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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 22.03.2010 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/R44-09 |
Rechtsgrundlage: | AVR.DW.EKD § 12 Abs. 1, MVG.EKD § 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 2 |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der der Ev. Kirche von Westfalen, 2 M 105/08; Fundstelle: KuR 2/2010 |
Schlagworte: | Eingruppierung AVR.DW.EKD; grundsätzliche Bedeutung |
Leitsatz:
1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AVR.DW.EKD ist die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter „nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten“ eingruppiert. Die Tätigkeiten müssen „ausdrücklich übertragen“ worden sein (§ 12 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD). Welche Aufgaben auf welchem Niveau von einem Mitarbeitenden geschuldet werden, aber - umgekehrt - ihm übertragen worden sind, ergibt sich in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag. Er bildet den Rahmen. Ferner können - innerhalb dieses arbeitsvertraglichen Rahmens - Aufgaben auch durch oder im Rahmen von Aufgaben- oder Stellenbeschreibungen übertragen werden (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 AVR.DW.EKD).
2. Der Annahmegrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 2 MVG.EKD) entfällt, wenn die Rechtsfrage im Zeitpunkt der Entscheidung über die Annahme der Beschwerde geklärt ist.
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen, 2. Kammer in Münster (Westf.) vom 21. April 2009 - Az.: 2 M 105/08 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I. Die antragstellende Mitarbeitervertretung will festgestellt wissen, dass für sie ein Grund besteht, die Zustimmung zu der von der Dienststellenleitung für richtig gehaltenen Eingruppierung der Frau C in EGr 7 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD zu verweigern. Über den entsprechenden Zustimmungsantrag der Dienststellenleitung hat eine Erörterung stattgefunden. Die Erörterung wurde mit Schreiben vom 28. Mai 2008 ohne Ergebnis für beendet erklärt. Mit ihrem Schriftsatz vom 11. August 2008 hat die Mitarbeitervertretung die Schlichtungsstelle angerufen.
Frau C ist ausgebildete Erzieherin und seit 15 Jahren in der von der beteiligten Dienst¬stelle unterhaltenen Wohneinrichtung beschäftigt. Dort werden Menschen mit geistigen Behinderungen sowie mit vielfach weiteren Defiziten und Auffälligkeiten in mehre¬ren Wohngruppen betreut und gepflegt. Für die einzelne Wohngruppe ist jeweils ein Team gleichberechtigter Mitarbeitender zuständig. In einem Teil der Teams haben deren Mitglieder unterschiedliche Ausbildungsqualifikationen. Nach einer Stellenbeschreibung (Anlage zur Antragsschrift vom 11. August 2008) können Heilerziehungspfleger und -pflegerinnen, Heil-erziehungshelfer und -helferinnen, Krankenpfleger und -pflegerinnen, Erzieher und Erzieher-innen, Sozialarbeiter und -arbeiterinnen, Diplom-Sozialpädagogen und -sozialpädagoginnen, Heilpädagogen und -pädagoginnen, Diplom-Heilpädagogen und -pädagoginnen sowie Dip¬lom-Pädagogen und -Pädagoginnen Betreuer und Betreuerinnen einer Wohngruppe sein; alle leiten „in Gemeinschaft“ die Wohngruppe(n). Frau C ist speziell für drei Klienten mit unterschiedlichen Behinderungen zuständig. Wegen der Einzelheiten ihrer derzeitigen Auf-gabenstellung wird auf das erstinstanzliche Protokoll vom 21. April 2009 Bezug genommen.
Die Mitarbeitervertretung ist der Ansicht, sie habe einen Grund, die Zustimmung zur Eingruppierung der Frau C in EGr 7 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD zu verweigern, weil diese zutreffend in EGr 9, zumindest aber in EGr 8 eingruppiert sei.
Ihren entsprechenden Antrag hat die Vorinstanz durch den angefochtenen Beschluss vom 21. April 2009 zurückgewiesen. Auf seinen Inhalt wird Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, der Beschluss sei unrichtig. Deswegen und wegen grundsätzlicher Bedeutung sei die Beschwerde zur Entscheidung anzunehmen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift vom 1. September 2009 Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG.Westfalen (KABl.Westf. 2003, S. 404).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen die verfahrensbeendenden Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor.
