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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:28.11.2011
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/T18-11
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 30 Abs. 2 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
Vorinstanzen:Gemeinsame Schlichtungsstelle der Ev. Rheinland und des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche im Rheinland, 1 GS 194/2008
Schlagworte:Kostentragung für rechtsanwaltliche Verfahrensvertretung
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Leitsatz:

1. Die Kosten eines von der Mitarbeitervertretung als Verfahrensbevollmächtigten herangezogenen Rechtsanwalts sind gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD dem Grunde nach von der Dienststelle nur zu tragen, wenn und soweit diese Heranziehung erforderlich war (st. Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs der EKD (vormals des Verwaltungsgerichts der EKD), Beschluss vom 10. Juli 1997 - 0124/A16-96 - NZA 1997, 1303).
2. Die Erforderlichkeit muss gerade für das jeweilige gerichtliche Verfahren gegeben sein. Werden nacheinander mehrere Verfahren anhängig gemacht, die einen strukturell gleichen Gegenstand betreffend, so ist grundsätzlich nicht für alle Verfahren die sofortige rechtsanwaltliche Vertretung vom Beginn jedes Verfahrens an erforderlich. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Mitarbeitervertretung aufgrund der zuvor anhängig gemachten Streitverfahren in der Lage ist, die Antragsschrift im Wesentlichen selbst zu formulieren. Dann kann sich die Erforderlichkeit rechtsanwaltlicher Vertretung in einem später anhängig gemachten Verfahren ggf. erst ergeben, wenn feststeht, dass das Verfahren streitig durchgeführt werden muss, weil die strittige Frage nicht bereits in einem anderen, zeitlich vorangehenden Verfahren entschieden worden ist.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche im Rheinland vom 26. April 2011 - Az. 1 GS 194/2008 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dienststelle die Kosten zu tragen hat, die dadurch entstanden sind, dass die Mitarbeitervertretung sich im vorangegangenen mitarbeitervertretungsrechtlichen Rechtsstreit durch Rechtsanwalt B hat vertreten lassen. Die antragstellende Mitarbeitervertretung hatte am 16. Juli 2008 durch Rechtsanwalt B ein Beschlussverfahren mit dem Antrag eingeleitet festzustellen, dass die Dienststellenleitung das Beteiligungsrecht der Antragstellerin verletze, indem sie die bei einer Tochtergesellschaft der Dienststelle angestellte Frau D beschäftige. Frau D hat mit der Dienststellenleitung keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Das Verfahren wurde im Hinblick auf weitere, bereits anhängige gleichgelagerte Verfahren zwischen den hier Verfahrensbeteiligten ruhend gestellt und später wegen der Beendigung der Tätigkeit infolge Fristablaufs für erledigt erklärt.
Im vorliegenden Verfahren hat die Mitarbeitervertretung die Ansicht vertreten, die Hinzuziehung rechtsanwaltlichen Beistandes sei erforderlich gewesen.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist, die Anwaltskosten der Antragstellerin zu tragen.
Die Dienststellenleitung hat die Abweisung des Antrags beantragt und geltend gemacht, die Hinzuziehung des Rechtsanwalts im vorliegenden Verfahren sei nicht erforderlich gewesen, weil die Antragstellerin rechtsanwaltlichen Beistand bereits in einer Reihe vorheriger gleichgelagerter Verfahren hinzugezogen habe.
Die Vorinstanz hat das Begehren durch Beschluss der Kammervorsitzenden mit der Begründung zurückgewiesen, es sei angesichts dessen, dass zahlreiche Verfahren gleicher Struktur bereits bei Einleitung des Verfahrens anhängig gemacht worden seien, nicht erforderlich gewesen, im vorliegenden Verfahren von Anfang an rechtsanwaltlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Die Antragstellerin selbst hätte das Verfahren einleiten und später entscheiden können, welches der Verfahren als Musterverfahren hätte durchgeführt werden sollen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde. Sie verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 16. Mai 2011 Bezug genommen.
Die Dienststellenleitung beantragt, die Beschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen; auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 15. Juli und 15. November 2011 wird Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 MVG.EKiR (KABl. 2005, S. 142).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann.
3. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor, vor allem nicht die zu § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 10. März 2011 - I-0124/S62-10 - ZMV 2011, 213). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird. Die Gründe, aus denen sich die ernstlichen Zweifel an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung ergeben sollen, müssen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist schriftsätzlich vorgetragen worden sein.
b) Der angefochtene Beschluss erweist sich als zutreffend. Die Kosten eines von der Mitarbeitervertretung als Verfahrensbevollmächtigten herangezogenen Rechtsanwalts sind gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD dem Grunde nach von der Dienststelle nur zu tragen, wenn und soweit diese Heranziehung erforderlich war (st. Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs der EKD (vormals des Verwaltungsgerichts der EKD), Beschluss vom 10. Juli 1997 - 0124/A16-96 - NZA 1997, 1303). Die Erforderlichkeit muss gerade für das jeweilige gerichtliche Verfahren gegeben sein. Werden nacheinander mehrere Verfahren anhängig gemacht, die einen strukturell gleichen Gegenstand betreffen, so ist grundsätzlich nicht für alle Verfahren die sofortige rechtsanwaltliche Vertretung vom Beginn jedes Verfahrens an erforderlich. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Mitarbeitervertretung aufgrund der zuvor anhängig gemachten Streitverfahren in der Lage ist, die Antragsschrift im Wesentlichen selbst zu formulieren. Dann kann sich die Erforderlichkeit rechtsanwaltlicher Vertretung in einem später anhängig gemachten Verfahren ggf. erst ergeben, wenn feststeht, dass das Verfahren streitig durchgeführt werden muss, weil die strittige Frage nicht bereits in einem anderen, zeitlich vorangehenden Verfahren entschieden werden wird oder entschieden worden ist.
c) Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD hier nicht erfüllt. Dies hat die Vorinstanz richtig und mit zutreffenden Gründen erkannt. Auch unter Wahrung des der Mitarbeitervertretung hinsichtlich der Erforderlichkeit der Inanspruchnahme rechtsanwaltlichen Verfahrensbeistandes zustehenden Beurteilungsspielraumes durfte sie nicht annehmen, es sei erforderlich gewesen, auch für das hier vorliegende Verfahren von Anfang an rechtsanwaltlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Zwischen den Beteiligten schwebten bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens bereits eine Reihe gleichgelagerter Verfahren, in denen sich die Mitarbeitervertretung rechtsanwaltlichen Beistandes bediente. In einer solchen Situation war es auch für die Mitarbeitervertretung naheliegend, sich zunächst auf die Durchführung eines oder ggf. zwei der zuvor von ihr anhängig gemachten Verfahren als Musterverfahren zu konzentrieren und erst dann, wenn diese Verfahren erledigt sind zu entscheiden, ob sie das vorliegende Verfahren auch noch durchführen wolle und ob sie angesichts der vorangegangenen Verfahren dann noch rechtsanwaltlichen Beistand im vorliegenden Verfahren für erforderlich halten dürfe.
d) Dies hat die Vorinstanz richtig erkannt. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerde schlagen nicht durch. Werden eine Reihe gleichgelagerter Verfahren von der Mitarbeitervertretung initiiert, so folgt nicht schon daraus die Erforderlichkeit, sich in jedem dieser Verfahren von Anfang an rechtsanwaltlich vertreten zu lassen. Das heißt nicht, dass die Mitarbeitervertretung auf Erkenntnisse zurückgreifen müsse, die mangels Durchführung oder Beendigung eines vorangegangenen Verfahrens noch nicht vorliegen können. Vielmehr ist die Mitarbeitervertretung nur gehalten, ihre Entscheidung über die Inanspruchnahme rechtsanwaltlichen Beistandes erst dann zu treffen, wenn die Notwendigkeit, das später anhängig gemachte Verfahren durchzuführen und dafür rechtsanwaltlichen Beistand in Anspruch nehmen zu müssen, deutlich zu Tage getreten ist, z.B. weil kein vorgegangenes Verfahren zu einer hinreichenden rechtlichen Klärung geführt hat.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).