.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:29.10.2012
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/T16-11
Rechtsgrundlage:AVR.DW.EKD § 12, Anlage 1 zu § 12 Entgeltgruppen 3 und 4
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) Beschluss vom 29. März 2011 - 2 M 65/10
Schlagworte:Eingruppierung einer Präsenzkraft
#

Leitsatz:

1. Präsenzkräfte in der sozialen Arbeit betreuen und begleiten ältere und/oder demenziell erkrankte Menschen, um ihnen ein häusliches Leben, z.B. in Wohn- oder Hausgemeinschaften, zu ermöglichen. Dabei fallen regelmäßig sehr einfache Tätigkeiten der Hauswirtschaft und einfache Tätigkeiten der Grundpflege oder Betreuung an, die nicht die fachliche Qualifikation ausgebildeter Pflegekräfte erfordern.
2. Eine Präsenzkraft, der eine solche Tätigkeit der Betreuung und Begleitung übertragen ist, ist eingruppiert in die Entgeltgruppe 3 AVR.DW.EKD.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - vom 29. März 2011 - Az. 2 M 65/10 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Entgeltgruppe 3 der AVR.DW.EKD besteht.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Eingruppierung einer Mitarbeiterin.
Die Dienststelle ist eine Einrichtung der Altenhilfe. Auf Grundlage eines Hausgemeinschaftskonzeptes werden in sieben Hausgemeinschaften zwischen 11 und 18 Menschen betreut. Alle Bewohner/-innen haben ein eigenes Zimmer und zusammen eine Wohnküche; zu etwa je ¼ sind die Bewohner/-innen in der Pflegestufe 2 und 3. Betreut werden sie von 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Schichtdienst. Ihnen obliegt die Hilfe beim Anziehen, die gemeinsame Vorbereitung und Einnahme von Mahlzeiten, die Reinigung der Wäsche sowie die Grundpflege. Wesentliches Ziel des Hausgemeinschaftskonzepts ist es, die Bewohner/-innen zu aktivieren und zur möglichst selbstständigen Teilnahme am Leben in der Hausgemeinschaft zu befähigen.
Die Dienststelle setzt für diese Tätigkeit keine fachspezifische Ausbildung voraus. Den von der Dienststelle als Präsenzkräfte bezeichneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist in jeder Schicht eine Pflegefachkraft zugeordnet, zudem besteht eine Pflegedienstleitung. Diese erstellt auch ggf. erforderliche Diätpläne.
Frau D ist seit 1997 für die Dienststelle als Pflegehelferin tätig. Sie verfügt über keine einschlägige Ausbildung. Sie hat in der Zeit vom 3. September 2001 bis 4. Dezember 2002 an einem berufsbegleitenden Lehrgang “Grundlagen des pflegerischen Handelns“ mit einem Volumen von 160 Unterrichtsstunden und an weiteren ein- und zweitägigen Fortbildungen teilgenommen. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den AVR.DW.EKD.
Frau D bezog zunächst eine Vergütung aus der Vergütungsgruppe KR 1 AVR.DW.EKD. Anlässlich des Inkrafttretens der Neufassung der AVR.EKD hat die Dienststellenleitung Zustimmungsverfahren zur Eingruppierung der Präsenzkräfte eingeleitet. Die Dienststelle vertritt die Auffassung, die mit der Betreuung der Bewohner/-innen im Hausgemeinschaftskonzept betrauten Kräfte übten Tätigkeiten einer Präsenzkraft im Sinne der Entgeltgruppe 3 der Anlage 1 zu den AVR.DW.EKD aus. Nach der Stellenbeschreibung für hauswirtschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Hausgemeinschaft sind der Präsenzkraft u.a. Aufgaben übertragen, die mit dem Bewohner oder der Bewohnerin verrichtet werden, wie die Mitwirkung am Speiseplan, die Zubereitung der Mahlzeiten, das Einkaufen der Lebensmittel, die Wäsche und Raumpflege, die Mitwirkung bei Festen und Feiern in den Wohnungen und bei der Alltags- und Pflegeplanung, die eigenständige Ausführung festgelegter Pflegeaufgaben im Bereich der Grundpflege und die Einbeziehung der Angehörigen und Ehrenamtlichen in den Alltag.
Die Dienststelle hat, nachdem die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung verweigert hat, beantragt,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Entgeltgruppe 3 A.2 AVR.DW.EKD besteht.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
und die Auffassung vertreten, zutreffend sei eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 4 AVR.DW.EKD.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag zurückgewiesen und die Auffassung vertreten, insgesamt liege das Niveau des Aufgabenspektrums einer “Präsenzkraft“ im Hausgemeinschaftkonzept der Dienststelle über dem Niveau der Entgeltgruppe 3 der AVR.DW.EKD. Mit der vom Kirchengerichtshof der EKD angenommenen Beschwerde verfolgt die Dienststellenleitung ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde der Dienststellenleitung ist begründet. Die der Mitarbeiterin D übertragenen Aufgaben sind solche der Entgeltgruppe 3 A.2. der Anlage 1 zu den AVR.DW.EKD. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne von § 41 Abs. 1 MVG.EKD besteht nicht.