3. Die Beschwerde war nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 1 MVG.EKD) anzunehmen.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht. (std. Rspr.: KGH.EKD 10. November 2008 - I-0124/P37-08 - ZMV 2009,S. 36; KGH.EKD 7. April 2008 - I-0124/P5-08 - ZMV 2009,S. 37; 21. April 2009 - I-0124/R10-09, www.ekd.de). Die Auffassung der Beschwerde, es genüge, wenn bei summarischer Prüfung die Unrichtigkeit der angefochtnen Entscheidung zumindest ähnlich wahrscheinlich erscheine wie deren Richtigkeit, findet im MVG.EKD keine Stütze.
b) Solche Zweifel liegen nicht vor. Vielmehr hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund bestanden hat, gem. § 41, § 42 Buchstabe c MVG.EKD ihre Zustimmung zur Eingruppierung der Frau C in EGr 7 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD zu verweigern, weil Frau C entgegen der Annahme der Mitarbeitervertretung weder in EGr 9 noch auch nur in EGr 8 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD eingruppiert ist.
aa) Zu Unrecht rügt die Beschwerde (unter Ziffer 2 der Begründungsschrift), die Vorinstanz habe einen bestimmten Sachverhalt hinsichtlich der beruflichen Anforderungen als unstreitig unterstellt, obwohl er streitig sei. Die Vorinstanz hat keinen Sachverhalt als unstreitig unterstellt, sondern eine rechtliche Wertung des Inhalts vorgenommen, dass die Tätigkeiten der Frau C „exakt dem Berufsbild entsprechen, wie es in den Berufsinformationen der Bundesanstalt für Arbeit niedergelegt ist“. Rechtliche Wertungen sind einer Beweisaufnahme nicht zugänglich. Die Heilerziehungspflegerin ist als Richtbeispiel in EGr 7 Teil A der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD aufgeführt: Es ist weder behauptet noch ersichtlich, dass auf Frau C ein Richtbeispiel der EGr 8 zutrifft.
bb) Die Vorinstanz hat ausgeführt, sie könne nicht nachvollziehen, dass die Tätigkeit der Frau C verglichen mit dem Anspruchsniveau einer Heilerziehungspflegerin schwierigere Aufgaben beinhalte, die in vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzt. Damit hat die Vorinstanz die Eingangsformel der EGr 8 Teil A sowie den dazu gehörenden Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD angewendet. Die Wertung der Beschwerdeführerin, wonach die von Frau C zu bewältigenden Aufgaben weder mit den im Rahmen einer Ausbildung zur Erzieherin zu erwerbenden Kenntnissen noch mit dem im Rahmen einer Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin vermittelten Wissen bewältigt werden können, lässt sich auch anhand der jetzt nochmals von der Beschwerde ins Feld geführten Unterlagen nicht nachvollziehen.
cc) Zutreffend weist die Beschwerde auf die abstrakte, an alle Mitarbeitenden, gleich welcher eingebrachten Qualifikation, nicht hierarchisch gegliederte Anforderungen stellende Stellenbeschreibung hin. Indessen lässt sich hieraus nicht herleiten, dass allen Mitarbeitenden deshalb (?) auch nur vergütungsrechtlich gleichwertige Aufgaben übertragen worden sind. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AVR.DW.EKD ist die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter „nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten“ eingruppiert. Die Tätigkeiten müssen „ausdrücklich übertragen“ worden sein (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AVR.DW.EKD). Welche Aufgaben auf welchem Niveau von einem Mitarbeiter geschuldet werden, aber - umgekehrt - ihm übertragen worden sind, ergibt sich in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag. Er bildet den Rahmen. Ferner können - innerhalb dieses arbeitsvertraglichen Rahmens - Aufgaben auch durch oder im Rahmen von Aufgaben- oder Stellenbeschreibungen übertragen werden. Frau C ist als Erzieherin, nicht aber als Sozialpädagogin angestellt worden. Dies bildet den äußeren vertraglichen Rahmen. Demgemäss hat die Vorinstanz auch nicht etwa angenommen, Frau C sei als Heilpädagogin angestellt worden, sondern nur erkannt, dass die ihr übertragenen Tätigkeiten dem Berufsbild einer Heilpädagogin entsprechen. Andererseits führt die vorliegende Stellenbeschreibung nicht etwa dazu, dass Frau C rechtswirksam Aufgaben übertragen worden wären, zu deren Erfüllung Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die Sozialarbeitern zu vermitteln sind, denn dies würde den arbeitsvertraglichen Rahmen sprengen.
