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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 26.03.2007 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD II-0124/M10-06 |
Rechtsgrundlage: | MVG.K § 42 Nr. 3 |
Vorinstanzen: | Schiedsstelle der Konföderation ev. Kirchen in Nds. und der DW BS, H, OL und Schaumburg-Lippe - Kammer DW Hannover -, Az.: 2 VR MVG 86/05, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 2007, S. 260 |
Schlagworte: | Festlegung der Entgelthöhe durch die Dienststelle ohne vorherige Beteiligung der Mitarbeitervertretung |
Leitsatz:
1. Geht die Schiedsstelle aufgrund im Einzelnen aufgezeigter Umstände davon aus, dass die Dienststellenleitung ein bestimmtes Entgeltschema anwendet, darf die Schiedsstelle die Auffassung zugrunde legen, dass die Dienststelle, wenn schon nicht die AVR.DW.EKD eine andere auf dem Dritten Weg der Kirchen gefundene Arbeitsrechtsregelung und damit auch eine in einer solchen enthaltene Vergütungsordnung zugrunde legt.
2. Das folgt daraus, dass die Dienststellenleitung als Einrichtung der Diakonie i.S.v. § 1 MVG.K dem Dritten Weg verpflichtet ist und infolgedessen gehalten ist, sich auf der Basis des Kernstücks des Dritten Weges zu bewegen, nämlich Bestimmungen in ihren Dienstverträgen zugrunde zu legen, die auf dem Dritten Weg geschaffen wurden, die also Abschluss, Inhalt und Beendigung des Dienstverhältnisses regeln und damit auch die Vergütung.
3. Das in der Präambel zum MVG.K niedergelegte Leitbild der Dienstgemeinschaft impliziert, dass es der Dienstgemeinschaft als Wertegemeinschaft widerspricht, wenn Mitarbeiter zu anderen, gegenüber den AVR oder anderen auf dem Dritten Weg gefundenen Vergütungsregelungen schlechteren Bedingungen beschäftigt werden (sollen).
Tenor:
Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation ev. Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers - vom 7. Juli 2005, zugestellt am 9. Januar 2006 - Az.: 2 VR MVG 86/05 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I. Die Schiedsstelle hat festgestellt, dass die Dienststellenleitung durch die Festlegung der Entgelthöhe für die Mitarbeiterin D ohne vorherige Beteiligung der Mitarbeitervertretung die Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretung verletzt hat. Die Dienststellenleitung habe die Mitarbeiterin D ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung eingruppiert und die Mitarbeitervertretung daher in ihren Rechten verletzt. Es sei von der Anwendung eines bestimmten Entgeltschemas auszugehen. Aufgrund der im Einzelnen dargestellten Umstände sei nicht davon auszugehen, dass, wie die Dienststellenleitung vortrage, das Arbeitsentgelt jeweils individuell ausgehandelt worden sei, sondern davon, dass die Dienststellenleitung bei Abschluss des jeweiligen Dienstvertrages bestimmte Vorstellungen über den Wert der jeweiligen Tätigkeit pro Zeiteinheit gehabt habe und diese gegenüber den Mitarbeitern auch durchgesetzt habe. Dann aber liege eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung i.S.v. § 42 Nr. 3 MVG.K vor.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Dienststellenleitung.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD. Nach § 63 Abs. 2 S. 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüs-se der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Ist die Beschwerde nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 7 MVG.K (KABl. Hannover 2005 S. 71) "gegeben", ist gleichwohl über die Annahme der Beschwerde nach § 63 Abs. 2 MVG.EKD zu entscheiden. Eine solche Entscheidung ist nicht schon deswegen entbehrlich, weil die Beschwerde nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MVG.K "gegeben" ist. Diese gliedkirchliche Rechtslage schließt nicht aus, dass der Kirchengerichtshof der EKD seinerseits über die Annahme zu entscheiden hat. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das MVG.EKD insoweit durch gliedkirchliches Recht mit der Folge geändert werden könnte, dass der Kirchengerichtshof der EKD an das Gegebensein der Beschwerde gebunden wäre und nicht über die Annahme der Beschwerde zu entscheiden hätte. An einer Rechtsgrundlage für eine solche Änderung des Mitarbeitervertretungsrechts der Evangelischen Kirche in Deutschland durch gliedkirchliches Recht fehlt es.
2. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann.
3. Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben.
Es bestehen im Ergebnis keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entschei-dung. Die Schiedsstelle hat den Sachvortrag der Beteiligten dahingehend gewertet, dass davon auszugehen sei, dass die Dienststellenleitung ein bestimmtes Entgeltschema anwende. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Schiedsstelle sei fehlerhaft davon ausgegangen, bei der Dienststelle existiere eine Vergütungsordnung. Die Dienststelle habe dies stets bestritten. Der Beschluss beruhe auf einer fehlerhaften Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.
Dabei verkennt die Beschwerde zum Einen, dass es im kirchenarbeitsrechtlichen Beschlussverfahren keine Darlegungs- und Beweislast gibt, sondern allenfalls eine Feststellungslast.
Zum Anderen durfte die Schiedsstelle davon ausgehen, dass die Dienststelle, wenn schon nicht die AVR.DW.EKD, eine andere auf dem Dritten Weg der Kirchen gefundene Arbeitsrechtsregelung und damit auch eine in einer solchen enthaltene Vergütungsregelung zugrunde legt.
Es ist zwar richtig, dass im staatlichen Bereich bei Fehlen von Vergütungsgruppen für Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern in einem Tarifvertrag und bei Fehlen einer anderen einheitlichen Vergütungsregelung die Arbeitsvertragsparteien ohne Beteiligung des Betriebsrats die Vergütung frei aushandeln können. Eine Vergütungsgruppenordnung hat das Ziel, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in eine Gehaltsstruktur zu bringen. Diese Zuordnung erfolgt in der Regel nach Merkmalen wie Tätigkeit, Ausbildung. Existiert kein solches Schema, entfällt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG (vgl. z.B. BAG vom 3. Mai 2006 - 4 ABR 8/05 - ZTR 2007, 55 betreffend fehlende Vergütungsgruppen für Auszubildende).
Auch ist es richtig, dass die Satzung des Diakonischen Werkes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers e.V. in der Fassung vom 12. November 1997, zuletzt geändert am 5. Mai 2004, ihren Mitgliedern nicht die Pflicht auferlegt, eine bestimmte Vergütungsordnung, etwa die AVR.DW.EKD, anzuwenden, oder ihnen die Wahl lässt, eine andere kirchliche Vergütungsregelung den mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschlossenen Dienstverträgen zugrunde zu legen.
Das bedeutet aber nicht, dass eine Einrichtung der Diakonie i.S.v. § 1 MVG.K, wie sie die Dienststelle nach der Feststellung der Schiedsstelle darstellt, davon ausgeht, dass "die einzelnen Arbeitsverträge vollständig mit dem jeweiligen Mitarbeiter ausgehandelt wurden" und werden und auf diese Weise Jahresgehälter gezahlt werden, die nach eigener Darstellung der Beschwerde etwa 16-22% unter dem "Jahresgehalt nach AVR" liegen. Denn damit hätte die Dienststelle den Dritten Weg verlassen und wäre auf den Ersten Weg zurückgekehrt. Das widerspricht dem kirchlichen Arbeitsrecht, dem sich die Dienststelle durch ihre Zugehörigkeit zum Diakonischen Werk der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers e.V. unterworfen hat. Die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen mit den beteiligten Mitgliedskirchen Hannover, Braunschweig und Oldenburg ist durch das Kirchengesetz der Konföderation vom 14. März 1978 (ABl.EKD, S. 153) der Empfehlung des Rates der EKD gefolgt, die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im kirchlichen Dienst durch Arbeitsrechtsregelungsgesetz der Diakonie (ARRGD; ABl.EKD 1998, S. 15 ff.) zu regeln, mit anderen Worten, den "Dritten Weg" einzuführen. Das von der Landeskirche erlassene Arbeitsrechtsregelungs-gesetz bindet die landeskirchlichen Diakonischen Werke in ihren Geltungsbereich ein. Da sie nicht zur verfassten Kirche gehören, verlangt die Richtlinie der EKD vom 8. Oktober 1976 (ABl.EKD 1976, S. 398 ff.), dass für den Bereich des landeskirchlichen Diakonischen Werkes das zuständige Organ die Übernahme beschlossen hat. Dem ist die Konföderation gefolgt (§ 2 Abs. 2 Mitarbeitergesetz vom 11. März 2000 mit späteren Änderungen, ABl.EKD 2000, S. 92 ff.) (vgl. zum Ganzen Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche 4. Aufl. 2003 § 14 Rn. 4 ff., Rn. 13 f.).
Nachdem die Dienststelle als Einrichtung der Diakonie i.S.v. § 1 MVG.K dem "Dritten Weg" verpflichtet ist, ist sie auch verpflichtet, sich auf der Basis des Kernstücks des "Dritten Weges" zu bewegen, nämlich Bestimmungen in ihren Dienstverträgen zugrunde zu legen, die auf dem "Dritten Weg" geschaffen wurden, die also Abschluss, Inhalt und Beendigung des Dienstverhältnisses regeln und damit auch die Vergütung, selbst wenn sie, wie sie betont, sich nicht gem. § 1 Abs. 2 ARRGD dem ARRGD angeschlossen hat, so dass für sie die AVR.K von daher nicht bindend sind. Dann ist eine an-dere, auf dem Dritten Weg gefundene Regelung zugrunde zu legen. Das kann auch eine auf dem "Dritten Weg" geschaffene Notlagenregelung sein, jedenfalls ist ein Ausscheren aus dem Dritten Weg nicht möglich und daher auch keine Rechtsgrundlage dafür gegeben, Vergütungen auf dem Ersten Weg einseitig festzulegen.
Hinzukommt, dass die Schiedsstelle auch deswegen von dem Vorhandensein einer Vergütungsordnung ausgehen durfte, weil das in der Präambel zum MVG.K niedergelegte Leitbild der Dienstgemeinschaft impliziert, dass es der Dienstgemeinschaft als Wertegemeinschaft widerspricht, wenn Mit-arbeiter zu anderen, gegenüber den AVR oder anderen auf dem Dritten Weg gefundenen Vergütungsregelungen, schlechteren Bedingungen beschäftigt werden.
Wenn die Dienststellenleitung meint, aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Dienststelle gezwungen zu sein, von den AVR nach unten deutlich abweichende Vergütungen mit den Bewerbern auszuhandeln, so ist das zwar im Außenverhältnis, also im Verhältnis Einrichtung - Mitarbeiter und Mitarbeiterin wirksam, widerspricht aber kirchlichem Selbstverständnis mit der Folge, dass die Dienststelle aus dem Diakonischen Werk austreten und in den Bereich der Betriebsverfassung wechseln mag. Die Schiedsstelle jedenfalls durfte davon ausgehen, dass die Einrichtung als Mitglied des Diakonischen Werkes eine kirchliche Vergütungsordnung anwendet, schon um dem Leitbild der Dienstgemeinschaft Rechnung zu tragen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).