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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:30.01.1997
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/A11-96
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 39 Buchst. d), BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 7, BBiG § 1 Abs. 3, AFG §§ 33, 41 bis 46
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen, Az.: 2 M 45/96; Fundstellen: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - Rechtsprechungsreport 10/98 S. 480; Die Mitarbeitervertretung 3/97 S.136; Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 1998 S. 28
Schlagworte:Mitbestimmungsrecht der MAV bei der Auswahl von Teilnehmern an Fortbildungsmaßnahmen
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Leitsatz:

Fortbildung im Sinne von § 39 Buchst. d) MVG.EKD liegt nur dann vor, wenn den Teilnehmern Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, die über die bloße fehlerfreie und ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer bisherigen Aufgaben hinausgehen und ihnen eine zusätzliche Qualifikation für das berufliche Fortkommen verschaffen (im Anschluß an BVerwG, B. v. 27.11.1991 - 6 P 7.90 -, ZBR 1992, 275 (LS 4), 278).

Tenor:

1. Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluß der Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche von Westfalen in Münster (Westf.) vom 29. August 1996 - 2 M 45/96 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beschwerdegegnerin.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dienststellenleitung das Mitbestimmungsrecht der Antragstellerin bei der Auswahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen an einer Fortbildungsveranstaltung verletzt hat.
Die Dienststellenleitung entsandte ohne Zustimmung der Antragstellerin drei Mitarbeiter der Zentralküche zu dem sechsstündigen Seminar "Hygiene in Großküchen. Die Verantwortung heute.". Der Veranstalter nannte in einem Werbeprospekt als Seminarteilnehmer "Wirtschaftsleiter, Küchenleiter, Mitarbeiter aus dem Cateringbereich" und Seminarreferenten. In einer Charakterisierung des Seminars führte der Veranstalter aus:
Ihr Problemkreis in der Praxis:
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Die Mitarbeitervertretung hat geltend gemacht, ihr Mitbestimmungsrecht gemäß § 39 Buchst. d) MVG.EKD (Auswahl der Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen) sei verletzt.
Sie hat beantragt
festzustellen, daß die Dienststellenleitung bei der Maßnahme "Hygiene in Großküchen" am 10. Mai das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung verletzt hat und die Teilnehmer zu dieser Veranstaltung nicht hätten entsandt werden dürfen.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, es habe sich bei der Veranstaltung um eine nicht mitbestimmungspflichtige Dienstreise gehandelt.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag durch Beschluß vom 29. August 1996 zurückgewiesen und unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 1991 - 6 P 7.90 - (ZBR 1992, 275) und die darin enthaltene Abgrenzung des Begriffs "Fortbildung" (i.S. des § 75 Abs. 3 Nr. 7 BPersVG) ausgeführt, bei dem Seminar "Hygiene in Großküchen" habe es lediglich um eine fachliche Unterrichtung der Teilnehmer zur Aufrechterhaltung des dienstlich erforderlichen Leistungsstandes gehandelt, nicht aber um eine Fortbildungsmaßnahme im Sinne des § 39 Buchst. d) MVG.EKD.
Gegen den ihr am 10. September 1996 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26. September 1996, eingegangen am 30. September, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 21. Oktober, eingegangen am 31. Oktober, begründet.
Die Beschwerdeführerin trägt vor: Die Schlichtungsstelle habe den Rahmen der der Mitbestimmung unterliegenden Fortbildungsveranstaltung unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu eng gefaßt. Da der Begriff "Fortbildung" im Mitarbeitervertretungsgesetz nicht bestimmt sei, müsse auf gesetzliche Definitionen an anderer Stelle zurückgegriffen werden. Das Berufsbildungsgesetz (BBiG, § 1 Abs. 3) wie auch das Arbeitsförderungsgesetz (AFG, § 41 Abs. 1) verstünden unter Fortbildung solche Maßnahmen, die das Ziel haben, berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten festzustellen, zu erhalten, zu erweitern oder der technischen Entwicklung anzupassen oder einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen.
Nach der Begründung des angefochtenen Beschlusses sei nicht recht nachzuvollziehen, warum das Thema "Hygiene in Großküchen" nicht zur Erhaltung von Kenntnissen bzw. der Anpassung an die technische Entwicklung taugten und damit nicht auch der Fortbildung zuzurechnen sein sollten. Fasse man den Fortbildungsbegriff so eng wie der angefochtene Beschluß, werde sich regelmäßig Streit darüber entwickeln, ob das vermittelte Wissen den "dienstlich erforderlichen Leistungsstand" herstelle oder aber darüber hinausgehe und damit ein Mitbestimmungsrecht bestehe oder nicht.