4. Die Beschwerde war auch nicht nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 2 MVG.EKD zur Entscheidung anzunehmen.
a) Der Annahmegrund der grundsätzlichen Bedeutung bezieht sich nicht auf den Fall insgesamt, sondern auf die Rechtsfrage(n), die sich in dem Fall stellt (stellen) und beantwortet werden muss (müssen). Für den Annahmegrund „grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage“ (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 2 MVG.EKD) muss die Rechtsfrage so genau bezeichnet sein, dass sie grundsätzlich mit „Ja“ oder mit „Nein“ beantwortet werden kann (KGH.EKD, Beschluss vom 27. Januar 2010 - II-0124/P36-08, www.ekd.de).
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung dieser Rechtsfrage abhängt, diese klärungsbedürftig und klärungsfähig und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchliche oder diakonische Rechtsordnung ist (KGH.EKD 30. Juni 2006 - I-0124/M21-06 - ZMV 2006, S. 307; vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 63 Abs. 1 Buchstabe g MVG.EKD a.F.: KGH.EKD 19. Mai 2005 - II-0124/K40-04, ZMV 2006, S. 89). Die grundsätzliche Bedeutung entfällt, wenn die Rechtsfrage im Zeitpunkt der Entscheidung über die Annahme der Beschwerde geklärt ist (vgl. zu den insoweit vergleichbaren Vorschriften des §§ 72 und 72a ArbGG: BAG Beschluss vom 3. November 1982 - 4 AZN 420/82 - BAGE 40, 274 = EzA § 72a ArbGG 1979 Nummer 42).
b) Die Beschwerde genügt diesen Voraussetzungen nicht. Im Wesentlichen rekurriert sie auf das Verhältnis von Richtbeispiel zum Obersatz der Vergütungsgruppe, ohne allerdings die Rechtsfrage selbst zu formulieren und ohne deren Relevanz für die angefochtene Entscheidung aufzuzeigen. Zudem ist das von der Beschwerde formulierte Klärungsbedürfnis zumindest im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht (mehr) vorhanden. Das rechtliche Verhältnis der Richtbeispiele zu den Obersätzen der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD ist durch den Kirchengerichtshof der EKD grundsätzlich geklärt: Ist ein Richtbeispiel erfüllt, so kommt es auf die Obersätze derselben Entgeltgruppe nicht mehr an (vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 22. Juni 2009 - I-0124/P89-08, ZMV 2009, S. 260).
5. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob das MVG.EKD der Mitarbeitervertretung überhaupt eine rechtliche Position beimisst, aus der folgt, dass sie Anspruch auf die von ihr begehrte Feststellung haben kann oder ob sie insoweit auf § 47 Abs. 1 MVG.EKD verwiesen bleibt, wonach sie in den Fällen u.a. des § 42 MVG.EKD lediglich ein Vorschlagsrecht hat und - im Fall der Nichteinigung nach einem fruchtlosen Verfahren gem. § 47 Abs. 2 MVG.EKD - das Kirchengericht nach § 60 Abs. 7 MVG.EKD lediglich feststellen darf, ob die Weigerung der Dienststellenleitung, die von der Mitarbeitervertretung beantragte Maßnahme zu vollziehen, rechtwidrig ist. Selbst wenn die Mitarbeitervertretung nicht auf den Weg nach § 47, § 60 Abs. 7 MVG.EKD verwiesen wäre, erweist sich die angefochtene Entscheidung als zutreffend.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).