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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:29.04.2011
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/S74-10
Rechtsgrundlage:AVR.DW.EKD, Anlage 1 zu § 12, Anmerkung 10, 11 und 14
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.), 2 M 115/09
Schlagworte:Eingruppierung Ganztagsbetreuung
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Leitsatz:

Unter die Leitungsaufgaben i.S.d. Anmerkung 11 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD fällt nicht nur die volle Verantwortung für einen der vier in Anmerkung 10 genannten Verantwortungsbereiche, sondern auch die Konstellation, dass die übertragenen Leitungsaufgaben einen geringeren Verantwortungsgrad erfordern, als den der vollen Verantwortung.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitar-beitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - vom 8. November 2010 - Az.: 2 M 115/09 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mitarbeitervertretung einen Grund hat, ihre Zu-stimmung zur Eingruppierung der Erzieherin Frau D in die Entgeltgruppe 7 Teil A Nr. 1 Buchstabe a. (kurz: EG 7 A 1 a) der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD zu verweigern.
Die Dienststelle betreibt in einem Wohngebiet mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Familien und einem überdurchschnittlichen Anteil von Familien mit Migrationshintergrund einen sog. "offenen Ganztag", der die Aufgabe hat, etwa 50 Grundschüler und Grundschüle-rinnen im Alter von sechs bis zehn Jahren vor und nach dem Schulunterricht, an unterrichts-freien Tagen und in den Schulferien zu betreuen und zu fördern. Die Kinder stammen vor-wiegend aus dem interkulturellen Milieu. In dem sog. "Ganztag" sind die Erzieherin D, eine Kinderpflegerin sowie als Stundenkräfte drei pädagogische Mitarbeiterinnen und eine Haus-wirtschaftskraft eingesetzt. Zusätzlich arbeiten dort je nach Bedarf Kursleiter. Frau D ist die maßgebliche Ansprechpartnerin des Teams.
Die Dienststellenleitung hat die der Frau D ausdrücklich übertragenen Aufgaben stichwortartig wie folgt dargestellt:
- Planung und Durchführung der Angebote (Regelangebote wie z.B. Hausaufgabenhilfe, Entspannungsübungen, Freizeitangebote, Elternabende usw.)
- Planen und Durchführen von Elterngesprächen
- Kooperation mit den Lehrenden der Schule
- Teilnahme an verschiedenen Arbeitskreisen und Gremien (z.B. Qualitätszirkel, Stadt-teilgespräche, Steuerungsgruppe)
- Moderation der Teambesprechungen
- Ansprechpartnerin für externe und interne Stellen
- Vermittlung von Fachdiensten
- Budgetverwaltung im abgesprochenen Rahmen (Handkasse führen, Essengeld an-nehmen und quittieren)
- Einkauf von Lebensmitteln und sonstigen Materialien
- Mitwirkung an der konzeptionellen Ausrichtung der offenen Ganztagsangebotes.
Die Dienststellenleitung hält die Eingruppierung in die EG 7 A 1 a AVR.DW.EKD für zutref-fend und hat die Mitarbeitervertretung um deren Zustimmung gebeten. Diese hat fristgemäß die Erörterung beantragt und die Erörterung mit ihrem Schreiben vom 10. Februar 2009 für beendet erklärt.
Die Dienststellenleitung hat die Schlichtungsstelle angerufen. Sie meint, die Aufgaben, die sie Frau D übertragen habe, seien für die Tätigkeit einer Erzieherin typisch und gingen nicht hierüber hinaus. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Dienststel-lenleitung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 10. Dezember 2009 und 6. April 2010 Bezug genommen.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zu-stimmung zur beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterin Frau D in EG 7 A 1 a AVR.DW.EKD besteht.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, die EG 8 A 1 a AVR.DW.EKD treffe zu; Frau D habe schwierige Aufgaben i.S. der Anmerkung 14 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD zu erfül-len. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Mitarbeitervertretung wird auf deren Schriftsätze vom 3. März und 5. November 2010 Bezug genommen.
Die Vorinstanz hat durch den angefochtenen Beschluss vom 8. November 2010 den Antrag zurückgewiesen. Sie hat dahinstehen lassen, ob die Eingruppierungsmerkmale der EG 8 A 1 AVR.DW.EKD vorliegen, jedoch hervorgehoben, dass Frau D Leitungsaufgaben i.S. der EG 8 B oblägen.
Hiergegen wendet sich die Dienststellenleitung mit ihrer Beschwerde. Sie hält die angefoch-tene Entscheidung für unrichtig, weil Frau D weder Leitungsaufgaben (Anmerkung 11) noch schwierige Aufgaben (Anmerkung 14) oblägen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schrift-sätze der Dienststellenleitung vom 9. Dezember 2010 und 24. Januar 2011 nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund ge-geben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG.Westfalen (KABl. 2003, S. 404).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kir-chengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlus-ses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Ent-scheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegen vor, insbesondere nicht der Annahmegrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Ent-scheidung (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD).
3. Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Be-schlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrschein-lichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen ge-setzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 12. April 2010 - I-0124/S13-10 - ZMV 2010, 264). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird.
4. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Beschwerde zur Entscheidung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD sind hier nicht gegeben. Vielmehr trifft die Entscheidung der Vorinstanz zu. Frau D ist in EG 8 Teil B Nr. 1 a AVR.DW.EKD eingruppiert.
a) Diese Bestimmung lautet:
"B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Entgeltgruppe 7
1. mit eigenständiger Wahrnehmung von Aufgaben (Anm. 6) und Leitungsaufgaben (Anm. 11) in den Tätigkeitsbereichen
a) Pflege / Betreuung / Erziehung,
b)…".
b) Unter den Beteiligten ist nicht streitig, dass Frau D eine Mitarbeiterin der EG 7 ist und dass sie i.S. der Anmerkung 6 eigenständige Aufgaben wahrzunehmen hat. Streitig ist dage-gen u.a., ob Frau D Leitungsaufgaben (Anmerkung 11 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD) ob-liegen oder ob sie schwierige Aufgaben (Anmerkung 14) wahrzunehmen hat:
"Leitungsaufgaben werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neben ihrer Tätigkeit ausdrücklich übertragen und umfassen nicht alle der in der Anmerkung 10 beschrie-benen Aspekte der Leitung" (Anmerkung 11 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD).
Die in Bezug genommene Anmerkung 10 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD lautet:
"Leitung umfasst die fachliche, personelle, organisatorische und wirtschaftliche Ver-antwortung für eine Organisationseinheit".
Was unter "Aspekte" der Leitung zu verstehen ist, ist in den AVR.DW.EKD nicht definiert. Es kann sich dabei um die gegenständlichen Leitungsaufgaben handeln, wie sie in Anmerkung 10. aufgezählt sind. Dann müsste die uneingeschränkte Leitungsverantwortung zumindest in fachlicher oder in personeller, organisatorischer oder wirtschaftlicher Verantwortung übertra-gen worden sein. Es kann sich aber auch um eine Leitungsaufgabe geringerer Qualität als der "vollen" Verantwortung handeln, sodass es genügt, wenn überhaupt eine Leitungsaufgabe übertragen worden ist, mögen die qualitativen Verantwortungsaspekte auch geringer aus-fallen. Betrachtet man die einzelnen Entgeltgruppen, in denen die in Anmerkung 11 be-schriebenen Leitungsaufgaben vorausgesetzt werden, unter Berücksichtigung der dort zu-geordneten Richtbeispiele, spricht Erhebliches dafür, dass unter die Anmerkung 11 nicht nur die volle Verantwortung für einen der vier in Anmerkung 10 genannten Verantwortungsberei-che fällt, sondern auch die Konstellation, dass die übertragenen Leitungsaufgaben einen geringeren Verantwortungsgrad erfordern, als den der vollen Verantwortung.
c) Hieran gemessen, sind die Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD nicht gegeben.
aa) Die Vorinstanz ist zu dem Ergebnis gelangt, Frau D habe Leitungsaufgaben i.S. der Anmerkung 11 zu erfüllen, und hat dies mit knappen Worten begründet. Das hiergegen ge-richtete Vorbringen der beschwerdeführenden Dienststellenleitung stellt immer wieder darauf ab, dass die Letztverantwortung nicht bei Frau D liege, sondern bei der - nicht vor Ort tätigen - Frau E. Dabei zeigt die Beschwerde auf, dass Frau D für keinen Teil der in Anmerkung 10 aufgezählten vier Leitungsaufgaben die volle Verantwortung trage. Eine solche Letztverant-wortung ist indessen für eine Leitungsaufgabe i.S. der Anmerkung 11 auch nicht gefordert.
bb) Geht man vom unter b) der Gründe erläuterten Begriff der Leitungsaufgabe aus, so lässt das Vorbringen der Beschwerde zwar eine andere rechtliche Bewertung der Tätigkeiten, die Frau D übertragen worden sind, als möglich erscheinen, nicht aber als überwiegend wahrscheinlich. Zumindest ein großer Teil der einzeln aufgeführten Aufgaben, die Frau D nach der Darstellung der Dienststellenleitung und nach der im ersten Rechtszug unwider-sprochen gebliebenen Darstellung der Mitarbeitervertretung (vgl. angefochtenen Beschluss S. 4, vorletzter Absatz) übertragen worden sind, lassen sich als Leitungsaufgaben i.S. der Anmerkung 11 Anlage 1 zu § 12 AVRDW.EKD einordnen.
cc) Der Hinweis auf den Beschluss der Schlichtungsstelle vom 29. April 2010 - Az.: 2 M 114/09 - führt nicht zur Annahme der vorliegenden Beschwerde zur Entscheidung. Dieser Beschluss ist - hiervon geht auch die Beschwerde aus - keine divergenzfähige Entscheidung i.S. des § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 MVG.EKD. Die mitgeteilten Sachverhalte jenes Falles und des vorliegenden Falles unterscheiden sich. Schon deshalb kann eine unterschiedliche rechtliche Bewertung der beiden Fälle durch dieselbe Schlichtungsstelle nicht zwingend als widersprüchlich angesehen werden.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).