.
Kirchengericht: Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:26.04.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/R65-09
Rechtsgrundlage:AVR.DW.EKD EGr 9 und 10, Anm. 14 – schwierige Aufgaben
Vorinstanzen:Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, I/2-2008
Schlagworte:Eingruppierung Sozialarbeiter – schwierige Aufgaben
#

Leitsatz:

Ob die (geschuldeten) Tätigkeiten von „Sozialarbeiterinnen mit fachlich schwierigen Aufgaben“ (Richtbeispiel zu EGr 10 AVR.DW:EKD) oder solche Tätigkeiten sein sollen, die von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern die Leistung von „schwierigen (Anm. 14) verantwortlich wahrzunehmenden (Anm. 8) Aufgaben“ verlangt, kann nur dadurch geklärt werden, dass – unbeschadet der objektiven Darlegungs- und Substantiierungslast - Tatsachen vorgebracht werden, aus denen deutlich wird, dass und weshalb es sich im „schwierige“ und damit um höhere Anforderungen stellende Aufgaben handeln soll, als sie von Sozialarbeiterinnen der EGr 9 zu erfüllen sind.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Kirchengerichts - MVG- für Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes, Kammer für das Diakonische Werk Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland e.V. vom 23. Juni 2009 - Az.: I/2-2008 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten angesichts der infolge des Inkrafttretens der Neufassung der AVR.DW.EKD ab 1. Juni 2007 erforderlichen Eingruppierung darüber, ob acht Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in EGr 9 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD - so die Dienststellenleitung - oder in EGr 10 eingruppiert sind. Die Dienststelle betätigt sich auf verschiedenen Arbeitsfeldern der Diakonie. Sie vereinbart in ihren Arbeitsverträgen die Anwendung der AVR.DW.EKD in der jeweils gültigen Fassung. Für 36 von insgesamt 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zu deren Eingruppierung die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung angehört hat, meldete diese Erörterungsbedarf an. Nach mehreren Erörterungen und der Einholung einer Stellungnahme des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche in Mitteldeutschland vom 7. Februar 2008 versagte die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung zur Eingruppierung der hier in Rede stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren Schreiben vom 27. März 2008.
Ein Sozialarbeiter und zwei Sozialarbeiterinnen sind seit dem 1. Januar 2005 als „Sozialarbeiter Jugendarbeit“ angestellt worden. Auch sie waren bisher in Berufsgruppe A, Einzelgruppenplan 21, Vergütungsgruppe IVb, Fallgruppe 20 eingestuft.
Ein Sozialarbeiter und eine Sozialarbeiterin sind seit dem 1. Januar 2005 als „Sozialarbeiter Schuldnerberatung“ eingestellt; auch ihre Einstufung lautete: Berufsgruppe A, Einzelgruppenplan 21, Vergütungsgruppe IVb, Fallgruppe 20.
Eine Sozialarbeiterin ist ebenfalls ab 1. Januar 2005 eingestellt worden, und zwar als „Sozialarbeiterin Suchtberatung“. Auch sie war bisher in Berufsgruppe A, Einzelgruppenplan 21, Vergütungsgruppe IVb, Fallgruppe 20 eingestuft.
Ein Sozialarbeiter ist gemäß seinem schriftlichen Arbeitsvertrag seit 1. Januar 2005 als „Sozialarbeiter ambulant betreutes Wohnen“ eingestellt; er war bisher in Berufsgruppe A, Einzelgruppenplan 21, Vergütungsgruppe IVb, Fallgruppe 20 eingestuft. Gleichermaßen ist auch eine weitere Sozialarbeiterin eingestellt und eingestuft.
Die Dienststelle hat daraufhin das Kirchengericht angerufen. Sie meint unter Hinweis auf die Auskunft des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche in Mitteldeutschland, niemand von den genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe schwierige Aufgaben, wie es für die EGr 10 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD vorausgesetzt sei, zu erfüllen. Zutreffend sei die EGr 9. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens im ersten Rechtszug wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen vom 8. April und 29. April 2008 Bezug genommen.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund zur Verweigerung der Zustimmung zu der beabsichtigten Eingruppierung von acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jeweils in EGr 9 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD gehabt hat.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, den Antrag der Dienststellenleitung zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, jeder der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe Aufgaben i.S. d. der EGr 10 zu erfüllen. Dementsprechend seien sie in der VergGr IVb AVR.DW.EKD a.F. eingruppiert gewesen. Aus der Überleitungstabelle folge, dass die EGr 10 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD n.F. zutreffe. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens in der ersten Instanz wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 24. April und 23. Oktober 2008 Bezug genommen.
Das Kirchengericht hat dem Antrag der Dienststellenleitung durch den Beschluss der Kammer vom 23. Juni 2009 mit im Kern der Begründung stattgegeben, es sei auch nach den Ausführungen in den Stellungnahmen des Diakonischen Werkes der Ev. Kirchen in Mitteldeutschland nicht erkennbar, inwieweit schwierige Aufgaben i.S. der EGr 10 vorlägen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde. Sie trägt - teilweise bezogen auf den Einzelfall - und unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Kern vor: Zutreffend sei die EGr 10 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD. Alle acht Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter seien schon zuvor wegen der Schwierigkeit ihrer Aufgaben zutreffend in Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 20 eingruppiert gewesen. Auch jetzt übten sie unverändert schwierige Aufgaben aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift vom 21. September 2009 nebst Anlagen Bezug genommen.
Sie beantragt,
den Beschluss des Kirchengerichts - MVG- für Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes, Kammer für das Diakonische Werk Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland e.V. vom 23. Juni 2009 - Az.: I/2-2008 abzuändern und den Antrag der Dienststellenleitung zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 20. April 2010.
II. Die durch den Senatsbeschluss vom 6. April 2010 zur Entscheidung angenommene Beschwerde ist nicht begründet. Das Kirchengericht hat dem Sachantrag der Dienststellenleitung zurecht stattgegeben.
1. Es hat methodisch darauf abgestellt, ob hinreichende Tatsachen vorliegen, aus denen der Schluss zu ziehen ist, dass nicht nur Tätigkeiten i.S. der EGr 9 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD, sondern solche i.S. der EGr 10 übertragen worden sind. Dies hat es mit zutreffenden Erwägungen verneint. Auch das Vorbringen im Beschwerderechtszug gibt keinen Anlass, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.
2. In EGr 9 ist die „Sozialarbeiterin“ als Regelbeispiel aufgeführt. Der „Untersatz“ hierzu besagt, dass zu den im Obersatz genannten „Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Tätigkeiten, die anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse voraussetzen“, solche mit „1. verantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben (Anmerkung 8) in den Tätigkeitsbereichen a. Pflege / Betreuung / Erziehung, Beratung / Therapie / Seelsorge gehören“. In EGr 10 findet sich b. die „Sozialarbeiterin mit fachlich schwierigen Aufgaben“. Der „Untersatz“ der EGr 10 besagt, dass dazu Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit schwierigen (Anmerkung 14) verantwortlich wahrzunehmenden (Anmerkung 8) Aufgaben … gehören“.
a) Welche Voraussetzungen für „verantwortlich wahrzunehmende Aufgaben“ erfüllt sein müssen, bestimmt die Anmerkung 8 zur Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD. Diese Voraussetzungen sind - hierüber streiten die Beteiligten auch nicht - als erfüllt anzusehen. Die Anmerkung 8 gilt für beide in Rede stehenden Entgeltgruppen gleichermaßen.
b) Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Entgeltgruppen liegt nur darin, ob fachlich schwierige Aufgaben zu erfüllen sind. Was unter „schwierigen Aufgaben“ zu verstehen ist, definiert die Anmerkung 14 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD wie folgt: „Schwierige Aufgaben weisen fachliche, organisatorische, rechtliche oder technische Besonderheiten auf, die vertiefte Überlegung und besondere Sorgfalt erfordern“.
