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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:20.04.2009
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/P47-08
Rechtsgrundlage:ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1 MVG.EKD § 40 Buchst. d
Vorinstanzen:Gemeinsame Schlichtungsstelle der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR, 1 GS 48/2007; Fundstelle: NZA 5/2010, S. 303
Schlagworte:Mitbestimmung Dienstplan und Abweichung
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Leitsatz:

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses hat. Diese Bestimmung gilt entsprechend für das Beschlussverfahren nach dem MVG.EKD. Der Streit darüber, ob eine Maßnahme der Mitbestimmung unterliegt oder nicht, oder ob gegen das MVG.EKD verstoßen worden ist, betrifft das Rechtsverhältnis zwischen der Mitarbeitervertretung und der Dienststellenleitung.
2. Geht es um die Feststellung, ob ein bestimmtes, in der Vergangenheit liegendes, abgeschlossenes Geschehen das Recht eines Beteiligten verletzt hat, so müssen besondere Umstände vorliegen, aus denen folgt, dass für diese nur die Vergangenheit betreffende Feststellung ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung vorliegt, obwohl es nur um einen abgeschlossenen Sachverhalt aus der Vergangenheit geht.
3. Dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt ein Feststellungsantrag nur, wenn er die begehrte Feststellung klar bezeichnet oder zumindest eindeutig bestimmbar ist, worum es geht. Geht es um die Feststellung, dass ein Mitbestimmungsrecht verletzt worden sei, muss sich eindeutig aus dem Antrag und dem Vorbringen der Beteiligten zum Antrag ergeben, worin der Verstoß liegen soll. Vergleichbares gilt für den entsprechenden Feststellungsausspruch des Gerichts; zumindest muss sich aus dem Beschlusstenor unter Zuhilfenahme der Gründe erkennen lassen, worin der festgestellte Rechtsverstoß liegen soll.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Dienststellenleitung wird der Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR vom 30. Juni 2008 - 1 GS 48/2007 - abgeändert:
Der Antrag wird zurückgewiesen

Gründe:

