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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:20.04.2009
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/P49-08
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 33 Abs. 3 Satz 1, § 3 Abs. 5
Vorinstanzen:Gemeinsame Schlichtungsstelle der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR, 1 GS 114/2007 u. 1 GS 3/2008; Fundstelle: KuR 2/2009, S. 289
Schlagworte:Irrtümliche nochmalige Anhörung der Mitarbeiterung
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Leitsatz:

1. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu einer Maßnahme i.S.d. § 42 MVG.EKD erwächst unter den Beteiligten in Bestandskraft, gleichgültig, ob sie ausdrücklich erteilt worden oder fingiert ist.
2. Hört die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung gleichwohl nochmals zur selben Maßnahme i.S.d. § 42 MVG.EKD an, so wird allein hierdurch das Mitbestimmungsrecht in dem betreffenden Einzelfall nicht wieder ausgelöst.
3. Für die Anwendung von § 38 Abs. 5 MVG.EKD - vorläufige Durchführung der Maßnahme - ist kein Raum, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung objektiv vorliegt.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Dienststellenleitung wird der Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR vom 30. Juni 2008 - 1 GS 114/2007 und 1 GS 3/2008 - abgeändert:
Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die antragstellende Mitarbeitervertretung meint, die Dienststellenleitung habe ihr Mitbestimmungsrecht bei der "Einstellung" (§ 42 Buchst. a) MVG.EKD) verletzt, weil sie Frau D als Mitarbeiterin in einem Wohnstift tätig sein lasse und weil es keinen Grund gebe, diese Maßnahme vorläufig durchzuführen.
Frau D war als Arbeitnehmerin von der Dienststelle bis zum 30. November 2007 befristet mit einer Arbeitszeit von 19,5 Stunden pro Woche angestellt worden und in einem Wohnstift beschäftigt. Sie war dort in der Küche tätig, bereitete kleinere Speisen, deckte den Tisch, trug Speisen auf, räumte den Tisch nach der Mahlzeit wieder ab und spülte das Geschirr. Die Dienststellenleitung teilte der Mitarbeitervertretung unter dem 24. Juli 2007 mit, sie beabsichtige wegen des Auslaufens des Arbeitsvertrags der Frau D, diese bisher von Frau D geleistete Tätigkeit im Umfang von 19,5 Stunden wöchentlich an eine GmbH fremd zu vergeben; der Name der eingesetzten Personen sei ihr noch nicht bekannt; sie bitte um "zustimmende Kenntnisnahme". Am 15. August 2007 erörterten die Beteiligten die Angelegenheit; im Nachgang hierzu teilte die Dienststellenleitung der Mitarbeitervertretung unter dem 29. August 2007 mit, Frau D sei als Fremdeinsatz der GmbH vorgesehen; sie bitte um "zustimmende Kenntnisnahme". Mit ihrem Schreiben vom 21. September 2007 beantragte die Mitarbeitervertretung die Erörterung der Angelegenheit. Mit Datum vom 22. November 2007 schrieb die Dienststellenleitung an die Mitarbeitervertretung, sie beabsichtige, ab 1. Dezember 2007 jene 19,5 Stunden an die GmbH fremd zu vergeben, die eingesetzte Person sei Frau D; die Maßnahme erfolge "zur dringenden Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes gem. § 38 Abs. 5 MVG"; das bereits eingeleitete Beteiligungsverfahren bleibe hiervon unberührt, sie bitte um "zustimmende Kenntnisnahme". Unter dem 29. November 2007 beantragte die Mitarbeitervertretung die Erörterung der Angelegenheit auch unter dem Gesichtspunkt des § 38 Abs. 5 MVG und schlug als Erörterungstermin den Jour fixe am 5. Dezember 2007 vor. Die Mitarbeitervertretung erteilte ihre Zustimmung nicht und widersprach der vorläufigen Durchführung der Maßnahme ab dem 5. Dezember 2007. Die GmbH setzt Frau D seit diesem Tag im Küchendienst in der Küche eines Wohnstifts für - so die Mitarbeitervertretung - eben die Tätigkeiten ein, die sie zuvor im Arbeitsverhältnis mit der Dienststellenleitung zu erbringen hatte.
Wegen der aus ihrer Sicht vorliegenden "Einstellung" der Frau D rief die Mitarbeitervertretung am 21. Dezember 2007 (Fax) die Gemeinsame Schlichtungsstelle an (1 GS 114/2007), wegen der vorläufigen Durchführung der Maßnahme rief sie diese zudem am 8. Januar 2008 (Fax) an (1 GS 3/2008). Sie hat in der Beschäftigung der Frau D als Arbeitnehmerin der GmbH in einem Wohnstift eine Einstellung gesehen, für die sie die Zustimmung zu Recht verweigert habe; es gebe keinen Grund, die Maßnahme vorläufig durchzuführen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Mitarbeitervertretung nebst Anlagen im Verfahren 1 GS 114/2007 vom 21. Dezember 2007, 5. Februar 2008, 2. Mai 2008, 16. Juni 2008 und (im Verfahren 1 GS 3/2008) vom 7. Januar 2008, 2. Mai 2008 und 20. Juni 2008 verwiesen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Dienststellenleitung mit der Einstellung der Frau D ab dem 1. Dezember 2007 in der Küche eines Wohnstifts das Mitwirkungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 42 a MVG.EKiR verletzt habe und
2. festzustellen, dass die Dienststellenleitung nicht berechtigt sei, Frau D dort ab 1. Dezember 2007 zu beschäftigen.
