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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:28.04.2011
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/S80-10
Rechtsgrundlage:AVR.DW.EKD ,Anlage 1 zu § 12; EG 7, 8, Anmerkung 14
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.), 2 M 19/10
Schlagworte:Eingruppierung im Gerontopsychiatrischen Zentrum
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Leitsatz:

1. Ob Besonderheiten i.S. der Anmerkung 14 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD vorliegen, ist anhand eines Vergleichs mit dem "Normalbild" einer einschlägig ausgebildeten Fachkraft zu ermitteln. Dabei sind die Tatsachen, die den Normalfall kennzeichnen, aufzuzeigen. Mit ihnen sind die Tatsachen zu vergleichen, aus denen sich die Besonderheit ergeben soll; das Angebot eines Sachverständigengutachtens an Stelle eines Tatsachenvortrags ist unzureichend (Bestätigung von KGH.EKD, Beschluss vom 12. April 2010 - I-0124/R34-09 - www.ekd.de).
2. Für das Eingruppiertsein kommt es auf die Ausbildung des Mitarbeiters nicht an, sondern darauf, welche Tätigkeiten ihm übertragen worden sind

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - vom 8. November 2010 - Az.: 2 M 19/10 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Dienststellenleitung betreibt ein von ihr so bezeichnetes Gerontopsychiatrisches Dienstleistungszentrum und "Wohnort für Menschen mit fortgeschrittener Demenz" mit etwa 109 Bewohnern und 150 Mitarbeitenden. Die Dienststellenleitung hält die Eingruppierung des Mitarbeiters C in die Entgeltgruppe 7 Teil A Nr. 1 Buchstabe a. Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD (kurz: EG 7 A 1 a AVR.DW.EKD) für zutreffend, die Mitarbeitervertretung dagegen die in EG 8 A 1 a AVR.DW.EKD.
Herr C ist diplomierter Sozialpädagoge (Erziehungswissenschaft). Er gehört dem begleitenden Dienst der Einrichtung an. Zusammen mit einer Kollegin - sie ist gelernte Schneiderin - ist er für das gesamte Aktivierungsprogramm (sog. "Animation") der Bewohner zuständig. Ihm obliegen die Organisation und (teilweise) Durchführung von Singkreisen, Musikveranstaltungen, Festen und Entspannungsübungen; er hat den Bewohnern positive sinnliche Erfahrungen zu vermitteln. Dies geschieht nach einem festen Plan. Seine Kollegin und er betreuen jeweils "ihren" Bereich bzw. "ihre" Klientel.
Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag die AVR.DW.EKD in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die AVR.DW.EKD wurden mit Wirkung ab 1. Juli 2007 neu gefasst. Die Dienststellenleitung hat aus diesem Anlass die Mitarbeitervertretung zur Eingruppierung des Mitarbeiters C in EG 7 A 1 a Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD angehört. Die Mitarbeitervertretung hat die Erörterung verlangt und diese mit ihrem Schreiben vom 15. Dezember 2009 für beendet erklärt. Die Dienststelle hat am 10. März 2010 das vorliegende Verfahren eingeleitet. Sie hält die von ihr vorgesehene Eingruppierung für zutreffend und meint, der Umstand, dass die Bewohner und Bewohnerinnen der Einrichtung weit überwiegend demenzkrank seien und deshalb eine auf sie zugeschnittene Pflege und Betreuung erforderten, habe nicht zur Folge, dass die Tätigkeit als "schwierige Aufgabe" i.S. der EG 8 i.V.m. Anmerkung 14 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD einzuordnen sei. Herr C sei im Hinblick auf seine Ausbildung für die ihm vertragsgemäß übertragenen Aufgaben überqualifiziert. Wegen der Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin nebst Anlagen vom 4. März 2010 Bezug genommen.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung des Mitarbeiters C in die EG 7 A 1 a AVR.DW.EKD besteht.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie meint, an die Tätigkeit des Herrn C würden wegen des hohen Anteils demenzerkrankter Bewohner und Bewohnerinnen in der Einrichtung Anforderungen i.S. der EG 8 A 1 a VR.DW.EKD gestellt. Dies erhelle sich auch aus den Werbe- und Selbstdarstellungsunterlagen der Einrichtung. Ergänzend wird auf ihren Schriftsatz vom 1. April 2010 Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag der Dienststellenleitung durch ihren Beschluss vom 8. November 2010 stattgegeben. Gegen ihn wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde.