I. Die Mitarbeitervertretung (Antragstellerin) möchte mit dem in die Beschwerde gelangten Teil des Rechtsstreits festgestellt wissen, dass die Dienststelle (Beschwerdeführerin) mit der Aufstellung des Dienstplanes für Januar 2007 für eine Abteilung eines Betriebsteils und mit der Verschiebung des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit an einzelnen Tagen des Januar 2007 für einzelne Mitarbeitende des Betriebsteils die Rechte der Mitarbeitervertretung (Antragstellerin) gem. § 40 Buchst. d) MVG.EKD verletzt hat. Hintergrund des Streits sind die seit Oktober 2005 zwischen den Beteiligten bestehenden Meinungsunterschiede zu der Frage, ob die Abteilung personell ausreichend besetzt ist. Die Mitarbeitervertretung forderte die Dienststellenleitung mit Schreiben vom 26. Januar 2007 auf, § 15 Abs. 1 BAT-KF (a.F.) einzuhalten. Nachdem die Dienststellenleitung den von Mitarbeiterinnen der Abteilung im Januar geltend gemachten Mehrarbeitsausgleich für das Jahr 2006 (§ 15 Abs. 1 BAT-KF a.F.) abgelehnt hatte, wandten sich diese an die Mitarbeitervertretung, die sich deswegen wiederum an die Dienststellenleitung wandte.
Die Mitarbeitervertretung hat geltend gemacht, der Grund für die Mehrarbeit in der Abteilung sei die ständige Unterbesetzung in der Abteilung; ein Teil der Mehrarbeit sei bereits in die Dienstpläne eingearbeitet, andere Mehrarbeit komme hinzu. Die Rahmenzeiten seien - unstreitig - abgesprochen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens im ersten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Mitarbeitervertretung vom 30. Juli und 13. November 2007 und die dazu überreichten Anlagen Bezug genommen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Dienststellenleitung mit der Aufstellung des Dienstplanes Januar 2007 für eine Abteilung eines Betriebsteils und mit der Verschiebung des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit an einzelnen Tagen des Januar 2007 für einzelne Mitarbeitende des Betriebsteils die Rechte der Mitarbeitervertretung gem. § 40 Buchst. d) MVG.EKiR verletzt hat,
2. festzustellen dass die Dienststellenleitung die arbeitsrechtlichen Grundlagen des § 15 Abs. 1 BAT-KF dahingehend missachte, dass von Mitarbeitenden beantragte Mehrarbeitsstunden, die über ein Zeitkontingent von 100 Stunden hinausgehen, nicht an die beantragenden Mitarbeitenden ausgezahlt werden.
Die Dienststellenleitung hat die Abweisung beider Anträge beantragt. Sie hält beide Anträge für unzulässig, zumindest aber für unbegründet. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen vom 31. August, 10. Oktober, 6. November 2007, 10. April, 14. April, 15. Mai und 20. Mai 2008 Bezug genommen.
Die Vorinstanz hat in ihrem am 30. Juni 2008 verkündeten Beschluss dem Antrag zu 1 stattgegeben und den Antrag zu 2 mangels Zuständigkeit der Mitarbeitervertretung zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen die Stattgabe des Antrags zu 1 wendet sich die Dienststellenleitung mit ihrer Beschwerde. Die Mitarbeitervertretung hat keine Beschwerde eingelegt.
Die Dienststellenleitung macht geltend, der Antrag zu 1 sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, er sei zudem entgegen der Annahme der Vorinstanz verspätet gestellt worden (§ 61 Abs. 1 MVG) und überdies unbegründet. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beschwerdeführerin wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen vom 6. August und 10. Oktober 2008 sowie vom 9. April 2009 Bezug genommen.
Sie beantragt sinngemäß,
unter entsprechender teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses auch den Antrag zu 1 abzuweisen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 26. Januar 2009, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Der Senat hat die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Dienststellenleitung zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 8. Dezember 2008).
II. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und über das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 MVG-EKiR (KABl. 2005, S. 142). Die Beschwerde ist begründet. Die Vorinstanz hat dem Antrag zu 1 zu Unrecht stattgegeben. Der Antrag ist unzulässig, entgegen der Ansicht der Vorinstanz fehlt es für den Antrag am nach § 256 ZPO vorauszusetzenden Feststellungsinteresse; zudem genügt der Antrag nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 ZPO.
1. Für die Beteiligten gelten, soweit das gliedkirchliche Recht keine Abweichungen bestimmt, die Bestimmungen des MVG.EKD in der jeweils gültigen Fassung. Dies folgt aus § 1 MVG.EKiR; in jenem Gesetz normierte, vom MVG.EKD abweichende Regelungen sind für den vorliegenden Fall unerheblich. Die Vorinstanz hat die von ihr herangezogenen Bestimmungen als "MVG.EKiR" bezeichnet, hiermit aber erkennbar nicht ein in dieser Form nicht eigenständig verfasstes Gesetz bezeichnen wollen, sondern die Bestimmungen des MVG.EKD, die nach § 1 MVG.EKiR in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden sind.
2. Dem Antrag zu 1 fehlt das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Hiernach kann auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses hat. Diese Bestimmung gilt entsprechend für das Beschlussverfahren nach dem MVG.EKD. Der Streit darüber, ob eine Maßnahme der Mitbestimmung unterliegt oder nicht oder ob gegen das MVG.EKD verstoßen worden ist, betrifft das Rechtsverhältnis zwischen Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung. Geht es um die Feststellung, ob ein bestimmtes, in der Vergangenheit liegendes, abgeschlossenes Geschehen das Recht eines Beteiligten verletzt hat, so müssen besondere Umstände vorliegen, aus denen folgt, dass für diese, nur die Vergangenheit betreffende Feststellung, ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung vorliegt, obwohl es nur um einen abgeschlossenen Sachverhalt aus der Vergangenheit geht. Daran fehlt es hier.
a) Der Antrag zu 1 ist lediglich auf die Vergangenheit, nämlich auf den Dienstplan für den Monat Januar 2007, gerichtet. Zu Recht hat die Vorinstanz erkannt, dass die Mitarbeitervertretung insoweit einen "allgemeinen" Feststellungsantrag hätte stellen können, zu Unrecht hat sie jedoch angenommen, dies sei nicht erforderlich, weil sich der mitbestimmungspflichtige Sachverhalt immer wiederhole. Darin kann der Senat der Vorinstanz nicht folgen. Der Antrag wie auch der damit übereinstimmende Tenor, lassen nicht erkennen, welche Befriedungswirkung damit erreicht werden kann, geschweige denn, erreicht wird. Die Beteiligten streiten nicht darüber, dass ein Dienstplan nach § 40 Buchst. d) MVG.EKD mitbestimmungspflichtig ist, wohl aber - jedenfalls aus der Sicht der Mitarbeitervertretung - über die Einhaltung des § 15 Abs. 1 BAT-KF alter Fassung. Angesichts dessen hätte es, um diesen Streit durch eine gerichtliche Feststellung überhaupt befrieden zu können, eines den Einzelfall (Januar 2007) übergreifenden, insoweit "abstrakten", jedoch die hinsichtlich ihrer Mitbestimmungs¬pflichtigkeit umstrittenen Elemente konkret bezeichnenden Antrags bedurft.
b) Der Mitarbeitervertretung war im zweiten Rechtszug keine Gelegenheit mehr zu geben, ihren nur auf die Vergangenheit bezogenen Antrag auf einen allgemeinen, abstrakten Antrag umzustellen. Auslöser für den Streit war die Ansicht der Mitarbeitervertretung, die Dienststellenleitung habe mit der Dienstplanaufstellung und der Dienstplanpraxis § 15 BAT-KF alter Fassung nicht eingehalten. Dieser Streit ist für die Zukunft ohne Bedeutung. Die Bestimmung des § 15 BAT-KF gibt es jedenfalls in der bisherigen Form nicht mehr. Ob eine andere Arbeitsrechtsregelung eingehalten wird oder nicht, ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
3. Dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt der Antrag zu 1 ebenfalls nicht. Insbesondere bei einem Feststellungsantrag muss klar bezeichnet oder zumindest eindeutig bestimmbar sein, worum es geht. Geht es - wie hier - um die Feststellung, dass ein Mitbestimmungsrecht verletzt worden sei, muss sich eindeutig aus dem Antrag und dem Vorbringen der Beteiligten zum Antrag ergeben, worin der Verstoß liegen soll. Vergleichbares gilt für den entsprechenden Feststellungsausspruch des Gerichts; zumindest muss sich aus dem Beschlusstenor unter Zuhilfenahme der Gründe eindeutig erkennen lassen, worin der festgestellte Rechtsverstoß liegen soll. Daran fehlt es hier. Die Formulierung von Antrag und Beschlusstenor lässt nicht erkennen, ob - für sich allein - schon die Aufstellung des Dienstplanes gegen § 40 Buchst. d) MVG.EKD verstoßen soll und in der Verschiebung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ein weiterer Verstoß gegen § 40 Buchst. d) MVG.EKD liegt, ganz abgesehen davon, an welchem Tag bei welchem Mitarbeiter Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verschoben worden sein soll und weshalb darin ein Verstoß gegen § 40 Buchst. d) MVG.EKD liegen soll.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD