichend großer Raum für Sitzungen, Besprechungen, Sprechstunden und Einzelgespräche.

Tenor:

1. Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen in Münster (Westf.) - Zweite Kammer - vom 24. Mai 2002 - 2 M 22/02 - wird zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Räume, die die antragstellende Dienststellenleitung für die beteiligte Mitarbeitervertretung zur Verfügung stellen will, den Anforderungen des § 30 Abs. 1 MVG.EKD entsprechen.
Die Dienststelle besteht aus einer Vielzahl unterschiedlichster Einrichtungen. Der weitaus größte Teil dieser Einrichtungen befindet sich auf dem Hauptgelände. Vom Hauptgelände etwa zwei Kilometer entfernt befindet sich das ebenfalls von der Dienststelle betriebene Berufsbildungswerk. Hinzu kommen zwei weitere Außenstellen.
Die beteiligte Mitarbeitervertretung hat elf Mitglieder, ihr Vorsitzender und ihr stellvertretender Vorsitzender sind ganztägig freigestellt. Für die Mitarbeitervertretung ist eine Bürokraft im Umfang von 24 Wochenstunden tätig. Der Mitarbeitervertretung stehen derzeit drei Räume in der ehemaligen Kapelle gegenüber der Schule auf dem Hauptgelände zur Verfügung, nämlich ein Büroraum mit etwa 32 qm, ein weiterer Büroraum mit etwa 21,80 qm und ein Besprechungsraum mit etwa 28,60 qm (Skizze Bl. 66 der Schlichtungsakte). Die Büroräume sind direkt über einen Zwischenflur, der Besprechungsraum über den großen Büroraum zugänglich.
Die Dienststellenleitung will der Mitarbeitervertretung andere Räume zuweisen, nämlich das auf dem Gelände des Berufsbildungswerkes gelegene, etwa 52 qm große Büro des ehemaligen Anstaltsleiters. Daneben will sie der Mitarbeitervertretung bei Bedarf einen Raum in unmittelbarer Nähe des angebotenen Büroraums als Besprechungsraum zur Verfügung stellen. Die Sprechstunde könne die Mitarbeitervertretung in einem Raum auf dem Hauptgelände abhalten. Die Mitarbeitervertretung hat dieses Vorhaben als unzureichend erachtet und will der Aufforderung der Dienststellenleitung, die Räume in der ehemaligen Kapelle herauszugeben, nicht folgen.
Mit dem vorliegenden Verfahren verfolgt die antragstellende Dienststellenleitung ihr Ziel weiter. Sie meint, die angebotenen Räume entsprächen dem Bedarf i.S. des § 30 Abs. 1 MVG.EKD.
Sie hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung verpflichtet ist, die bisher von ihr genutzten Räume innerhalb eines Monats nach Fertigstellung der Ersatzräume und Rechtskraft geräumt an die Dienststellenleitung herauszugeben,
2. festzustellen, dass die der Mitarbeitervertretung zur Verfügung gestellten Ersatzräume im Berufsbildungswerk (ein Büroraum im Erdgeschoss mit einer Fläche von ca. 50 qm nebst zusätzlicher Nutzung des Sitzungsraumes D für alle Sitzungen der Mitarbeitervertretung mit größerer Beteiligung) den Anforderungen des § 30 Abs. 1 MVG genügen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie meint, die Räume reichten nicht aus und seien auch deshalb nicht bedarfsgerecht, weil sie sich nicht auf dem Hauptgelände befinden.
Nach einem Ortstermin mit Augenscheineinnahme hat die Schlichtungsstelle die Anträge durch ihren am 14. Juni 2002 verkündeten, unter dem 20. Juni 2002 übersandten Beschluss zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss hat die Dienststellenleitung am 15. Juli 2002 Beschwerde eingelegt.
Sie verfolgt ihr Begehren weiter, hat es jedoch in der mündlichen Verhandlung am 28. April 2003 dahingehend modifiziert, dass der angebotene Büroraum nunmehr, ausgehend vom Pfeiler in der Fensterfront, in zwei Räume geteilt werden solle.
Die antragstellende Dienststellenleitung beantragt, den angefochtenen Beschluss wie folgt abzuändern:
1. Es wird festgestellt, dass die der Mitarbeitervertretung zur Verfügung gestellten Ersatzräume im Berufungsbildungswerk (ein vom tragenden Fensterpfeiler ausgehender und in zwei Räume geteilter Büroraum im Erdgeschoss mit einer Fläche von insgesamt ca. 50 qm nebst zusätzlicher Nutzung des Sitzungsraumes B für alle Sitzungen der Mitarbeitervertretung mit größerer Beteiligung) den Anforderungen des § 30 Abs. 1 MVG genügen.
2. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die bisher von ihr genutzten Räume innerhalb eines Monats nach Fertigstellung der Ersatzräume und Rechtskraft geräumt an die Dienststellenleitung herauszugeben.
Die Mitarbeitervertretung hält die Antragsänderung nicht sachdienlich und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hält die vorgesehenen Räume, auch in der modifizierten Form, für nicht ausreichend i.S. des § 30 Abs. 1 MVG.EKD.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und auf die von ihnen überreichten Unterlagen Bezug genommen.
II. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Antragsänderung war als sachdienlich zuzulassen (§ 16 VGG.EKD, § 91 VwGO). Der Verlust einer Tatsacheninstanz ist für sich allein kein Grund, die Sachdienlichkeit zu verneinen (BGH 12. Mai 1992 - VI ZR 118/91 - NJW 1992, 2296). Die Teilung des Büroraumes war zudem bereits Gegenstand der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug, wenn auch nicht des dortigen Antrages.
2. Die von der Dienststelleinleitung für die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung vorgesehenen Räume entsprechen nicht § 30 Abs. 1 MVG.EKD. Dies hat die Schlichtungsstelle richtig erkannt. Insoweit wird zunächst auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Die Beschwerde gibt nur Anlass zu folgenden Ergänzungen:
a) Die Auffassung der Schlichtungsstelle, wonach jedes freigestellte Mitglied der Mitarbeitervertretung im Interesse der Vertraulichkeit bei persönlichem Vorsprechen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Telefonaten einen eigenen Büroraum benötige, wird als abstrakter Rechtssatz vom Beschwerdegericht nicht geteilt. Vielmehr kommt es auch insoweit, vor allem bei einer noch größeren Zahl freigestellter Mitarbeitervertreter, auf die Verhältnisse im Einzelfall an. Es können durchaus zwei freigestellte Mitarbeitervertreter einen gemeinsamen Büroraum benutzen. Erforderlich ist lediglich, dass der Mitarbeitervertretung insgesamt hinreichend Räume zur Verfügung stehen, die ihr eine sachgerechte Arbeit ermöglichen.
Dazu gehört auch, dass sich Mitarbeiter im vertraulichen Gespräch an das einzelne Mitglied der Mitarbeitervertretung wenden können, das nach deren interner Geschäftsverteilung hierfür zuständig ist. Ein solches vertrauliches Gespräch muss unter vier Augen in einem angeschlossenen Raum ermöglicht werden. Zudem müssen in den der Mitarbeitervertretung zur Verfügung stehenden Räumen auch deren Sitzungen und internen Besprechungen stattfinden können. Auch für Sprechstunden muss ein Raum zur Verfügung stehen. Dabei reicht es aus, wenn für Sprechstunden und Einzelgespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, für Sitzungen des Plenums der Mitarbeitervertretung und für interne Besprechungen der Mitglieder der Mitarbeitervertretung ein einziger, hinreichend großer Raum zur Verfügung steht, denn insoweit haben die Mitarbeitervertretung und ihre Mitglieder ihre Aktivitäten zu koordinieren. Allerdings muss der Raum für die Sprechstunden für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinreichend erreichbar sein.
b) Angesichts der Umstände des vorliegenden Falles benötigt die hier beteiligte, aus elf Mitgliedern bestehende Mitarbeitervertretung drei nahe beieinander liegende Räume, nämlich einen Raum als Büroraum für ihre freigestellten Mitglieder, einen weiteren Büroraum für ihre Schreibkraft und ständig einen weiteren Raum, in welchem die o.g. Sprechstunden, Einzelgespräche, Besprechungen und Sitzungen durchgeführt werden können. Diesen Anforderungen entsprechen die Räume nicht, die die Dienststellenleitung nunmehr zu Verfügung stellen will, auch wenn der Büroraum Lotze in zwei Büros aufgeteilt wird. Zwar können dann in einem Büroraum, so er hinreichend groß ist, die freigestellten Mitarbeitervertretungsmitglieder, im anderen die Schreibkraft untergebracht werden. Indessen fehlt es dann an einem der Mitarbeitervertretung ständig zur Verfügung stehenden Raum für Sprechstunden, Einzelgespräche, Besprechungen und Sitzungen. Das Angebot, einen weiteren Raum bei Bedarf nutzen zu dürfen und für die Sprechstunde einen (welchen?) Raum auf dem Hauptgelände zur Verfügung zu stellen, deckt diesen Bedarf nicht ab, denn der Raum soll nur bei Bedarf, der Raum auf dem Hauptgelände nur für Sprechstunden zur Verfügung stehen. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Mitarbeitervertretung sich dieses Raumes nicht selbst bedienen darf, sondern darauf angewiesen ist, dass die Dienststellenleitung den Raum jeweils - auf vorherige Anforderung - zur Verfügung stellt.
c) Angesichts dessen kann unentschieden bleiben, ob es im vorliegenden Fall unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit dem § 30 Abs. 1 MVG.EKD entspricht, wenn die Räume der Mitarbeitervertretung nicht auf dem Hauptgelände, sondern auf dem hiervon etwa zwei Kilometer entfernten Gelände des Berufsbildungswerkes liegen. Für die alltägliche Arbeit der Mitarbeitervertretung auch im Kontakt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist zweckmäßig, wenn die Mitarbeitervertretung räumlich dort untergebracht ist, wo die weit überwiegende Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig ist. Dieser Gesichtspunkt für sich allein schlägt jedoch nicht durch. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit kommt es vielmehr auf eine Abwägung der unterschiedlichen Raumbedarfe an.
III. Von einer Kostenentscheidung war abzusehen (§ 13 VGG.EKD). Die Verfahrenswertfestsetzung beruht auf § 8 BRAGO.