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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:19.06.2006
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/L65-05
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 42 Buchst. c ,§ 38 Abs. 3
Vorinstanzen:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, Az.: 28-2004-HH
Schlagworte:Eingruppierung nach KTV-Diakonie Nordelbien
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Leitsatz:

1. In welche Entgeltgruppe der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin eingruppiert ist, richtet sich nach § 14 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 KTV-Diakonie Nordelbien. Hiernach sind die Entgelte nach der überwiegenden Tätigkeit zu bemessen.
2. Bei der Zuordnung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin zu einer Entgeltgruppe handelt es sich - auch bei der Anwendung des KTV-Diakonie Nordelbien - nicht um einen Akt der Rechtsgestaltung, sondern um einen wertenden Normvollzug. Entscheidend ist die überwiegende Tätigkeit. Dabei ist auf die arbeitsvertraglich geschuldete und in diesem Rahmen zugewiesene Tätigkeit abzustellen.
Werden in den Beschreibungen der Entgeltgruppen zuvor erworbene Fähigkeiten oder Berufsausbildungen genannt, so setzt eine Eingruppierung in der entsprechenden Entgeltgruppe voraus, dass die Tätigkeit solche Fähigkeiten erfordert.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten des Nordelbischen Diakonischen Werks e.V., - Kammer Hamburg -, vom 22. September 2005 - Az.: 28-2005-HH abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass für die beteiligte Mitarbeitervertretung kein Grund bestanden hat, ihre Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin D in der Entgeltgruppe 4 des Kirchlichen Tarifvertrags der Diakonie zum 1.1.2005 zu verweigern.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die ordnungsgemäße Eingruppierung der Mitarbeiterin D. Sie ist nach Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses ab 1. Januar 2005 bei der Antragstellerin als Kinderpflegerin unbefristet angestellt und in der integrativen Kindertagestätte an einem Institut eingesetzt. Diese Kindertagesstätte bietet insgesamt 48 Plätze an, davon zwölf Integrationsplätze für Kinder mit Behinderungen. Frau D ist in der sogenannten "Sternengruppe" tätig; diese Gruppe umfasst 15 Kinder, davon vier Integrationskinder, die am Down-Syndrom leiden und den Pflegestufen I bis III zugeordnet sind. Frau D hat eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Kinderpflegerin absolviert, und zwar zwei Jahre als schulische Ausbildung und ein Anerkennungsjahr. Sodann hat sie das entsprechende Zeugnis als staatlich anerkannte Kinderpflegerin erhalten. Eine solche Ausbildung wird in Schleswig-Holstein und in der Freien und Hansestadt Hamburg nicht mehr durchgeführt, sondern ist durch den zweijährigen Ausbildungsgang "Sozialpädagogische Assistentin", einer zweijährigen Ausbildung an einer Berufsfachschule mit anschließender staatlicher Prüfung, er-setzt worden; ein Anerkennungsjahr ist für die Erteilung des Abschlusszeugnisses nicht mehr vorgesehen.
Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag der "Kirchliche Tarifvertrag der Diakonie" vom 15. August 2002 (KTD) anzuwenden. Er wurde abgeschlossen zwischen dem "Verband kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger Nordelbien einerseits und der Gewerkschaft Kirche und Diakonie, der IG Bauen-Agrar-Umwelt Bundesvorstand sowie der ver.di Landesbezirke Hamburg und Nord andererseits (GVOBl.-NEK 2002, 317 ff)".
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KTD werden die Entgelte nach der überwiegenden Tätigkeit (Entgeltgruppen) und der Beschäftigungszeit (§ 21) bemessen. Die Antragstellerin hält die Entgeltgruppe 4 der Entgeltordnung zum KTD für zutreffend. In diese Entgeltgruppe sind Arbeitnehmerinnen mit mindestens einjähriger, erfolg-reich abgeschlossener Ausbildung und entsprechender Tätigkeit (Beispiele: Altenpflegehelferin, Krankenpflegehelferin, Sozialpädagogische Assistentin) eingruppiert. In der Entgeltgruppe 5 sind die Arbeitnehmerinnen wie zu Entgeltgruppe 4 mit schwierigen fachlichen Tätigkeiten (Beispiele: Altenpflegerin, Sozialpädagogische Assistentinnen in Einrichtungen der Behindertenhilfe) eingruppiert. In der Entgeltgruppe 6 sind Arbeitnehmerinnen mit einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung von in der Regel mindestens zweieinhalbjähriger Dauer und entsprechender Tätigkeit (Beispiele ...) eingruppiert.
Die Antragstellerin hält die Entgeltgruppe 4 für zutreffend und hörte die beteiligte Mitarbeitervertretung hierzu mit ihrem Formularschreiben vom 17. Dezember 2004 an. Die Mitarbeitervertretung lehnte diese Eingruppierung am 13. Januar 2005 mit der Begründung ab, sie fordere wegen der zweijährigen Ausbildung für Frau D die Entgeltgruppe 6. Mit ihrem am 24. Januar 2005 beim Kirchengericht eingereichten Antrag verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.
Sie hat geltend gemacht, die Entgeltgruppe 4 treffe zu, weil die Ausbildung der Mitarbeiterin eine solche i.S. dieser Entgeltgruppe und nicht etwa eine i.S. der Entgeltgruppe 6 sei. Die Entgeltgruppe 5 treffe ebenfalls nicht zu; bei der in Rede stehenden Kindertagesstätte handele es sich nicht um eine Einrichtung der Behindertenhilfe, weil der Anteil der Integrationskinder unter der Hälfte liege.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach § 41 MVG.EKD zur Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Entgeltgruppe 4 des Kirchlichen Tarifvertrags Diakonie zum 1.1.2005 vorliege.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, den Antrags zurückzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, zutreffend sei wegen der dreijährigen Ausbildung die Entgeltgruppe 6, hilfsweise wegen der fachlich schwierigen Tätigkeit die Entgeltgruppe 5.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze und Anlagen der Antragstellerin vom 24. Januar, 9. Mai und 23. August 2005 sowie der Mitarbeitervertretung vom 18. April und 5. Juli 2005 Bezug genommen.
Das Kirchengericht hat den Antrag durch seinen Beschluss vom 22. September 2005 zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen ihm am 7. Oktober 2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 2. November 2005 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdebegründungsschrift - nach antragsgemäßer Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist um einem Monat - am 6. Januar 2006 eingereicht. Sie rügt, der angefochtene Beschluss sei verfahrenfehlerhaft ergangen und hebt unter wesentlicher Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens hervor, die Entscheidung sei in der Sache unrichtig. Für die Eingruppierung komme es auf die zu leistende Tätigkeit an.
Sie beantragt sinngemäß,
festzustellen, dass für die beteiligte Mitarbeitervertretung kein Grund bestanden hat, ihre Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin D in der Entgeltgruppe 4 des Kirchlichen Tarifvertrags Diakonie zum 1.1.2005 zu verweigern.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und meint, Frau D habe Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 6, denn sie übe eine Tätigkeit als Kinderpflegerin aus, die Ausbildung hierzu betrage "unstreitig" drei Jahre.
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen der Antragstellerin /Beschwerdeführerin vom 2. und 10. November, 5. Dezember 2005, 6. Januar, 22. März, 29. Mai und 9. Juni 2006 sowie der Mitarbeitervertretung vom 2. und 28. März, 4. April und 7. Juni 2006 Bezug genommen.
II. Die durch den Beschluss des erkennenden Gerichts vom 20. März 2006 zur Entscheidung angenommene Beschwerde (§ 63 Abs. 2 MVG.EKD, § 1 KGMVG der Nordelbischen Ev. Landeskirche, GVOBl. 2005, S. 7) ist begründet.
1. Über die Beschwerde war ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden; die Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 87 Abs. 2, 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG).
2. Entgegen der Erkenntnis des Kirchengerichts hatte die Mitarbeitervertretung keinen Grund, ihre Zustimmung zur Eingruppierung der Frau D in der Entgeltgruppe 4 der Entgeltordnung KTD gem. § 42 Buchst. c, § 41 Abs. 1, § 38 MVG.EKD für die Zeit ab 1. Januar 2005 zu verweigern. Die Voraussetzungen für die (höhere) Entgeltgruppe 6 der Entgeltordnung zu § 14 KTD sind nicht erfüllt.
a) In welcher Entgeltgruppe der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin eingruppiert ist, richtet sich nach § 14 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 KTD i.V.m. der dazu ergangenen Entgeltordnung. Hiernach sind die Entgelte nach der überwiegenden Tätigkeit (und der Beschäftigungszeit) zu bemessen. Bei der Zuordnung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin zu einer Entgeltgruppe handelt es sich - auch bei der Anwendung des KTD - nicht um einen Akt der Rechtsgestaltung, sondern um einen wertenden Normvollzug. Der Mitarbeiter wird nicht ein-gruppiert; er ist aufgrund seiner überwiegenden Tätigkeit (und der Beschäftigungszeit) "automatisch" ein-gruppiert. Für die überwiegende Tätigkeit ist auf die arbeitsvertraglich geschuldete und in diesem Rahmen zugewiesene Tätigkeit abzustellen, nicht aber darauf, wie der Mitarbeiter seine Tätigkeit selbst einteilt und insoweit auch nicht auf den Anteil der tatsächlichen Tätigkeitserbringung bei verschiedenwertigen Teiltätigkeiten. Werden in den Beschreibungen der Entgeltgruppen zuvor erworbene Fähigkeiten oder Berufsausbildungen genannt, so setzt eine Eingruppierung in der entsprechende Entgeltgruppe voraus, dass die Tätigkeit solche Fähigkeiten erfordert.
