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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:31.10.2005
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/L33-05
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 18 Abs. 1 Buchst. d , § 18 Abs. 2, § 21 Abs. 2
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer, Az.: 2 M 15/05
Schlagworte:Ende der Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung
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Leitsatz:

1. Wird ein Mitglied der Mitarbeitervertretung in einer andere Dienststelle mit dem auch mit ihm vereinbarten Ziel abgeordnet, dorthin auf Dauer übernommen zu werden, so endet die Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung gemäß § 18 Abs. 1 Buchst. d MVG.EKD am letzten Tag vor dem Beginn der Abordnung.
2. Das Ruhen der Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung nach § 18 Abs. 2 Buchst. b oder c MVG.EKD setzt voraus, dass das Mitglied der Mitarbeitervertretung nach einer Abordnung bzw. nach seiner Beurlaubung planmäßig in die Dienststelle, deren Mitarbeitervertretung es angehört, zurückkehrt.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer vom 12. Mai 2005 - 2 M 14/05 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das vorliegende Verfahren erledigt ist.
Das Verfahren ist eingestellt.
2. Der Verfahrenswert zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin hat mit ihrem am 14. Februar 2005 eingereichten Schriftsatz - "zunächst fristwahrend" - beantragt, die Zustimmung der beteiligten Mitarbeitervertretung zur damals beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gegenüber Frau D. zu ersetzen.
Frau D. war seit dem 1. November 1996 bei der Antragstellerin tätig. Im Jahre 1998 wurde sie erstmals Mitglied der beteiligten Mitarbeitervertretung, der sie jedenfalls bis zum 31. März 2004 angehörte.
Aufgrund einer zwischen der Antragstellerin, dem Diakonischen Werk E. und Frau D. abgeschlossenen so genannten "Abordnungsvereinbarung" vom 23. März 2004 wurde Frau D. ab 1. April 2004 in das Zentrum "Arbeitsrecht" abgeordnet. In der genannten Vereinbarung, auf deren Wortlaut im Übrigen Bezug genommen wird, heißt es u.a.:
"Frau D. nimmt ihren Dienstsitz in F.. In der laufenden Geschäftsführung nimmt das Diakonische Werk E. alle Rechte und Pflichten als Arbeitgeber wahr, mit Ausnahme der Kündigung des Arbeitsverhältnisses. ...
Frau D. wird, was ihre allgemeinen Rechte und Pflichten als Arbeitnehmerin betreffen, als Mitarbeiterin in die Geschäftsstelle des Diakonischen Werkes E. eingereiht.
Die Abordnung erfolgt für eine Dauer von dreieinhalb Jahren, d.h. bis zum 30.09.2007. Das Dia-konische Werk E. erklärt sich bereit, Frau D. danach zu den gleichen Rechten und Pflichten, wie sie sich aus dem Arbeitsvertrag mit der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Überganges ergeben, einzutreten.
Während der Tätigkeit im Zentrum "Arbeitsrecht" ruht die aktive Mitgliedschaft Frau D´s. in der Mitarbeitervertretung A.."
Frau D. trat ihren Dienst an. Am 28. Januar 2005 nahm Frau D. an einer Dienstbesprechung der Rechtsabteilung des Diakonischen Werkes E. teil, in deren Verlauf ihr der Leiter der Rechtsabteilung, den Auftrag erteilte, - so der erstinstanzliche Beschluss - "Erkundigungen über den 'Status quo' der Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen einzuholen und ihm gegenüber darzustellen". Noch am selben Tag wandte sich Frau D. an die Leiterin der Geschäftsstelle der Schlichtungsstelle nach dem MVG der Ev. Kirche von Westfalen. Über das Telefonat unterrichtete die Leiterin den Vorstand der Antragstellerin per E-Mail vom 2. Februar 2005, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Am selben Tag teilte Frau D. ihrem Leiter der Rechtsabteilung schriftlich mit, auf Anweisung des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen wie auch der Leiterin zufolge würden telefonisch keine Informationen über die Schlichtungsstelle erteilt. Es kam zu einem klärenden Gespräch der Vorstände der beiden Diakonischen Werke über dieses Geschehen. Sodann kündigte das Diakonische Werk E. die Abordnungsvereinbarung vom 9. Februar 2005 fristlos.
Die Antragstellerin entschloss sich, Frau D. fristlos zu entlassen, und bat die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 8. Februar 2005 um deren Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 21 Abs. 2 MVG. Die Mitarbeitervertretung beschloss in ihrer Sitzung am 9. Februar 2005, die Zustimmung zu verweigern. Auf den Inhalt beider Schriftstücke wird Bezug genommen. Unter Beifügung der Kopien dieses Schriftwechsels rief die Antragstellerin am 14. Februar 2005 - "zunächst fristwahrend" - die Schlichtungsstelle mit dem angekündigten Antrag an, die fehlende Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung von Frau D. zu ersetzen.