c) Zur Ermittlung, ob fachlich schwierige (Richtbeispiel) oder allgemein schwierige (Anmerkung 14) Aufgaben zu erfüllen sind, ist es erforderlich, die „Normalaufgaben“ mit den (fachlich) schwierigen Aufgaben zu vergleichen. Denn der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe lässt sich nicht „absolut“ feststellen, sondern immer nur durch einen Vergleich der schwierigen Aufgabe mit der nicht schwierigen Aufgabe. Das gilt auch im Bereich der Anmerkung 14 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD. Diese Anmerkung beschreibt keine Methode zur Ermittlung, ob schwierige Aufgaben vorliegen, sondern nur den Kreis der Kriterien, die anzuwenden sind. Um feststellen zu können, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist eine nur wertende Beschreibung nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es hinreichend substantiierten Tatsachenvortrages, der erhellt, was „normale“ Aufgaben sind und aufgrund welcher Tatsachen die konkret übertragenen Aufgaben als „schwierig“ zu qualifizieren sind. Durch entsprechenden Tatsachenvortrag ist deutlich zu machen, worin der entscheidende Unterschied hinsichtlich des Grades der Schwierigkeit besteht (vgl. schon KGH.EKD, Beschluss vom 8. Dezember 2008 - II-0124/P52-08 - z.V.v., www.ekd.de).
d) Solcher Sachvortrag ist im ersten Rechtszug nicht erbracht worden. Die Vorinstanz war auch nicht etwa aufgrund der im Beschlussverfahren herrschenden Amtsmaxime gehalten, über den Grad der Schwierigkeit von Amts wegen Nachforschungen anzustellen oder gar eine Beweisaufnahme auch nur vorzubereiten. Die Erforschung des Sachverhalts erfolgt nur, soweit der Sachvortrag, nicht aber dessen rechtliche Bewertung durch die Verfahrensbeteiligten, hierzu Anlass gibt. Solcher Anlass bestand und besteht im vorliegenden Fall nicht. Die umfangreichen Anlagen, die beide Seiten eingereicht haben, waren und sind nicht geeignet, hieraus Tatsachen zu entnehmen, aus denen folgt, dass die Voraussetzungen der Anmerkung 14 oder der „Sozialpädagogin / Sozialarbeiterin mit fachlich schwierigen Aufgaben“ (Richtbeispiel in EGr 10) in dem jeweils vorliegenden Einzelfall erfüllt sind.
de Die Beschwerde zeigt auch sonst nicht auf, dass der Feststellungsantrag der Dienststellenleitung als unbegründet zurückzuweisen wäre. Der Vortrag der Beschwerde besteht im Wesentlichen darin, mit vielen starken Worten lediglich zu behaupten, dass die Voraussetzungen der EGr 10 vorlägen. Sie enthält indessen keine Tatsachen, aus denen zu schließen sein könnte, dass und weshalb die jeweils übertragene Tätigkeiten solche eines Sozialarbeiters oder einer Sozialarbeiterinnen mit fachlich schwierigen Aufgaben (Richtbeispiel zu EGr 10 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD) oder solche sein sollen, die von jedem und jedem der in Rede stehenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter auf ihrem Feld die Leistung von „schwierigen (Anmerkung 14) verantwortlich wahrzunehmenden (Anmerkung 8) Aufgaben“ verlangt.
f) Der Hinweis auf die vorherige Eingruppierung ist unbehelflich. Die Übergangsregelung zu § 12 AVR.DW.EKD erfordert eine neue Eingruppierung. Die sogenannte Überleitungstabelle ersetzt dies nicht, sie gibt aber auch keine zwingenden Anleitungen, denn sie ist rechtlich unverbindlich. Zudem unterscheiden sich die Anforderungssystematiken der AVR.DW.EKD alter Fassung von denen der jetzt anzuwendenden neuen Fassung.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).