Die Dienststellenleitung hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie meint, der Antrag zu 1 sei verspätet, die Maßnahme habe vorläufig durchgeführt werden müssen. Die Mitarbeitervertretung habe keinen Grund, ihre Zustimmung zu verweigern. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Dienststellenleitung nebst Anlagen im Verfahren 1 GS 114/2007 vom 21. Januar 2008, 31. Januar 2008, 3. März 2008, 28. März 2008, 28. April 2008, 30. April 2008, 29. Mai 2008 und vom 27. Juni 2008 sowie (im Verfahren 1 GS 3/2008) vom 31. Januar 2008, 3. März 2008, 28. März 2008, 28. April 2008, 30. April 2008, 29. Mai 2008 und vom 27. Juni 2008 Bezug genommen.
Die Vorinstanz hat am 11. Februar 2008 beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und am 4. Mai 2008 auch zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, beide Verfahren gemeinsam verhandelt und in einem einzigen, beide Aktenzeichen tragenden gleichlautenden Beschluss vom 30. Juni 2008 festgestellt, dass die Dienststellenleitung mit der "Einstellung" der Frau D ab dem 1. Dezember 2007 in der Küche eines Wohnstifts das Mitwirkungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 42 a MVG.EKiR verletzt habe und dass die Dienststellenleitung nicht berechtigt sei, Frau D dort zu beschäftigen. Die Vorinstanz hat angenommen, die Anrufungsfrist des § 61 Abs. 1 MVG.EKiR sei gewahrt; sie habe erst am 22. November 2007 zu laufen begonnen. Die Mitarbeitervertretung habe aus den an sie gerichteten Zustimmungsanträgen der Dienststellenleitung vom Sommer 2007 nicht erkennen können, dass diese an der Absicht festhalte, Frau D zu beschäftigen, obwohl die Zustimmung der Mitarbeitervertretung fehlte. Die Vorinstanz hat im Wege der Beweisaufnahme klären wollen, ob die Beschäftigung der Frau D ab dem 1. Dezember 2007 eine Einstellung i.S. des § 42 Buchst. a) MVG.EKiR sei, dazu auch Frau D als Zeugin hören wollen und hat die Dienststellenleitung aufgefordert, sie zu sistieren. Dies misslang, weil die GmbH Frau D nicht gestattete, zu der während der Arbeitszeit anberaumten mündlichen Verhandlung zu erscheinen. Wegen der Einflussmöglichkeiten, die die Dienststellenleitung auf die GmbH habe, um die Zeugin vor dem Kirchengericht auftreten zu lassen, hat die Vorinstanz letztlich die Dienststellenleitung als beweisfällig angesehen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen "den" Beschluss vom 30. Juni 2008 mit den Aktzeichen 1 GS 114/07 und 1 GS 3/2008 richtet sich die Beschwerde der Dienststellenleitung. Sie meint, eines der beiden erstinstanzlichen Verfahren sei nicht abgeschlossen, weil es nur einen einzigen Beschluss gebe, ohne dass die Verfahren zuvor zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden seien. Der Antrag zu 1 sei verfristet und deshalb unzulässig, beide Anträge seien unbegründet. Wegen der Einzelheiten ihres ausführlichen Vorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 7. August 2008, 21. September und 24. Oktober 2008 sowie vom 14. April 2009 Bezug genommen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR vom 30. Juni 2008 - 1 GS 114/2007 und 1 GS 3/2008 - abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Der erkennende Senat hat die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 8. Dezember 2008).
II. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und über das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 MVG-EKiR (KABl. 2005, S. 142). Die Beschwerde ist begründet. Die Vorinstanz hat den Anträgen zu Unrecht stattgegeben.
1. Für die Beteiligten gelten, soweit das gliedkirchliche Recht keine Abweichungen bestimmt, die Bestimmungen des MVG.EKD in der jeweils gültigen Fassung. Dies folgt aus § 1 MVG.EKiR; in jenem Gesetz normierte, vom MVG.EKD abweichende Regelungen sind für den vorliegenden Fall unerheblich. Die Vorinstanz hat die von ihr herangezogenen Bestimmungen als "MVG.EKiR" bezeichnet, hiermit aber erkennbar nicht ein in dieser Form nicht eigenständig verfasstes Gesetz bezeichnen wollen, sondern die Bestimmungen des MVG.EKD, die nach § 1 MVG.EKiR in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden sind.
2. Die Annahme der Dienststellenleitung, eines der beiden Verfahren (welches?) sei nicht durch einen Beschluss beendet worden, geht fehl. Es bedurfte nur eines einzigen, die Verfahren beendenden Beschlusses, nachdem die Gemeinsame Schlichtungsstelle beide Verfahren zunächst nur zur gemeinsamen Verhandlung (Beschluss vom 11. Februar 2008), sodann aber auch zur gemeinsamen Entscheidung (Beschluss vom 4. Mai 2008) zusammengelegt hatte, ohne allerdings anzugeben, welches Verfahren und damit welches Aktenzeichen "führt".
