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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:03.02.2014
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/V30-13
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 38 Abs.3
Vorinstanzen:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev. Kirche in Mitteldeutschland - Kammer für das Diakonische Werk Beschluss vom 26.6.2013
Schlagworte:Beendigung der Erörterung ohne Durchführung eines mündlichen Erörterungstermins
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Leitsatz:

1. Eine nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD beantragte mündliche Erörterung kann ohne Zustimmung der Gegenseite nicht durch schriftlichen Meinungsaustausch ersetzt werden, es kann nur einvernehmlich auf eine mündliche Erörterung verzichtet werden. Unterbleibt sie, ist die der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme regelmäßig unwirksam (§ 38 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD).
2. § 38 Abs. 3 MVG-EKD definiert darüber hinaus keine Mindestanforderungen an die "Qualität" einer Erörterung (vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 22. Februar 2013 - II-0124/U26-12 - www.kirchenrecht-ekd.de).

Tenor:

Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev. Kirche in Mitteldeutschland - Kammer für das Diakonische Werk - vom 26. Juni 2013 - I-3-2013 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass eine von der Mitarbeitervertretung nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD beantragte mündliche Erörterung ohne Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht ohne Durchführung eines mündlichen Erörterungstermins von der Dienststellenleitung nach § 38 Abs. 3 Satz 7 MVG.EKD beendet werden kann.

Gründe:

I. Die Beteiligten haben darüber gestritten, ob für die Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung einer Mitarbeiterin bestanden hat (§ 42 Buchstabe a), § 41 Abs. 1 MVG.EKD).
Die Dienststellenleitung hat die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 3. April 2013 um Zu-stimmung zur beabsichtigten Einstellung einer Fachberaterin für den Zeitraum vom 1. Mai 2013 bis 30. April 2014 ersucht. Die Mitarbeitervertretung hat am 12. April 2013 Erörterung beantragt und Terminvorschläge unterbreitet. Nach Schwierigkeiten in der Abstimmung eines Termins hat die Mitarbeitervertretung auf schriftliche Bitte der Dienststellenleitung, die Zustimmungsverweigerungsgründe doch schriftlich darzulegen, mitgeteilt, der Vorgang bedürfe einer mündlichen Erörterung.
Zu einer mündlichen Erörterung kam es nicht. Die Dienststellenleitung brachte mit Schreiben vom 24. April 2013 ihr Unverständnis zum Ausdruck und beendete die Erörterung. Mit Schreiben vom 29. April 2013 berief sich die Mitarbeitervertretung darauf, das Beteiligungsverfahren sei mangels Erörterung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden; gleichzeitig wurde die Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung verweigert. Mit dem am 8. Mai 2013 beim Kirchengericht eingegangenen Antrag hat die Dienststellenleitung Feststellung begehrt, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung vorgelegen habe. Diesem Antrag hat das Kirchengericht durch Beschluss vom 26. Juni 2013 entsprochen.
Die Mitarbeitervertretung hat dagegen form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Nachdem das Arbeitsverhältnis in der Probezeit beendet worden ist, hat sie im Hinblick auf die eingetretene Erledigung des Hauptsacheverfahrens den Antrag geändert und beantragt nunmehr,
festzustellen, dass eine von der Mitarbeitervertretung nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD beantragte mündliche Erörterung ohne Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht ohne Durchführung eines mündlichen Erörterungstermins von der Dienststellenleitung nach § 38 Abs. 3 Satz 7 MVG.EKD beendet werden kann.
Zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Kirchengerichtshof der EKD ist die Dienststellenleitung nicht erschienen.
II. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und vom Kirchengerichtshof der EKD angenommen worden. Der Pflicht zur Anhörung ist genügt (§ 62 MVG.EKD, § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG).
1. Die Änderung des Sachantrages in der Beschwerdeinstanz ist nach §§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, 87 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz, 81 Abs. 3 ArbGG zulässig. Eine Änderung des Streitgegenstandes kommt in Betracht, wenn sich der ursprünglich streitige Vorfall erledigt hat, die dabei aufgetretene Streitfrage zwischen den Beteiligten aber nach wie vor ungeklärt ist und für die Zukunft entschieden werden soll (GMP/Spinner, ArbGG, 8. Auflage 2013, § 81 Rn. 85). Es ist zwischen den Beteiligten im Streit, ob ein Erörterungsverfahren nach § 38 Abs. 3 MVG.EKD ohne Durchführung eines mündlichen Erörterungstermins beendet werden kann. Diese streitige und vom Kirchengericht zugunsten der Dienststellenleitung entschiedene Frage ist ungeklärt. Die Änderung des Antrags ist deshalb sachdienlich; es besteht auch das für den geänderten Antrag erforderliche Feststellungsinteresse. Die Entscheidung dieser Streitfrage trägt dazu bei, den künftigen Ablauf von Beteiligungsverfahren in der Dienststelle rechtssicher zu gestalten.
2. Der Antrag ist begründet.
a) Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD gilt eine der Mitbestimmung unterliegende Maß-nahme als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen die Zu-stimmung schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt.
b) § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD bestimmt ausdrücklich, dass eine "mündliche" Erörterung beantragt werden kann. Dies korrespondiert mit der nach § 33 Abs. 2 MVG.EKD gebotenen Verpflichtung zur mündlichen Erörterung. Eine Erörterung kann deshalb ohne Zustimmung der Gegenseite nicht einseitig durch schriftlichen Meinungsaustausch ersetzt werden (Bau-mann-Czichon/Gathmann/Germer, MVG-EKD, 4. Auflage 2013, § 38 Rn. 11b; Fey/Rehren, Praxiskommentar zum MVG.EKD, Stand April 2013, § 38 Rn. 13; einschränkend Andelewski/Küfner-Schmitt/Schmitt, Berliner Kommentar zum MVG.EKD, § 38 Rn. 16). Nach dem Grundverständnis des MVG.EKD sollen Interessengegensätze im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit gerade durch Aussprache mit dem Ziel einer Einigung überwunden werden, regelmäßig ist deshalb die Durchführung eines Erörterungstermins erforderlich. Unterbleibt dies, ist die der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme unwirksam (§ 38 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD). Diese Rechtsfolge gilt nicht nur bei Nichtdurchführung son-dern auch bei nicht ordnungsgemäßer Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens.
c) Davon abgesehen können die Beteiligten die Erörterung nach § 38 Abs. 3 MVG.EKD selbst gestalten. Wie sie inhaltlich zu gestalten ist, schreibt § 38 Abs. 3 MVG.EKD nicht vor, Mindestanforderungen an die "Qualität" der Erörterung werden nicht definiert (KGH.EKD, Beschluss vom 22. Februar 2013 - II-0124/U26-12 - www.kirchenrecht-ekd.de). Es kann auch einvernehmlich auf die Durchführung einer mündlichen Erörterung verzichtet werden. Vorliegend hat die Mitarbeitervertretung auf einer mündlichen Erörterung bestanden.
d) Kommt ein mündlicher Erörterungstermin nicht zustande, weil einer der Beteiligten an der Terminabstimmung nicht mitwirkt, kann die Berufung auf die Nichtdurchführung einer mündlichen Erörterung rechtsmissbräuchlich sein. Ein solcher Fall liegt nicht vor.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).