Von ihrer Ansicht ausgehend, dass das Amt der Frau D. als Mitglied der Mitarbeitervertretung mit ihrem Wechsel zum Zentrum "Arbeitsrecht" am 31. März 2004 geendet und der nachwirkende besondere einjährige Kündigungsschutz des § 21 Abs. 2 MVG mit dem 31. März 2005 sein Ende gefunden habe, hat die Antragstellerin den Arbeitsvertrag mit Frau D. mit ihrem Schreiben vom 7. April 2005 außerordentlich gekündigt. Zudem bat die Antragstellerin die Mitarbeitervertretung am 7. April 2005 nach § 46 MVG um Mitberatung unter Abkürzung der Frist auf drei Tage "bis zum 11. April 2005". Mit Schreiben vom 12. April 2005 kündigte die Antragstellerin das Arbeitsverhältnis mit Frau D. nochmals außerordentlich und fristlos. Sie steht - zusammengefasst - auf dem Standpunkt, Frau D. habe mit ihren Erkundigungen bei der Schlichtungsstelle einen Loyalitätsbruch begangen, der die Basis für eine künftige Zusammenarbeit zerstört habe. Allerdings sei der Antrag vom 14. Februar 2005 erledigt, weil Frau D. inzwischen keinen Schutz nach § 21 Abs. 2 MVG mehr genieße.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle am 12. Mai 2005 hat die Antragstellerin beantragt,
1. festzustellen, dass im Hinblick auf die zwischenzeitlich am 07.04. und 12.04.2005 ausgesprochenen Kündigungen das eingeleitete Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung erledigt und damit gegenstandslos sei;
2. hilfsweise gemäß dem Antrag vom 14.02.2005 die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin D. zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, Frau D. gehöre ihr nach wie vor an. Eine außerordentliche Kündigung sei nicht gerechtfertigt. Frau D. habe den Auftrag des Leiters der Rechtsabteilung möglicherweise missverstanden, es könne ihr nicht als Loyalitätsbruch angerechnet werden, wenn sie den Hintergrund ihres Auftrags gegenüber der Schlichtungsstelle eröffnet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat in ihrem Beschluss vom 12. Mai 2005 festgestellt, dass sich der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung der Mitarbeiterin Frau D. vom 14. Februar 2005 nicht erledigt hat, weil Frau D. nach wie vor Mitglied der Antragsgegnerin ist, und hat den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung vom 14. Februar 2005 zurückgewiesen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 23. Mai 2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 25. Mai 2005 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründungsschrift vom 19. August 2005 ist am selben Tag per Fax nach antragsgemäßer Verlängerung der Frist zu ihrer Vorlage bis zum 20. August 2005 eingereicht worden.
Die Antragstellerin hebt nach näherer Maßgabe ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 24. Mai 2005 und 19. August 2005 im Wesentlichen hervor, dass Frau D. mit dem 31. März 2004 aus der Mitarbeitervertretung ausgeschieden und die Vereinbarung über das Ruhen ihrer dortigen aktiven Mitgliedschaft unwirksam sei. Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses vom 12. Mai 2005 - Az.: 2 M 14/05 -
1. festzustellen, dass das eingeleitete Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung erledigt ist,
hilfsweise,
2. die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Wegen der Einzelheiten wird auf ihre Schriftsätze vom 17. und 20. Oktober 2005 Bezug genommen.
II. Die zur Entscheidung angenommene, statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde (§ 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG-Westfalen, §§ 87 ff ArbGG) ist begründet. Dem Hauptantrag war entgegen der Vorinstanz stattzugeben. Das Verfahren über die Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin D. nach § 21 Abs. 2 MVG-EKD ist erledigt.
1. Dies war gemäß § 87 Abs. 2, § 83a Abs. 2, 3 ArbGG, § 63 Abs. 7 MVG.EKD festzustellen. Die Erledigung ist durch Zeitablauf, nämlich durch Ablauf der Schutzjahres nach Beendigung der Mitgliedschaft von Frau D. in der Mitarbeitervertretung (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD) am 31. März 2005 eingetreten. Einer Entscheidung über den am 14. Februar 2005 eingereichten Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Frau D. bedarf es nicht mehr. Es war auch nicht zu klären, ob der Antrag ohne das erledigende Ereignis begründet gewesen wäre (vgl. BAG 27. August 1996 - 3 ABR 21/95 - AP Nr. 4 zu § 83a ArbGG 1979; BAG 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 - BAGE 65, 105).
2. Die Erledigung ist allerdings nicht bereits nach § 87 Abs. 2, § 83a Abs. 3 ArbGG kraft gesetzlicher Fiktion eingetreten. Ein solches Verfahren ist nicht betrieben worden. Vielmehr war wegen des Widerspruchs der Mitarbeitervertretung ausdrücklich festzustellen, ob das vorliegende Verfahren erledigt ist.
