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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 06.07.2004 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD II-0124/K4-04 |
Rechtsgrundlage: | BRAGO § 10, § 8 Abs. 2, KiGG.EKD § 22 Abs. 3, RVG § 33, ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 2 a.F. , § 12 Abs. 7 Satz 1 a.F. |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Az.: SST 1.-5/2003 |
Schlagworte: | Verfahren nach § 10 BRAGO (seit 1.7.2004 § 33 RVG) |
Leitsatz:
Ausgangspunkt für die Berechnung des Verfahrenswertes bei der Ersetzung der Zustimmung zu einer in Aussicht genommenen Änderungskündigung ist nicht § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG a.F. begrenzt durch § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG a.F., sondern der Hilfswert des § 8 Abs. 2 BRAGO. Je nach Lage des Einzelfalls kann der Wert höher oder niedriger liegen.
Tenor:
Auf die als Beschwerde im Sinne des § 10 Abs. 3 S. 1 BRAGO aufzufassende Beschwerde des Bevollmächtigten der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss der Schlichtungsstelle für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev.-luth. Landeskirche Sachsens vom 17. März 2004 - SST 1.-5/2003 abgeändert:
Der Streitwert zur Berechnung der Anwaltsgebühren wird auf 4.000,00 € festgesetzt; im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Beteiligten haben um die Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung hinsichtlich der gegenüber der Mitarbeiterin C in Aussicht genommenen Änderungskündigung gestritten, mit der die Arbeitszeit dieser Mitarbeiterin im Reinigungsbereich von 20 Stunden wöchentlich auf 6 Stunden wöchentlich zurückgenommen werden sollte.
Die Dienststellenleitung rief mit Schriftsatz vom 28. November 2003 die Schlichtungsstelle an, der Sache nach mit dem Begehren festzustellen, dass der Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zu der in Aussicht genommenen Änderungskündigung gegenüber der Mitarbeiterin Frau C zur Seite steht. Die Mitarbeitervertretung erteilte am 23. Februar 2004 dem Bevollmächtigten Vollmacht in diesem Schlichtungsverfahren. Dieser bestellte sich mit Schriftsatz vom 23. Februar 2004 "als Beistand der Antragsgegnerin gemäß § 61 Abs. 4 MVG". Im nichtöffentlichen Einigungsgespräch gemäß § 61 Abs. 2 MVG.EKD einigten sich die Beteiligten wie folgt:
"1. Die Mitarbeitervertretung stimmt einer Änderung des Arbeitsvertrages mit Frau C zum 1. März 2004 mit einem wöchentlichen Stundenumfang von 10 Stunden zu.
2. Die anwesende Frau C erklärt ihre Zustimmung zu dieser Änderung ihres Arbeitsvertrages."
Weiter heißt es:
"Die Beteiligten erbitten eine Entscheidung zu den Kosten durch den Vorsitzenden. Rechtsanwalt B will zum Gegenstandswert noch Stellung nehmen."
Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2004 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Mitarbeitervertretung unter Vorlage einer Lohnabrechnung, nach der Frau C insgesamt monatlich 1.254,70 € brutto verdient, mit:
"Eine Kürzung um 14 Stunden von 30 Stunden (incl. Friedhofstätigkeit) auf 16 Stunden entspricht ei-nem Anteil von 53,33%, somit eine Lohndifferenz von 669,17 € brutto monatlich. Ich beantrage gleichzeitig die Wertfestsetzung und schlage diese vor wie folgt:
Verfahrensgegenstand: Änderungsbetrag 669,17 € * 36 Monate 24.090,12,
begrenzt als Änderungskündigung auf 3 Brutto-Monatsgehälter, entsprechend 3.764,10 €
Mehrwert der Einigung: vorgezogene Änderung um 6 Monate bzgl. 10 Std.
Änderungsbetrag real 1/3 = 418,06 € * 6 Monate = 2.508,34 €
(Begrenzung auf 2 Monatsgehälter bei Streit um bis zu 6 Monaten eingehalten).
Einigungswert insgesamt: 6.272,44 €."
Mit Beschluss vom 17. März 2004, dem Verfahrensbevollmächtigten am 23. März 2004 zugestellt, setzte die Schlichtungsstelle durch den Vorsitzenden den Gegenstandswert auf 1.000,00 € fest. Weiter heißt es, dass die Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin trägt. In den Gründen heißt es, die Festsetzung des Gegenstandswertes beruhe auf § 8 Abs. 2 S. 2, § 10 Abs. 1 BRAGO. Die Aufbürdung der außergerichtlichen Kosten ergebe sich aus § 61 Abs. 9 S. 2 und Abs. 3 MVG.
Mit am 25. März 2004 bei der Schlichtungsstelle eingegangenem Schriftsatz vom 24. März 2004 legte der Verfahrensbevollmächtigte gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes durch Beschluss vom 17. März 2004 Beschwerde ein unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 27. Februar 2004.
