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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.07.2016
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/43-2015
Rechtsgrundlage:MVG-EKD § 41 Abs. 1 Buchstabe a)
Vorinstanzen:Az.: 2015-8 D Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck Beschluss vom 6. November 2015
Schlagworte:Eingruppierung einer Angestellten in der Schuldnerberatungsstelle
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Leitsatz:

1. Die Eingruppierung einer Angestellten in der Geschäftsstelle einer Schuldnerberatungsstelle, die für die Fachberater Termine vorbereitet und koordiniert, richtet sich nach Teil II Ab-schnitt 8 der Kirchlichen Entgeltordnung zum TV-L (Beschäftigte im Schreib- und Sekretariatsdienst).
2. Ist der Angestellten nur die Koordinierung der Beratungstätigkeit in einem Fachbereich übertragen, liegt keine vielseitige Tätigkeit i.S. der Entgeltgruppe 6 vor; die Eingruppierung erfolgt in die Entgeltgruppe 5.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Dienststellenleitung wird der Beschluss des Kirchenge-richts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 6. November 2015 - 2015-8 D - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweige-rung der Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Entgeltgruppe 5 Stufe 3, Kirchliche Entgeltordnung zum TV-L, Teil II Abschnitt 8 besteht.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Eingruppierung der Mitarbeiterin D, die seit dem 1. September 2014 als Angestellte in der Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werkes befristet bis zum 30. April 2019 beschäftigt wird.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L, Fassung der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, sowie die kirchliche Entgeltordnung zum TV-L vom 1. Juli 2014 Anwendung. Die Dienststelle nimmt für den Landkreis die Aufgabe der Schuldnerberatung wahr. Er beschäftigt dafür in zwei Geschäftsstellen jeweils drei Fachberater. Frau D führt die Geschäftsstelle in der Stadt E, insbesondere koordiniert sie die Termine der drei Fachberater. Sie führt, wenn ein Klient die Geschäftsstelle aufsucht, das erste Gespräch und nimmt telefonisch Anfragen für die Fachberater an. Sie nimmt das jeweilige Anliegen entgegen und arbeitet anhand einer vorge-gebenen Checkliste Fragestellungen ab, die dem Fachberater die Führung des eigentlichen Beratungsgesprächs erleichtern. Frau D weist bei Bedarf auf Widerspruchsfristen hin, erläu-tert das Verhalten bei Mahnbescheiden und zum P-Konto (Einzelkonto auf Guthabenbasis) und führt den Tageskalender der Fachberater. Weiter obliegt ihr die Bearbeitung der Tages-post, die Eingabe von Forderungen in EDV-Programme (Consil und InsOManager), die Füh-rung der Registratur, der Versand von Anträgen auf Kostenübernahme, das Erstellen von Anschreiben nach Vorgaben der EDV-Programme Consil und InsOManager und das Führen des Protokolls bei Teamsitzungen.
In der weiteren Geschäftsstelle der Dienststelle obliegen einer nach Entgeltgruppe 6 vergüte-ten Angestellten dieselben Aufgaben wie Frau D, zusätzlich koordiniert die dortige Angestellte die Fachberatung für weitere Bereiche wie Migration, Flüchtlingsberatung und allgemeine Sozialberatung.
Mit Schreiben vom 19. August 2014 hat die Dienststellenleitung die Antragsgegnerin, die in der Dienstelle gebildete Mitarbeitervertretung, um Zustimmung zur Eingruppierung in die Ent-geltgruppe 5 TV-L ersucht; die beantragte Erörterung fand letztmalig am 12. März 2015 statt, die Mitarbeitervertretung hat nachgehend mit Schreiben vom 16. März 2015 die Zustimmung zur Eingruppierung verweigert. Mit dem fristgerecht beim Kirchengericht eingereichten Antrag begehrt die Antragstellerin die Zustimmung zur beantragten Eingruppierung der Mitarbeiterin D. Einschlägig sei Teil II Abschnitt 8 "Beschäftigte im Schreib- und Sekretariatsdienst". Frau D sei im Schreib- und Sekretariatsdienst tätig; die Aufgabe sei schwierig, so dass eine Eingrup-pierung in die Entgeltgruppe 5 gerechtfertigt sei.
Die Antragstellerin hat - sinngemäß - beantragt,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zu-stimmung zur Eingruppierung von Frau D in die Entgeltgruppe 5 Stufe 3 Kirchliche Ent-geltordnung zum TV-L Teil II Abschnitt 8 besteht.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
und die Auffassung vertreten, die Eingruppierung richte sich nach Teil I (Allgemeine Tätig-keitsmerkmale für den Verwaltungsdienst) der kirchlichen Entgeltordnung zum TV-L. Frau D benötige nähere Kenntnisse hinsichtlich der Gesetzes- und Verwaltungsvorschriften des Be-reichs der Schuldnerberatung (Fragen zu Räumungsklagen, Zwangsräumen, Stromsperren, Haftantritt, Kontopfändung etc.), deshalb sei die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 6 zutref-fend.