3. Der Feststellungsantrag zu 1 war als unbegründet zurückzuweisen.
a) Das etwa bestehende Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 42 Buchst. a) MVG.EKD ist durch den Einsatz der Frau D nicht verletzt. Vielmehr ist die Zustimmung der Mitarbeitervertretung nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD fingiert. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Einsatz der vormals bei der Dienststellenleitung angestellten, sodann als Arbeitnehmerin bei der GmbH angestellten Frau D als Küchenhilfe in der Küche eines Wohnstifts um einen Fall der der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegenden "Einstellung" i.S. des § 42 Buchst. a MVG.EKD handelt. Denn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung hierzu hat nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD als erteilt zu gelten. Nach dieser Bestimmung gilt eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme als von der Mitarbeitervertretung gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt. Diese Frist hat die Mitarbeitervertretung vorliegend nicht gewahrt.
Zwar wäre jene Frist gewahrt, käme es auf die Einleitung der Anhörung der Mitarbeitervertretung durch das Schreiben der Dienststellenleitung vom 29. November 2007 an. Indessen hatte zu diesem Zeitpunkt die Zustimmung der Mitarbeitervertretung bereits als erteilt zu gelten, Die Mitarbeitervertretung hat auf die schriftliche Mitteilung der Dienststellenleitung vom 29. August 2007, wonach als "Fremdeinsatz" Frau D vorgesehen sei und sie die Mitarbeitervertretung um "zustimmende Kenntnisnahme" bitte, binnen zwei Wochen (Fristablauf 12. September 2007, spätestens wegen Postlaufzeit am 13. September 2007) weder ihre Zustimmung schriftlich verweigert noch um Erörterung gebeten. Diese Frist hatte zu laufen begonnen, weil die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung mit der Nennung des Namens der zur Beschäftigung vorgesehenen Person vollständig i.S. des § 38 Abs. 3 Satz 3 MVG.EKD unterrichtet hatte; über die anderen Umstände war die Mitarbeitervertretung bereits unterrichtet. Erst mit Datum vom 21. September 2007 und damit nicht mehr innerhalb der zweiwöchigen Frist (§ 38 Abs. 3 Satz 3 MVG.EKD) hat die Mitarbeitervertretung die Erörterung verlangt. Dies hat den Eintritt der Zustimmungsfiktion zur Folge. Diese Rechtsfolge haben die Beteiligten ebenso übersehen wie die Vorinstanz.
b) Die fingierte Zustimmung ist auch nicht dadurch rechtlich hinfällig geworden, dass die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung durch ihr Schreiben vom 22. November 2007 erneut zur Beschäftigung der Frau D ab dem 1. Dezember 2007 angehört hat. Es handelt sich dabei nicht etwa um einen neuen, auf andere oder zusätzliche Gesichtspunkte gestützten Sachverhalt, sondern nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Verfahrensbeteiligten um denselben Sachverhalt und damit - rechtlich - um eine bloße Wiederholung. Diese Wiederholung ist ohne rechtliche Bedeutung für die Wirksamkeit der von Gesetzes wegen fingierten Zustimmung. Sie hat zwischen den Beteiligten materielle Bestandskraft. Insoweit unterscheidet sich die Sach- und Rechtslage der Fälle, in denen zwar eine Zustimmung vorliegt oder fingiert ist, von denen, in denen eine erneute Beteiligung der Mitarbeitervertretung im Einvernehmen mit der Dienststellenleitung z.B. deshalb erfolgt, weil das er-ste Beteiligungsverfahren fehlerhaft eingeleitet worden war und deshalb keine Fiktion der Zustimmung eingetreten sein kann. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, sondern eben der einer rechtlich wirksamen fingierten Zustimmung der Mitarbeitervertretung.
4. Auch der Feststellungsantrag zu 2 - vorläufige Durchführung der Maßnahme - ist nicht begründet. Für die Anwendung des § 38 Abs. 5 MVG.EKD auf den Einsatz der Frau D ab dem 5. Dezember 2007 ist kein Raum, denn es ging - objektiv - nicht (mehr) darum, die Maßnahme vorläufig bis zur endgültigen Entscheidung über die Frage der Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur "Einstellung" der Frau D durchzuführen, weil deren Zustimmung spätestens infolge fruchtlosen Fristablaufs am 13. September 2007 als erteilt zu gelten hatte. Auch dies haben die Beteiligten ebenso übersehen wie die Vorinstanz. Der Umstand, dass die Dienststellenleitung angenommen hat, sie könne den Einsatz der Frau D zunächst nur als vorläufige Maßnahme durchführen, und dass sie die Mitarbeitervertretung deswegen nach § 38 Abs. 5 MVG.EKD beteiligt hat, ändert daran nichts. Hierdurch wird rechtlich kein Beteiligungsrecht der Mitarbeitervertretung eröffnet.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).