In jedem Falle aber sei der Seminarinhalt nicht notwendige Wissensvermittlung gewesen in dem Sinne, daß ohne Teilnahme die Arbeit in der Küche nicht hätte fortgesetzt werden können. Die EG-Richtlinie 93/94 stamme vom 14. Juni 1993. Es sei nicht verständlich, warum ihre Befolgung gerade im Mai 1996 notwendig gewesen sein solle, bis dahin aber nicht.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Spruch der Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche von Westfalen, 2. Kammer, zum AZ: 2 M 45/96 vom 29. August 1996 aufzuheben und nach dem Schlichtungsverfahren gestellten Antrag zu beschließen.
Die Beschwerdegegnerin verfolgt die Zurückweisung des Antrags. Sie führt aus, der Begriff "Fortbildung" im Sinne des Mitarbeitervertretungsgesetzes müsse dahin ausgelegt werden, daß es der Mitbestimmung bei der Auswahl der Teilnehmer dann bedürfe, wenn zusätzliche Kenntnisse vermittelt werden sollten, um so der Mitarbeitervertretung die Möglichkeit zu geben, eine Gleichbehandlung zu erreichen. Das Interesse der Mitarbeiter und der Mitarbeitervertretung bestehe gerade darin, eine gerechte Verteilung der Fortbildungschancen zu erlangen, da sich die erworbenen Kenntnisse möglicherweise positiv auf die Aufstiegschancen der Beschäftigten auswirken könnten. Das Seminar vom 10. Mai 1996 habe nur Kenntnisse vermitteln sollen, die zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Arbeit dienen. Es habe sich bei ihm daher nicht um eine Fortbildungsmaßnahme im Sinne des Mitarbeitervertretungsgesetzes gehandelt.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird zur Darstellung des Sachverhalts auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.
II. Die Beschwerde ist statthaft nach § 63 Abs. 1 Buchst. a) MVG.EKD. Sie ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.
Nach § 39 Buchst. d) MVG.EKD hat die Mitarbeitervertretung ein Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen an Fortbildungsveranstaltungen. Die Bestimmung ist dem § 75 Abs. 3 Nr. 7 BPersVG fast wörtlich nachgebildet. Beide Gesetze definieren den Begriff der Fortbildungsveranstaltung nicht. Eine Abgrenzung findet sich dagegen in zwei anderen Gesetzen: dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG). So heißt es in § 1 Abs. 3 BBiG, die berufliche Fortbildung solle es ermöglichen, die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten, zu erweitern, der technischen Entwicklung anzupassen oder beruflich aufzusteigen. § 41 Abs. 1 AFG bestimmt, die Bundesanstalt fördere die Teilnahme an Maßnahmen, die das Ziel haben, berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten festzustellen, zu erhalten, zu erweitern oder der technischen Entwicklung anzupassen oder eine beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, und eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung voraussetzen (berufliche Fortbildung). Bei dem Berufsbildungsgesetz handelt es sich um ein Ordnungsgesetz, das den gesamten Bereich der Berufsbildung (Ausnahmen § 2 Abs. 2 und § 73) regelt, wie insbesondere der dritte Teil des Gesetzes mit der Überschrift "Ordnung der Berufsbildung" zeigt. Die berufliche Fortbildung ist nur ganz knapp behandelt.
§ 46 Abs. 1 spricht von Prüfungen zum Nachweis von Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen, die durch berufliche Fortbildung erworben worden sind. § 46 Abs. 2 enthält eine Ermächtigung zum Erlaß von Ausführungsverordnungen.
Nach § 33 AFG fördert die Bundesanstalt berufliche Ausbildung, berufliche Fortbildung und berufliche Umschulung in näher bestimmter Weise. Die berufliche Fortbildung ist in den §§ 41 bis 46 AFG geregelt. Es geht um Leistungsbestimmungen. So gewährt § 44 Abs. 1 den Teilnehmern an Maßnahmen zu beruflichen Fortbildung ein Unterhaltsgeld nach näherer Regelung in den folgenden Absätzen. Die Fortbildungsmaßnahmen der Bundesanstalt sollen die Vermittelbarkeit verbessern und der Arbeitslosigkeit entgegenwirken.