Sie hält die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD für geboten und macht geltend, die übertragene Tätigkeit falle unter die EG 8 A 1 a AVR.DW.EKD. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Mitarbeitervertretung vom 27. Dezember 2010, 28. Januar und 28. Februar 2011 Bezug genommen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den angefochtenen Beschluss abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG.Westfalen (KABl. 2003, S. 404).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keiner dieser Gründe liegt vor.
3. Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 12. April 2010 - I-0124/S13-10 - ZMV 2010, 264). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird.
4. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund hat, ihre Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters C in EG 7 A 1 a Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD zu verweigern.
Die ihm übertragene Tätigkeit erfüllt die Merkmale von der Mitarbeitervertretung als zutreffend bezeichneten Eingruppierungsmerkmale der EG 8 A 1 a Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD nicht.
a) Diese Bestimmung lautet in dem hier interessierenden Zusammenhang:
"Entgeltgruppe 8 (Anm. 6, 7, 10, 11, 14)
A. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen
Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit
1. eigenständiger Wahrnehmung (Anm. 6) von schwierigen (Anm. 14) Aufgaben in den Tätigkeitsbereichen
a) Pflege/Betreuung/Erziehung
b) .…
Richtbeispiele:
..., Erzieherin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen,
Heilerziehungspflegerin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen,
...
Anmerkungen:
(6) Die eigenständig wahrgenommenen Aufgaben der Entgeltgruppe 7 und 8 setzen Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraus, die i.d.R. durch eine dreijährige Fachschulausbildung, aber auch anderweitig erworben werden können. Eigenständig wahrgenommen bedeutet, dass für die Erledigung der übertragenen Aufgaben Entscheidungen über Mittel und Wege zur Erreichung von Arbeitsergebnissen selbst getroffen werden. Die Aufgaben, die im Klientenbezug weitergehende emotionale und soziale Kompetenz erfordern, beinhalten Tätigkeiten, die in verschiedenen Arbeitssituationen in unterschiedlichem Maße anfallen und wechselnde Anforderungen stellen.
(14) Schwierige Aufgaben weisen fachliche, organisatorische, rechtliche oder technische Besonderheiten auf, die vertiefte Überlegung und besondere Sorgfalt erfordern."
b) Die Voraussetzung der eigenständigen Wahrnehmung (Anmerkung 6) von Aufgaben ist gegeben. Sie stellt jedoch im vorliegend relevanten Zusammenhang kein Unterscheidungsmerkmal (Kriterium) zur EG 7 dar, sondern wird für beide Entgeltgruppen gleichermaßen vorausgesetzt. Dies gilt nicht zuletzt auch für die in Anmerkung 6 im letzten Satz beschriebenen Aufgaben. Solche Aufgaben mögen in einem gerontopsychiatrischen Zentrum im Vergleich zu einer Einrichtung ohne die hier vorliegende Konzentration auf demenzerkrankte alte Menschen verstärkt und verdichtet anfallen. Allein dieser Umstand führt jedoch nicht zum Eingruppiertsein in EG 8.
c) Die Voraussetzungen der Anmerkung 14 sind, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, nicht gegeben. Die "schwierigen Aufgaben" i.S. dieser Anmerkung weisen fachliche, organisatorische, rechtliche oder technische Besonderheiten auf, die vertiefte Überlegung und besondere Sorgfalt erfordern. Ob Besonderheiten i.S. der Anmerkung 14 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD vorliegen, ist anhand eines Vergleichs mit dem "Normalbild" einer einschlägig ausgebildeten Fachkraft zu ermitteln. Dabei sind die Tatsachen, die den Normalfall kennzeichnen aufzuzeigen. Mit ihnen sind die Tatsachen zu vergleichen, aus denen sich die Besonderheit ergeben soll. Das Angebot eines Sachverständigengutachtens an Stelle eines Tatsachenvortrags ist unzureichend (vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 12. April 2010 - I-0124/R34-09 - www.ekd.de).