1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AVR.DW.EKD ist die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppen gemäß der Anlage 1 eingruppiert. Nach § 12 Abs. 2 AVR.DW.EKD erfolgt die Eingruppierung in die Entgeltgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter erfüllt und der Tätigkeit das Gepräge geben. Für die Eingruppierung ist nach § 12 Abs. 3 AVR.DW.EKD nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters maßgebend; entscheidend ist die für die Ausübung der Tätigkeit in der Regel erforderliche und nicht die formale Qualifikation.
2. Die allgemeinen Merkmale einer Vergütungsgruppe sind grundsätzlich erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausübt, die als Regel-, Richt- oder Tätigkeitsbeispiel zu dieser Vergütungsgruppe genannt ist (KGH.EKD, Beschluss vom 22. Juni 2009, I-0124/P89-08, www.kirchenrecht-ekd.de). Enthält eine Eingruppierungsbestimmung neben einem Obersatz und diesen erläuternde Bestimmungen auch Richtbeispiele, so ist zunächst zu prüfen, ob ein Richtbeispiel einschlägig ist und ob dessen Merkmale erfüllt sind. Nur wenn die Tätigkeit vom Richtbeispiel nicht oder nicht vollständig erfasst ist, ist auf die allgemeinen Merkmale zurückzugreifen. Die Richtbeispiele in dem Entgeltgruppenverzeichnis der Anlage 1 zu den AVR.DW.EKD sind deshalb selbstständige Grundlage für die Eingruppierung. Die Voraussetzungen für die Eingruppierung in einer Entgeltgruppe der Anlage 1 zu den AVR.DW.EKD sind erfüllt, wenn die Gesamttätigkeit des Arbeitnehmers die Merkmale eines Richtbeispiels dieser Entgeltgruppe erfüllt (vgl. zum Tarifvertrag Telekom: BAG, Urteil vom 18. April 2007 - 4 AZR 696/05 - AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Telekom; KGH.EKD, Beschluss vom 22. Juni 2009, a.a.o.).
3. In die Entgeltgruppe 3 sind Mitarbeiter/-innen mit Tätigkeiten, die Fertigkeiten und einfache Kenntnisse voraussetzen, eingruppiert. Hierzu gehören nach A.2 Mitarbeiter/-innen mit sehr einfachen Tätigkeiten in der Hauswirtschaft und zusätzlich einfachen Tätigkeiten in der Grundpflege oder Betreuung. Richtbeispiel ist die Präsenzkraft. Sehr einfache Tätigkeiten setzen nach der Anmerkung Nr. 2 zu den AVR.DW.EKD eine fachliche Einarbeitung, jedoch keine Berufsausbildung voraus. In der fachlichen Einarbeitung wird das für die Tätigkeit erforderliche Wissen erworben. Einfache Tätigkeiten setzen demgegenüber nach der Anmerkung Nr. 3 Fertigkeiten und einfache Kenntnisse voraus. Diese werden in erweiterter fachlicher Einarbeitung über einen längeren Zeitraum in Schulungen oder durch einschlägige Tätigkeitserfahrungen erlangt.
4. Frau D übt die Aufgaben einer Präsenzkraft aus, die ihr übertragene Tätigkeit entspricht dem Richtbeispiel. Der Begriff der Präsenzkraft steht in der sozialen Arbeit in der Regel für Personen, die Menschen mit Demenz mit dem Ziel, ihnen so lange wie möglich ein normales häusliches Leben, z.B. in Wohn- oder Hausgemeinschaften zu ermöglichen, begleiten und betreuen. Ihnen fallen Aufgaben zu, die zwischen Grundpflege und Hauswirtschaft liegen und die fachliche Qualifikation ausgebildeter Pflegekräfte nicht erfordern. Frau D betreut die Bewohner/-innen bei den täglichen Verrichtungen. Sie kocht mit ihnen, pflegt die Wäsche, nimmt die Raumpflege wahr und sorgt allgemein für ein angenehmes Lebensumfeld. Für die darüber hinaus verrichteten Aufgaben der Grundpflege bedarf es keiner pflegerischen Qualifikation, Frau D hat an dem für die Wahrnehmung der Aufgaben ausreichenden 160-Stunden Lehrgang teilgenommen. Schwierigere Pflegetätigkeiten sind Mitarbeiter/-innen mit einjähriger Ausbildung oder Pflegefachkräften vorbehalten. Mitarbeiter/-innen mit einjähriger Ausbildung sind - bei Übertragung entsprechender Tätigkeiten - in die Entgeltgruppe 4 der AVR.DW.EKD eingruppiert. Pflegefachkräfte in die Entgeltgruppe 7. Dass die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten mehr als eine fachliche Einarbeitung voraussetzen, ist nicht zu erkennen. Es handelt sich um “normale“ Tätigkeiten des Kochens, des Reinigens und der Pflege von Wäsche; soweit Diätpläne zu beachten sind, sind die Mahlzeiten vorgegeben und lediglich nachzukochen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).