Während das Berufsbildungsgesetz einen bestimmten Lebensbereich ordnet (und eine Verletzung seiner Bestimmungen mit Bußgeldvorschriften bewehrt), regelt das Arbeitsförderungsgesetz - soweit es um die berufliche Fortbildung geht - "Maßnahmen", die mit Mitteln der Bundesanstalt durchgeführt werden. § 75 Abs. 3 Nr. 7 BPersVG (und mit ihm § 39 Buchst. d) MVG.EKD) stellt ab auf die Auswahl von Teilnehmern an Fortbildungs"veranstaltungen" des Arbeitgebers (Dienstgebers). Das vom Gesetz angeordnete Mitbestimmungsrecht soll die Personalvertretung (Mitarbeitervertretung) an der Auswahl beteiligen, da sich die bei den Fortbildungsveranstaltungen erworbenen Kenntnisse günstig auf das berufliche Fortkommen der Beschäftigten auswirken können (so BVerwG, B. vom 27.11.1991 - 6 P 7.90 -, ZBR 1992, 275, 278). Bei derartigen Veranstaltungen soll der Arbeitgeber (Dienstgeber) nicht willkürlich bevorzugen können, sondern es soll bei der Auswahl der Teilnehmer gerecht verfahren werden. Um das zu erreichen, hat das Gesetz ein Mitbestimmungsrecht eingeführt.
Aus dem Sinn und Zweck der Mitbestimmungsregelung wird deutlich, daß der Begriff der Fortrbildungs"veranstaltung" in § 75 Abs. 3 Nr. 7 BPersVG und § 39 Buchst. d) MVG.EKD enger ist als der der Fortbildungs"maßnahme" der §§ 41 bis 46 AFG. Berufliche Fortbildungsmaßnahmen können sich - nach der Planung der Arbeitsämter - auch auf den Erhalt, die Erweiterung und Anpassung von beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten erstrecken, das Mitbestimmungsrecht des § 75 Abs. 3 Nr. 7 BPersVG (und des § 39 Buchst. d) MVG.EKD bezieht sich dagegen nur auf Fortbildungsveranstaltungen, die das berufliche Fortkommen, insbesondere den beruflichen Aufstieg günstig beeinflussen können. Bei den Fortbildungsveranstaltungen muß es sich um mehr handeln als die stets notwendige Anpassung der Kenntnisse an technische, organisatorische und rechtliche Neuerungen, ohne die ein geregelten Dienstbetrieb nicht denkbar ist (so zutr. Hess. VGH, B. vom 10.1.1990 - BPV TK 3242/89 -, ZBR 1990, 361, 362). Wesentlich ist, daß über die bloße Erhaltung und Vertiefung des bereits vorhandenen Wissens hinaus neue Kenntnisse erworben werden, die sich innerhalb des beruflichen Spektrums halten, aber über den Mindeststandard hinausgehen. Fortbildung liegt daher nur dann vor, wenn eine zusätzliche Qualifikation vermittelt wird (BVerwG, aaO).
Andernfalls würde das Mitbestimmungsrecht auf Vorgänge erstreckt, die zur täglichen Dienstausübung gehören und von ihr gar nicht zu trennen sind. Das wiederum würde zu einem Tätigwerden der Personalvertretung (Mitarbeitervertretung) führen, die außerhalb des Gesetzeswerks liegt (so zutr. Hess. VGH, aaO, S. 362).
Wendet man diese Grundsätze, die auch der Entscheidung der Schlichtungsstelle zugrundeliegen, auf den Streitfall an, so ergibt sich daß der angefochtene Beschluß richtig ist. Das von dem Veranstalter angestrebte Ziel des Seminars (insbesondere, die Teilnehmer in die Lage zu versetzen, den Hygienestatus im Betrieb zu beurteilen und geeignete Maßnahmen zu planen und durchzuführen), betrifft einen Leistungsstand, der von allen Mitarbeitern moderner Großküchen verlangt werden muß. Daß die vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten über die bloße fehlerfreie und ordnungsgemäße Wahrnehmung der zu erledigenden Aufgaben hinausgehen und den Teilnehmern eine zusätzliche Qualifikation geben, ist nicht ersichtlich.