Das Kirchengericht hat den Antrag der Dienststelle zurückgewiesen. Die Tätigkeit von Frau D sei zwar im Teil II Abschnitt 8 der Entgeltordnung zum TV-L abgebildet; sie sei aber vielseitig, so dass die Entgeltgruppe 6 einschlägig sei. Mit der frist- und formgerecht eingereichten und begründeten Beschwerde verfolgt die Dienststelle ihren Antrag weiter. Die Mitarbeitervertre-tung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet, weil die beabsichtigte Maßnahme nicht gegen eine Rechtsvorschrift, eine Vertragsbestimmung, eine Dienstvereinbarung, eine Verwaltungsanordnung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtli-che Entscheidung verstößt (§ 41 Abs. 1 Buchstabe a) MVG-EKD).
1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TV-L ist die/der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätig-keit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich ge-nommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 12 Abs. 1 sind Arbeits-vorgänge Arbeitsleistungen (einschl. Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufga-benkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeits-ergebnis führen.
2. Die der Mitarbeiterin übertragenen Tätigkeiten sind nicht trennbar und deshalb als Ein-heit zu begreifen. Sämtliche Arbeitsschritte dienen der Organisation und Vorbereitung der Tätigkeit der Fachberater, so dass insgesamt von einem großen Arbeitsvorgang auszugehen ist. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
3. Die Eingruppierung der Mitarbeiterin richtet sich nach Teil II Abschnitt 8 (Beschäftigte im Schreib- und Sekretariatsdienst) der kirchlichen Entgeltordnung zum TV-L. Frau D oblie-gen Sekretariatsarbeiten, die durch den Umgang und die Terminkoordination mit den Klien-ten, der Annahme und Weiterleitung von Telefongesprächen, der Erfassung und Pflege von Stammdaten und weiteren allgemeinen Verwaltungs- und Sekretariatstätigkeiten geprägt sind. Dies ist Sekretariatsarbeit und nicht eine sachbearbeitende Tätigkeit.
4. Für die tarifliche Bewertung der Tätigkeit der Mitarbeiterin sind nach Teil II Abschnitt 8 der kirchlichen Entgeltordnung zum TV-L nachstehende Entgeltgruppen einschlägig
a) Die Grundeingruppierung erfolgt in die Entgeltgruppe 4 (Beschäftigte im Schreib- und Sekretariatsdienst), dies trifft auf Frau D zu.
b) Die erste Heraushebung nach Entgeltgruppe 5 erfolgt, soweit "schwierige Tätigkeiten" übertragen sind. Nach der Protokollnotiz Nr. 8 sind schwierige Tätigkeiten solche, die mehr als eine eingehende Einarbeitung bzw. fachliche Anlernung im Sinne von Entgeltgruppe 3 erfordern, z.B. durch höheren Aufwand an gedanklicher Arbeit. Zwischen den Beteiligten ist nicht im Streit, dass der Mitarbeiterin D eine schwierige Tätigkeit im Sinne dieser Protokollno-tiz übertragen worden ist. Der höhere Aufwand an gedanklicher Arbeit ergibt sich bereits dar-aus, dass die Mitarbeiterin im Telefonkontakt mit den Klienten flexibel auf deren Begehren eingehen muss, dieses gedanklich zu strukturieren und ggf. anhand der Checkliste die nötigen Vorarbeiten zu veranlassen hat. Der persönliche und telefonische Erstkontakt mit Hilfesu-chenden erfordert dabei ein hohes Maß an Konzentrationsfähigkeit und besonderes Einfüh-lungsvermögen.
c) Entgegen der Auffassung des Kirchengerichts sind die Voraussetzungen der Entgelt-gruppe 6 nicht erfüllt. Dazu müssten vielseitige Tätigkeiten übertragen worden sein. Vielseitige Tätigkeiten sind nicht ausdrücklich definiert. Vielseitig ist eine Tätigkeit, die viele Facetten hat und unterschiedliche Bereiche betrifft. Daran fehlt es. Die Tätigkeit ist auf die Koordinierung der Arbeit der Schuldnerberater fokussiert und folgt damit, auch sie schwierig ist und hohe Konzentrationsfähigkeit erfordert, grundsätzlich der gleichen Routine. Im Gegensatz dazu wird die weitere Geschäftsstellenverwalterin von der Antragstellerin zutreffend nach Entgelt-gruppe 6 vergütet. Diese Angestellte hat zusätzlich die Fachberatungen in weiteren Bereichen zu koordinieren. Dies ist eine vielseitige Tätigkeit.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).