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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:02.02.2004
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/H41-03
Rechtsgrundlage:MVG.EKD (i.d.F. ab 1. Januar 2004) § 63 Abs. 7, ArbGG § 87 Abs. 2, § 85 Abs. 2, ZPO § 940, MVG.EKD § 36 Abs. 1 Satz, Abs. 4, Abs. 5
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Ev. Landeskirche in Baden, Az.: 2 Sch 211/03; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 4/04, S. 188; Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2005, S. 49
Schlagworte:Einstweilige Verfügung gegen Teilausgliederung, Übergang von VwGO zum ArbGG
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Leitsatz:

Die Entscheidung über die Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Beschwerde hat sich nach den Bestimmungen des MVG in der Fassung zu richten, die zur Zeit der Einlegung und Begründung der Beschwerde gegolten hat. Die Neufassung der Bestimmungen über die Beschwerde im MVG.EKD durch Artikel 5 Nr. 31 des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 2003 (ABl.EKD S. 408), das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist (Artikel 8 § 2 Abs. 1), sind nicht anzuwenden. Vielmehr kommt es für die Statthaftigkeit und die Zulässigkeit der Beschwerde auf die zur Zeit ihrer Einlegung (und Begründung) geltenden Vorschriften an. Dagegen richtet sich die Durchführung des Verfahrens selbst in der Zeit nach dem 1. Januar 2004 nach den seit diesem Tag für das Verfahren in Streitigkeiten aus dem MVG geltenden Verfahrensvorschriften, nämlich gemäß § 63 Abs. 7 MVG.EKD nach den Vorschriften über das Beschwerdeverfahren des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Dienststellenleitung wird der Beschluss der Schlichtungsstelle der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 12. Dezember 2003 - 2 SCH 211/2003 - abgeändert.
Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert zur Gebührenberechnung wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Die antragstellende Mitarbeitervertretung will der Dienststellenleitung A (Beschwerdeführerin) einstweilen untersagen, die Betriebsteile Technik und Reinigung in eine neugegründete eigenständige GmbH im Wege des Betriebsübergangs auszugliedern. Am Kapital der GmbH sind A mit 5,1 und D mit 19,9 der insgesamt 25 Gesellschaftsanteilen beteiligt; die Stimmrechte liegen zu 50,62 % bei A. Der Betriebsübergang sollte zum 1. Januar 2004 stattfinden. Für den Fall der Durchführung des geplanten Betriebsübergangs wurde zwischen der Dienststelle, der GmbH und der Gewerkschaft ver.di am 20. November 2003 ein Überleitungstarifvertrag zu Ende verhandelt und paraphiert. Die vom Betriebsteilübergang betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle wurden über den Betriebsteilübergang einschließlich der Paraphierung des Überleitungstarifvertrags im Hinblick auf § 613a Abs. 5 BGB informiert.
A ist im Jahr 1999 aus einer Fusion von zwei Krankenhäusern hervorgegangen. In den Einrichtungen wurde oder wird von der Ev. Landeskirche Baden nach näherer Maßgabe ihrer gesetzlichen Übernahmeregelungen das MVG.EKD angewendet. Anlässlich dieser Fusion wurde zwischen allen Beteiligten und deren Mitarbeitervertretungen ein Personalüberleitungsvertrag vom 27. Juli 1999 abgeschlossen. Darin heißt es auszugsweise:
"§ 6 (Mitarbeitervertretung)
(1) Für die Gesellschaft gilt das Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Landeskirche in Baden.
(2) .....
§ 8 (Betriebsänderungen)
(1) ....
(2) Für spätere Betriebsänderungen, Ausgliederungen von Betriebsteilen oder Kooperationen mit anderen Einrichtungen gelten die Grundsätze dieses Vertrages."
In der Protokollnotiz zu § 8 Abs. 2 dieses Vertrages heißt es:
"Zu Abs. 2 ist erläuternd zu bemerken, dass bei künftig anstehenden Umstrukturierungen die Grundsätze dieses Vertrages, insbesondere § 6 Abs. 1 Anwendung finden."
Die Mitarbeitervertretung hat am 26. November 2003 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht. Sie macht geltend, die geplante Ausgliederung der Betriebsteile Technik und Reinigung in die GmbH sei mit dem Personalüberleitungsvertrag vom 27. Juli 1999 unvereinbar. Die zum 1. Januar 2004 geplante Ausgliederung könne nicht wieder rückabgewickelt werden, daher sei die einstweilige Anordnung geboten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz nebst Anlagen der Antragstellerin vom 26. November 2003 Bezug genommen.
Sie hat beantragt,
der Dienststellenleitung im Wege der einsteiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, die Betriebsteile Technik und Reinigung auszugliedern.
Die Dienststellenleitung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie meint, die geplante Ausgliederung verstoße nicht gegen den Personalüberleitungsvertrag vom 27. Juli 1999. Zu den einzuhaltenden Grundsätzen i.S. der Regelung in § 8 jenes Vertrags zähle nicht die Beibehaltung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts, sondern es genüge, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Betriebsrat bilden könnten. Dem Grundsatz, tarifvertragliche Regelungen anzuwenden, sei durch den - zunächst nur paraphierten - Überleitungstarifvertrag Genüge getan. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Dienststellenleitung vom 8. Dezember 2003 nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag der Mitarbeitervertretung nach mündlicher Verhandlung durch ihren Beschluss vom 12. Dezember 2003 stattgegeben. Die erforderliche Eilbedürftigkeit hat sie mit der Erwägung bejaht, dass der Vollzug der Planungen eine Rückabwicklung nach Durchführung eines normalen Schlichtungsverfahrens faktisch undurchführbar werden ließe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen ihr noch am 12. Dezember 2003 zugestellten Beschluss hat die Dienststellenleitung noch am selben Tag Beschwerde eingelegt. Sie meint, die Schlichtungsstelle habe den Personalüberleitungsvertrag falsch verstanden und unrichtig ausgelegt. Die geplante Ausgliederung entspreche den auf künftige Ausgliederungen anzuwendenden Grundsätzen des § 8 Abs. 2 und der dazu vereinbarten Protokollnotiz. Vorsorglich hat die Dienststellenleitung den Personalüberleitungsvertrag nach näherer Maßgabe ihres Schreiben an die Mitarbeitervertretung vom 22. Dezember 2003 ordentlich gekündigt. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens der Dienststellenleitung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 12. und 29. Dezember 2003 Bezug genommen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
den Beschluss der Schlichtungsstelle der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 12. Dezember 2003 - 2 SCH 211/03 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 24. Januar 2004.
II. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Beschwerde hat sich nach den Bestimmungen des MVG in der Fassung zu richten, die zur Zeit der Einlegung und Begründung der Beschwerde gegolten hat. Die Neufassung der Bestimmungen über die Beschwerde im MVG.EKD durch Artikel 5 Nr. 31 des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 2003 (ABl.EKD S. 408), das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist (Artikel 8 § 2 Abs. 1), sind nicht anzuwenden. Vielmehr kommt es für die Statthaftigkeit und die Zulässigkeit der Beschwerde auf die zur Zeit ihrer Einlegung (und Begründung) geltenden Vorschriften an. Dagegen richtet sich die Durchführung des Verfahrens selbst in der Zeit nach dem 1. Januar 2004 nach den seit diesem Tag für das Verfahren in Streitigkeiten aus dem MVG geltenden Verfahrensvorschriften, nämlich gemäß § 63 Abs. 7 MVG.EKD nach den Vorschriften über das Beschwerdeverfahren des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens.
2. Die Statthaftigkeit der vorliegenden Beschwerde folgt aus § 63 Abs. 1 Buchst. b MVG.EKD. Die sonstigen Formalien für die Einlegung der Beschwerde sind gewahrt.
3. Die Beschwerde ist begründet, Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung und - seit dem 1. Januar 2004 - für deren Aufrechterhaltung als einstweilige Verfügung sind nicht (mehr) gegeben. Es fehlt an der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit.
a) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung im ersten Rechtszug (§ 123 VwGO i.V.m. § 62 MVG.EKD, Art. I MVG-AnwG. Baden) ist nur zulässig, wenn entweder die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder wenn die Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, vor allem bei einem dauernden Rechtsverhältnis, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Vorliegend kommt nur die zweite Alternative, nämlich eine sogenannte Regelungsanordnung, in Betracht. Ob deren Voraussetzungen vorgelegen haben, mag dahingestellt bleiben. Denn die einstweilige Anordnung kann zumindest deshalb nicht aufrechterhalten werden, weil die rechtlichen Voraussetzungen hierfür jedenfalls zur Zeit der Entscheidung über die Beschwerde nicht (oder nicht mehr) gegeben sind.
b) Wegen der im Laufe des Beschwerdeverfahrens, nämlich am 1. Januar 2004 eingetretenen Änderung des zweitinstanzlichen Verfahrensrechts in § 63 Abs. 7 MVG.EKD durch Artikel 5 Nr. 31 des Kirchengesetzes, wonach für das Verfahren in Mitarbeitervertretungssachen vor dem Kirchengerichtshof der EKD nunmehr die Vorschriften des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens anzuwenden sind, kann über die Beschwerde gegen die erstinstanzliche einstweilige Anordnung nur noch nach Maßgabe dieser Verfahrensregeln befunden werden, nämlich nach näherer Maßgabe des § 85 Abs. 2 i.V.m. § 87 Abs. 2 ArbGG, § 935, § 940 ZPO, § 63 Abs. 7 MVG.EKD in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung. Die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die - hier allein in Betracht kommende - Regelungsverfügung erlassen oder aufrechterhalten werden darf (§ 940 ZPO) entsprechen im wesentlichen denen der Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
c) Diese Voraussetzungen liegen nicht (mehr) vor, nachdem die Dienststellenleitung den Personalüberleitungsvertrag mit ihrem Schreiben vom 22. Dezember 2003 an die Mitarbeitervertretung fristgemäß gekündigt hat.
Als Rechtsgrundlage für das Sachbegehren der Mitarbeitervertretung kommt nur die Vereinbarung in § 6 Abs. 1, § 8 Abs. 2 i.V.m. der Protokollnotiz zu § 8 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrags in Betracht. Wie diese Bestimmungen zu verstehen sind, ob sie als Rechtsgrundlage für das Begehren der Mitarbeitervertretung tauglich sind, inwieweit der Mitarbeitervertretung insoweit ein Unterlassungsanspruch gegen die Dienststellenleitung zusteht und/oder ob die geplante Ausgliederung hiergegen verstößt, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn man dies alles zugunsten der Mitarbeitervertretung als gegeben unterstellt, erweist sich die einstweilige Regelung zumindest nunmehr als nicht länger geboten, weil der Personalüberleitungsvertrag als Rechtsgrundlage für das Begehren der Mitarbeitervertretung durch die besagte ordentliche Kündigung zum 31. März 2004 beseitigt worden ist. Bei dem Personalüberleitungsvertrag handelt es sich der Sache nach um eine (freiwillige) Dienstvereinbarung i.S.d. § 36 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD. Dienstvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Monats gekündigt werden (§ 36 Abs. 5 MVG.EKD). Vorliegend ist über die Kündigung der Dienstvereinbarung nichts vereinbart. Von der damit eröffneten Möglichkeit der fristgemäßen Kündigung hat die Dienststellenleitung Gebrauch gemacht. Die mit Schreiben vom 22. Dezember 2003 erklärte Kündigung hat die Beendigung der Dienstvereinbarung zum 31. März 2004 zur Folge. Eine Nachwirkung tritt nicht ein (§ 36 Abs. 4 MVG.EKD). Die verbleibende Restlaufzeit rechtfertigt die Aufrechterhaltung des vorläufigen Verbotes der Ausgliederung der Bereiche Technik und Reinigung nicht länger.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD in der am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Fassung, § 12 Abs. 5 ArbGG). Die Wertfestsetzung beruht auf § 8 Abs. 2 BRAGO i.V.m. § 22 Abs. 2 KiGG.EKD, wobei der Antrag unterstellt wurde.