Die Schlichtungsstelle hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Beschwerdeführer beantragt der Sache nach,
den Beschluss der Schlichtungsstelle vom 17. März 2004 - SST 1.-5/2003 abzuändern und den Wert zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren entsprechend seinem Schriftsatz vom 27. Februar 2004 anderweitig festzusetzen.
Die Dienststellenleitung beantragt der Sache nach,
die Zurückweisung der Beschwerde.
Sie meint, der Streitumfang sei unzutreffend berücksichtigt.
II. Die Beschwerde hatte überwiegend Erfolg.
1. Die Beschwerde ist dem Senat prozessgerecht vorgelegt. Die Formalien der an den Kirchengerichtshof für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD gerichteten Beschwerde über den Gegenstandswert sind als gewahrt anzusehen.
Die Beschwerde ist statthaft. Sie ist nach altem Rechtsstand eingelegt worden. Das Verfahren nach § 10 BRAGO (seit 1.7.2004 § 33 RVG) gilt auch für das kirchenrechtliche Verfahren (§ 22 Abs. 3 KiGG).
2. Die Schlichtungsstelle hat ausgehend von dem Hilfswert des § 8 Abs. 2 BRAGO den Verfahrenswert hinsichtlich der Ersetzung der Zustimmung zu der gegenüber der Mitarbeiterin C in Aussicht genommenen Änderungskündigung auf 1.000,00 € festgesetzt.
Wie sie zu dem Wert gekommen ist, hat sie nicht mitgeteilt.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Mitarbeitervertretung geht ersichtlich davon aus, dass der von der Mitarbeiterin C nach erfolgreicher Zustimmungsersetzung und ausgesprochener Änderungskündigung durchgeführte Änderungsschutzstreit nach § 12 Abs. 7 S. 2 ArbGG zu bewerten gewesen wäre, was auch für das Verfahren auf Ersetzung der von der Mitarbeitervertretung verweigerten Zustimmung gelten würde, so dass in Abweichung vom Rechenwerk des Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung von der Differenz zwischen dem Lohn von 20 Stunden und dem Lohn für 6 Stunden wöchentlich x 36 begrenzt durch den dreifachen Monatsbezug, § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG, auszugehen wäre, mithin 1.254,70 € : 30 x 20 = 836,46 : 20 x 14 = 585,52 = 21.078,72, was durch die Begrenzung auf 3 Monatsgehälter zu dem Betrag von 3.764,10 € führt, wobei entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung ein Mehrwert des Vergleichs nicht in Betracht kommt, weil im Rahmen des Streitgegenstands ein Vergleich geschlossen wurde, wobei es keine Rolle spielen kann, dass bei Entscheidung der Schlichtungsstelle durch Beschluss die in Aussicht genommene Änderungskündigung erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam hätte erklärt werden können.
Die vom Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung im Grundsatz entsprechend § 12 Abs. 7 S. 2 ArbGG, begrenzt durch § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG vorgenommene Bewertung wird durchaus vertreten (vgl. LAG Köln 22. März 1999 - 11 Ta 241/98 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 44 a). Sie erscheint indes als nicht zutreffend.
Ausgangspunkt ist nicht § 12 Abs. 7 S. 2 ArbGG, begrenzt durch § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG, sondern der Hilfswert des § 8 Abs. 2 BRAGO. Je nach Lage des Einzelfalles kann der Wert höher oder niedriger liegen. So liegt er höher, wenn es etwa in einem Verfahren um die Zustimmung zur Änderungskündigung gegenüber mehreren Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen geht, wobei noch zwischen unterschiedlich zu bewertenden Auswirkungen der jeweiligen in Aussicht genommenen Änderungskündigung un-terschieden werden mag.
Der Wert liegt niedriger, wenn es etwa um eine an sich zulässige Änderungskündigung in einem oh-nehin befristeten Arbeitsverhältnis geht, also die Angelegenheit von geringerer Bedeutung ist als bei der Frage der Änderungskündigung bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, wie sie hier in Aussicht genommen ist. Im Hinblick darauf, dass bei der vorliegenden Frage der Ersetzung der Zustimmung zu der gegenüber Frau C in Aussicht genommenen Änderungskündigung, mit der eine nicht unerhebliche Verminderung der Arbeitszeit durchgesetzt werden sollte, hat es mangels Anhaltspunkten, die einen höheren oder niedrigeren Wert zurechtfertigen vermöchten, bei dem Hilfswert von 4.000,00 € zu verbleiben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Über die außergerichtlichen Auslagen ergeht keine Entscheidung, da in Beschwerdeverfahren nach § 10 Abs. 3 BRAGO keine Kosten erstattet werden; es handelt sich nicht um einen Parteienstreit.
Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss des Senats.