3. Einer Befassung mit dem Antrag vom 14. Februar 2005 auf Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Frau D. bedürfte es nur, wenn Frau D. der Schutz des § 21 Abs. 2 MVG.EKD als Mitglied der Mitarbeitervertretung noch zustünde. Das aber ist nicht der Fall. Frau D. hat zwar der nachwirkende einjährige Schutz als einem ehemaligen Mitglied der Mitarbeitervertretung zur Seite gestanden. Dieses Schutzjahr hat jedoch im Laufe des vorliegenden Verfahrens, nämlich mit dem 31. März 2005 sein Ende gefunden. Die Mitgliedschaft der Frau D. in der Mitarbeitervertretung hat mit dem 31. März 2004 gemäß § 18 Abs. 1 Buchst. d MVG.EKD ihr Ende gefunden.
a) Wird ein Mitglied der Mitarbeitervertretung in eine andere Dienststelle mit dem auch mit ihm vereinbarten Ziel abgeordnet, dorthin auf Dauer übernommen zu werden, so endet die Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung gemäß § 18 Abs. 1 Buchst. d MVG.EKD am letzten Tag vor dem Beginn der Abordnung. Spätere Ereignisse, etwa eine Beendigung der Abordnung, ändern daran nichts.
b) Mit Ablauf des 31. März 2004 ist Frau D. aus der Dienststelle, in der die Mitarbeitervertretung gebildet worden ist, ausgeschieden. Sie hat aufgrund der "Abordnungsvereinbarung", die zwischen den beiden beteiligten Diakonischen Werken und ihr abgeschlossen worden ist, seit dem 1. April 2004 ihren Dienst nicht in der bisherigen Dienststelle, sondern im Zentrum "Arbeitsrecht" in F. geschuldet und war der dortigen Dienststellenleitung - bis auf die Kündigung des Arbeitsvertrags - unterstellt. Dies erfolgt nicht etwa nur vorübergehend für eine mehr oder weniger lange Zeit mit dem Ziel der Rückkehr in die bisherige Dienststelle, sondern nach Inhalt, Anlage sowie Sinn und Zweck der Abordnungsvereinbarung mit der ausdrücklichen Verpflichtung zur "Übernahme" des Arbeitsverhältnisses durch das Diakonische Werk E.. Es handelt sich um den Fall einer (langfristigen) Abordnung mit dem Ziel der dauerhaften "Versetzung".
c) Eben wegen dieser von allen drei an der "Abordnung" Beteiligten, vor allem auch mit Frau D. vereinbarten Verpflichtung, das Arbeitsverhältnis der Frau D. auf das Diakonische Werk E. zu übertragen, liegt ein Fall des Ruhens der Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung nach § 18 Abs. 2 MVG.EKD nicht vor, insbesondere nicht nach § 18 Abs. 2 Buchst. b oder c MVG.EKD. Beide Tatbestände setzen voraus, dass das Mitglied der Mitarbeitervertretung nach einer Abordnung bzw. nach seiner Beurlaubung planmäßig in die Dienststelle, deren Mitarbeitervertretung es angehört, zurückkehrt. Eben daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar ist eine Abordnung der Frau D. in das Zentrum "Arbeitsrecht" vereinbart worden, indessen eben nicht mit dem Ziel der Rückkehr in die abordnende Dienststelle, sondern ausdrücklich mit dem Ziel, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der dreieinhalb Jahre der Abordnungszeit mit der aufnehmenden Dienststelle (und zugleich anderem Arbeitgeber) fortzusetzen.
4. Frau D. steht der besondere Kündigungsschutz des § 21 Abs. 2 MVG.EKD auch nicht kraft Vereinbarung zu. Zwar lautet der letzte Absatz der "Abordnungsvereinbarung", dass "während der Tätigkeit im Zentrum Arbeitsrecht die aktive Mitgliedschaft der Frau D. in der Mitarbeitervertretung A. ruht".
Gegen diese Klausel wäre nichts einzuwenden, wenn damit nur ein gesetzlich eingetretener Zustand beschrieben würde. Das ist indessen nicht der Fall. Ein Ruhenstatbestand liegt, wie oben festgestellt, nicht vor, weil eine Rückkehr der Frau D. in die Dienststelle A. nicht vorgesehen war.
Als rechtsbegründende Vereinbarung ist die Klausel indessen unwirksam. Die Parteien des Arbeitsvertrags oder einer Änderungsvereinbarung hierzu können von Rechts wegen nicht über den mitarbeitervertretungsrechtlichen Status eines Mitarbeiters verfügen. Sie können den gesetzlichen mitarbeitervertretungsrechtlichen Status weder aberkennen noch über das Gesetz hinaus zubilligen. Die Zubilligung eines Quasi-Kündigungsschutzes analog § 21 Abs. 2 MVG.EKD lässt sich der Klausel nicht entnehmen.
III. Wegen der Stattgabe des Hauptantrags ist der Hilfsantrag hinfällig.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung, § 12 Abs. 5 ArbGG). Die Wertfestsetzung beruht auf § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG i.V.m. § 22 Abs. 2 KiGG.EKD, wobei der Antrag unterstellt wurde.