b) Hiervon ist auch das Kirchengericht ausgegangen, wenn es ausführt, dass "die Entgeltgruppe 6 die Länge der Ausbildungszeit als Qualifizierungsmerkmal für eine höhere tarifliche Vergütung ansieht, allerdings nur bei entsprechender Tätigkeit" (Abdruck Seiten 4 unten, 5 oben). Indessen hat es zu Unrecht diese Voraussetzungen als gegeben erachtet. Es hat aus dem Umstand, dass die Berufsausbildung, die Frau D mit einer zweijährigen fachschulischen Ausbildung und einem Anerkennungsjahr nach altem Recht und damit - nach seiner Wertung - mit einer mindestens zweieinhalbjährige "Berufsausbildung" absolviert hat, im Wort-laut der Tarifregelung keinen Niederschlag gefunden hat, geschlossen, dass schon deshalb die Voraussetzungen der längeren Ausbildung i.S. der Entgeltgruppe 6 der Entgeltordnung zu § 14 KTD erfüllt seien. Das ist rechtsfehlerhaft. Der Tarifvertrag stellt im Beispielskatalog der Entgeltgruppe 4 auf das neuere Berufbild der "Sozialpädagogische Assistentin" ab. Dieses Berufsbild umfasst auch die "frühere" Kinderpflegerin mit staatlicher Anerkennung. Wenn die staatliche Ausbildungsordnung derart geändert worden ist und die Tarifvertragsparteien dann "nur" die neue Berufsbezeichnung einschließlich der dahin führenden Ausbildung in ihre Tarifregelung aufnehmen, so ist daraus zu schließen, dass nach früherer Ordnung Ausgebildete so ein-gruppiert sein sollen wie die nach neuerer Ordnung Ausgebildeten. Zudem liegen auch keine Tatsachen vor, aus denen zu folgern wäre, dass die von Frau D arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit eine Ausbildung mit der für Entgeltgruppe 6 vorausgesetzte Dauer erfordert. Derartiges ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Gleichwohl folgert die Vorinstanz dies - zu Unrecht - schlicht aus dem Umstand, dass Frau D eine zweijährige Fachschulausbildung und ein einjähriges Anerkennungsjahr erfolgreich absolviert hat. Das aber genügt nicht, um annehmen zu können, dass die Tätigkeit solche Fähigkeiten erfordert, wie sie mit einer mindestens zweieinhalbjährigen erfolgreichen Ausbildung erlernt werden.
Die ergänzende Erwägung der Vorinstanz ist unbehelflich. Es trifft zwar zu, dass - wie die Vorinstanz aus-führt - die Aufzählung der Beispiele in den Entgeltgruppen der Entgeltordnung zu § 14 KTD nicht abschließend ist. Darauf kommt es jedoch nicht an. Vielmehr müssen die aufgeführten Beispiele für die Auslegung des abstrakten Beschreibung der Anforderungen an die jeweilige Entgeltgruppe herangezogen werden. Dies lässt die Vorinstanz vermissen. Die jeweils aufgeführten Beispiele zeigen deutlich, dass für die Entgeltgruppe 6 der Entgeltordnung zu § 14 KTD ein deutlich höheres berufliches Qualifikationsniveau vorausgesetzt worden ist als für die Entgeltgruppe 4. Haben aber die Tarifvertragsparteien die Sozialpädagogische Assistentin als ein Beispiel in die Entgeltgruppe 4 der Entgeltordnung zu § 14 KTD eingeordnet, so zeigt dies, dass sie insoweit eine zweijährige fachschulische Ausbildung als ausreichend erachten und dass sie - jeden-falls für die Tätigkeit als Kinderpflegerin - keine andere Qualifikation (mehr) voraussetzen, mithin eben keine solche, wie sie hier durch das Anerkennungsjahr von zwei auf drei Jahre verlängerte berufliche Ausbildung erlangt wurde.
3. Ebenso wenig kann die Mitarbeitervertretung als Verweigerungsgrund anführen, "hilfsweise" werde Vergütung nach Entgeltgruppe 5 der Entgeltordnung zu § 14 KTD geschuldet.
Auf diesen Verweigerungsgrund kann sich die Mitarbeitervertretung schon deshalb nicht stützen, weil sie ihn nicht innerhalb der Frist des § 38 Abs. 3 MVG.EKD schriftlich geltend gemacht hat. Im Anhörungsbogen hat die Mitarbeitervertretung insoweit nur geschrieben "Forderung KTD E 6 - mindestens 2-jährige Berufsausbildung". Von der Entgeltgruppe 5 der Entgeltordnung zu § 14 KTD ist nach der Aktenlage erstmals während der gerichtlichen Auseinandersetzung die Rede. Das wahrt die Frist für die Zustimmungsverweigerung nicht.
Hiervon abgesehen liegen die Voraussetzungen für eine Eingruppierung der Frau D in der Entgeltgruppe 5 der Entgeltordnung zu § 14 KTD auch nicht vor. Bei der in Rede stehenden Kindertagesstätte handelt es sich nicht um eine Einrichtung der Behindertenhilfe. Dazu ist der Anteil behinderter Kinder mit nur einem Viertel aller vorgehaltenen Plätze zu klein. Sonstige Umstände, aus denen zwingend zu schließen ist, dass die Voraussetzungen des Eingangssatzes der Entgeltgruppe 5 der Entgeltordnung zu § 14 KTD erfüllt wären, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 12 Abs 5 ArbGG).