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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:20.10.2008
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/P35-08
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 63, ArbGG § 9 Abs. 5, § 64, § 66 Abs. 1, § 87 Abs. 2 Satz 1, ZPO § 524
Vorinstanzen:Kirchengericht der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz, 26/0-6/4-602, Fundstelle: KuR 2/2010, S. 286
Schlagworte:Zustimmungsverweigerung: Eingruppierung "Turmkassierer" (Mitarbeitende, die in einer Ver-anstaltungskirche Besuchern die sog. Turmfahrt ermöglichen und Kioskwaren verkaufen)
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Leitsatz:

1. Will ein unterlegener Beteiligter gegen den (auch) ihn beschwerenden Beschluss Beschwerde einlegen, so hat er zwei Möglichkeiten. Er kann sich entweder als Beschwerdegegner der Beschwerde entsprechend § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6, § 524 ZPO anschließen oder, falls die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen ist, selbstständig Beschwerde einlegen. Nur im ersten Fall verliert der Angriff des Beschwerdegegners gegen den Beschluss entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO seine Wirkung, wenn die Beschwerde des ursprünglichen Beschwerdeführers durch Rücknahme, Nichtannahme oder sonst wie erledigt wird, und nur im Falle der Anschließung muss die Beschwerde in der Anschlussschrift begründet werden (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Wird hingegen selbstständig Beschwerde eingelegt, ist dieses Rechtsmittel vom Schicksal der gegnerischen Beschwerde unabhängig.
2. Hat ein antragsbefugter Beteiligter "Anschlussbeschwerde" innerhalb der für ihn laufenden Beschwerdefrist eingelegt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche der beiden Möglichkeiten er gewählt hat. Dabei ist der Auslegungsgrundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht

Tenor:

A uf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Kirchengerichts der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz vom 21. April 2008 - Az.: 26/0-6/4-602 - abgeändert:
Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung der Frau E wird ersetzt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin betreibt einen mobilen Pflegedienst. Bei ihr ist Frau E seit dem 1. April 1996 als Altenpflegerin mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 31,2 Stunden gegen ein monatliches Bruttogehalt von 2.084,48 Euro beschäftigt; Frau E gehört der gemeinsamen Mitarbeitervertretung (vormals Beschwerdeführerin) an. Die antragstellende Dienststellenleitung will Frau E fristlos entlassen; sie wirft Frau E vor, ihre Arbeitszeitaufzeichnungen hinsichtlich der Pausen falsch geführt zu haben, indem sie Pausen von mehr als 10 Minuten Dauer pflichtwidrig nicht aufgeführt habe. Sie hat die Mitarbeitervertretung um deren Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gebeten. Diese hat die Zustimmung verweigert.
Das daraufhin von der Dienststellenleitung angerufene Kirchengericht hat auf die Anträge der Dienststellenleitung,
1. die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung des Mitglieds der Mitarbeitervertretung Frau E wegen Begehung einer Straftat zu Lasten der Antragstellerin wird ersetzt,
2. die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung des Mitglieds der Mitarbeitervertretung Frau E wegen des Verdachts der Begehung einer Straftat zu Lasten der Antragstellerin wird ersetzt,
in ihrem Beschluss vom 21. April 2008 festgestellt, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund hatte, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Frau E zu verweigern und darin eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, wonach "für die Mitarbeitervertretung" das Rechtsmittel der Beschwerde zum Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland stattfindet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde der Mitarbeitervertretung. Sie wollte die völlige Abweisung "des Antrags" erreichen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Mitarbeitervertretung wird auf deren Beschwerdeschrift vom 17. Juni 2008, deren Beschwerdebegründungsschrift vom 4. August 2008 und deren Schriftsätze vom 2. und 8. Oktober 2008 Bezug genommen. Die Dienststellenleitung hat am 26. August 2008 (Fax) "Anschlussbeschwerde" eingelegt mit dem angekündigten Antrag, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Mitglieds der Mitarbeitervertretung Frau E zu ersetzen. Wegen der Einzelheiten wird auf ihren Schriftsatz vom 26. August 2008 Bezug genommen.
Der Kirchengerichtshof hat mit Beschluss vom 15. September 2008 1. die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss des Kirchengerichts der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz vom 21. April 2008 - Az.: 26/0-6/4-602 - nicht zur Entscheidung angenommen und 2. die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen denselben Beschluss zur Entscheidung angenommen. Im vorliegenden Verfahren haben sich die Beteiligten am 19. September 2008 und 2. Oktober 2008 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 Übernahmegesetz der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (KABl. 2004 S. 48). Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Frau E war nach § 21 Abs. 2 i.V.m. § 38 Abs. 4 MVG.EKD durch die gerichtliche Entscheidung zu ersetzen. Zwar hat das Kirchengericht dem Begehren der Antragstellerin der Sache nach stattgeben wollen. Unter Anlegung des zutreffenden Maßstabes für die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen dafür gegeben sind, dass die Antragstellerin gegenüber dem Mitglied der beteiligten Mitarbeitervertretung eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB erklären darf. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Kirchengericht hat jedoch die von der Mitarbeitervertretung verweigerte Zustimmung nicht ersetzt. Es hat verkannt, dass für den Fall der nach § 626 BGB begründeten außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung nicht lediglich festzustellen ist, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund hatte, die Zustimmung zu verweigern, sondern dass gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 38 Abs. 4 MVG.EKD die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung durch die Entscheidung des Gerichts zu ersetzen ist, wenn die Mitarbeitervertretung diese nicht erteilt hat (VerwG.EKD v. 9. März 2000 - 0124/D32-99 - ZMV 2000, 132). Da die Voraussetzungen des § 626 BGB erfüllt sind, war die Zustimmung durch die vorliegende Entscheidung zu ersetzen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).