Solche Besonderheiten liegen nach dem von den Beteiligten mitgeteilten Tatsachenvortrag nicht vor. Die von der Mitarbeitervertretung vorgebrachte rechtliche Bewertung ist nicht zu teilen. Sie läuft im Ergebnis darauf hinaus, aus der Häufung und Schwere von Demenzerkrankungen der in der Einrichtung wohnenden Menschen, auf "schwierige Aufgaben" zu schließen. Dabei wird übersehen, dass gerade auch die Pflege und - als Teil der Pflege - auch die "Animation" von altersdementen Menschen zum normalen Berufsbild des Altenpflegers gehört. Die Konzentration altersdementer Menschen hat als solche keine "fachliche", auch keine "organisatorische" Besonderheit für das Pflegepersonal zur Folge. Die Häufung altersdementer Menschen in der Einrichtung kann an die emotionale Stabilität und die charakterliche Festigkeit der pflegenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besondere Anforderungen stellen, die in einem von nur wenigen oder geringer demenzerkrankten Menschen bewohnten Pflegeheim nicht in dieser Häufung und Schwere vorkommen. Das aber wird im Vergütungssystem der AVR.DW.EKD nicht berücksichtigt.
d) Es ist auch nicht an Tatsachen dafür vorgetragen, dass die dem Mitarbeiter C übertragene Tätigkeit im Gerontopsychiatrischen Zentrum vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten (EG 8 A Eingangssatz Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD) erfordere. Dem in der Beschwerde vorgebrachten Beweisangebot "Sachverständigengutachten" war nicht nachzugehen, weil dies angesichts des im rein Tatsächlichen nur sehr marginalen Tatsachenvorbringen einem Ausforschungsbeweis nahe käme, der an die Stelle der gebotenen rechtlichen Subsumtion träte. Die wesentliche Argumentationsgrundlage der Mitarbeitervertretung besteht in der ständigen Wiederholung, dass in der Einrichtung weit überwiegend altersdemente Menschen zu pflegen sind. Das aber ist rein tatsächlich unstreitig. Weshalb sich daraus aber die Eingruppierung in EG 8 A 1 a Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD ergeben soll, ist eine davon zu trennende rechtliche Frage.
e) Es kann dahin stehen, inwieweit für die Tatsachenfeststellung bei der Eingruppierung auf Werbeunterlagen der Einrichtung zurückgegriffen werden kann und darf. Selbst wenn man dies zu Gunsten der Mitarbeitervertretung als rechtlich möglich unterstellt, ergibt sich hieraus nichts für deren Auffassung, dass besondere Schwierigkeiten i.S. der Anmerkung 14 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD vorliegen, oder dass für die übertragene Tätigkeit "vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten" (EG 8 A Eingangssatz AVR.DW.EKD) erforderlich seien. Gemessen an der herkömmlichen Ausbildung zum Beruf der Altenpflege wäre der Hinweis auf "speziell geschultes Pflegepersonal" in der Werbebroschüre nur dann widersprüchlich zur Auffassung der Dienststellenleitung, wenn damit eine andere oder speziellere Schulung gemeint wäre, als sie in der Ausbildung zur Altenpflegerin erfolgt. Das aber ist der Broschüre nicht zu entnehmen.
d) Für das Eingruppiertsein kommt es auf die Ausbildung des Mitarbeiters nicht an, sondern darauf, welche Tätigkeiten ihm übertragen worden sind. Dies zeigt § 12 Abs. 3 Satz 1 AVR.DW.EKD: "Für die Eingruppierung ist nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters maßgebend". Es mag sehr wahrscheinlich sein, dass der Mitarbeiter C für die ihm übertragene Tätigkeit formal überqualifiziert ist. Das ändert jedoch nichts daran, dass für sein Eingruppiertsein die ihm übertragenen Tätigkeit maßgeblich ist. Ihm ist eine Tätigkeit übertragen worden, die gleichermaßen von seiner zur Schneiderin ausgebildeten Kollegin auszuüben ist. Aus dem Umstand, dass der Mitarbeiter C einen Universitätsabschluss - Diplom "Erziehungswissenschaft" - aufweist, kann nicht geschlossen werden, dass ihm eine Tätigkeit übertragen worden wäre, deren Ausübung Fähigkeiten und Kenntnisse voraussetzt, die durch einen solchen Abschluss nachgewiesen werden.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).