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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:11.09.1997
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/B9-97
Rechtsgrundlage:MVG.K §§ 46, 47, 63 Abs. 8; 65 Abs. 1 Nr. 7, BetrVG 1972 § 111, ZPO §§ 103, 104, VwGO § 122; §§ 164, 165, VGG.EKD § 13 Abs. 2
Vorinstanzen:Schiedsstelle DW der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V., Az.: 2VR MVG 8/97; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 1/98 S. 33
Schlagworte:Notwendigkeit von Rechtsanwaltskosten
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Leitsatz:

1. Der "Bescheid" des Vorsitzenden (§ 63 Abs. 8 Satz 2 MVG.K) muß nicht begründet werden; er sollte aber eine Begründung enthalten. Gegen ihn ist die Beschwerde zum Verwaltungsgericht der EKD statthaft (§ 65 Abs. 1 Nr. 7 MVG.K).
2. Eine mitberatungspflichtige Einschränkung einer Dienststelle (§ 47 Nr. 1 MVG.K) durch Personalabbau liegt vor, wenn ein erheblicher Teil der Dienstnehmer davon betroffen ist (im Anschluß an BAG; z.B. B. vom 7. August 1990, AP Nr. 30 zu § 111 BetrVG 1972).

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der Schiedsstelle des Diakonischen Werkes der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. vom 2. Juni 1997 - 2 VR 8/97 - (Beschluß hinsichtlich des Kostenantrages) wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens, insbesondere die Rechtsanwaltskosten, die bei der Antragstellerin entstehen, aufzuerlegen, wird ebenfalls zurückgewiesen.

Gründe:

I. Zum 31. Januar und zum 31. März 1997 schieden bei dem Antragsgegner in einer Einrichtung je eine Mitarbeiterin aus. Der Antragsgegner beabsichtigte, die beiden Stellen aus Kostengründen vorerst nicht neu zu besetzen. Der Stellenplan sollte entsprechend umgestaltet werden.
Die Antragstellerin hat mit Anwaltsschriftsatz vom 19. Februar 1997 die Schiedsstelle angerufen und vorgetragen, der Antragsgegner habe sie an der Planung für die Umstrukturierung des Stellenplans in keiner Weise beteiligt. Erstmals nach einer Besprechung am 6. Februar habe sie durch Dritte erfahren, daß eine derartige Planung bestehe und vollzogen werde. Die Antragstellerin sah ihre Rechte verletzt und hat den Antrag angekündigt
festzustellen, dass der Antragsgegner durch die Änderung des Stellenplanes in der Einrichtung, den Wegfall der Stellen der betroffenen Mitarbeiterinnen und die daraus folgende Umstrukturierung die Rechte der Antragstellerin verletzt hat.
Der Antragsgegner hat den Antrag angekündigt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Antragstellerin habe am 6. Februar 1997 im Rahmen einer Stellenplanberatung in seine Überlegungen einbezogen und über die aktuelle Stellenplanbewirtschaftung informiert werden sollen. Wegen Erkrankung des Verwaltungsleiters und des Personalleiters habe der Termin abgesagt werden müssen. Sofort nach Wiederaufnahme der Arbeit sei der Antragstellerin als neuer Termin der 17. Februar 1997 vorgeschlagen worden. Die Antragstellerin habe jedoch eröffnet, daß sie bereits die Schiedsstelle angerufen habe.
Im Termin vor der Schiedsstelle am 2. Juni 1997 schlossen die Beteiligten nach Erörterung der Sach- und Rechtslage auf Vorschlag der Schiedsstelle folgenden Teilvergleich:
1. Bei Verfahren der Mitberatung wird der Antragsgegner künftig die Mitarbeitervertretung über ihre beabsichtigten Maßnahmen unterrichten, sobald zu Gegenständen der Mitberatung eine Lösungsidee vorhanden ist und die Absicht der Durchführung dieser Idee besteht.
2. Damit ist das vorliegende Verfahren erledigt.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin beantragt, den Streitwert auf 8.000,-- DM festzusetzen und den Antragsgegner zur verpflichten, die Rechtsanwaltskosten analog BRAGO zu erstatten.
Der Antragsgegner bat um Zurückweisung des Antrags.
Die Schiedesstelle beschloß daraufhin:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gegen den "Beschluß hinsichtlich des Kostenantrages", zugegangen am 26. Juni 1997, hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 2. Juli 1997, eingegangen am folgenden Tage, Beschwerde eingelegt. Er trägt vor:
Der Kostenbeschluß könne bereits aus formalen Gründen keinen Bestand haben, weil jede Begründung fehle. Auch inhaltlich sei der Beschluß falsch. Die Antragstellerin habe keineswegs mutwillig das Verfahren eingeleitet. Der Antragsgegner habe sich durchgehend auf den Standpunkt gestellt, das verletzte Mitbestimmungsrecht bestehe nicht. Der Antragsgegner habe daher durch das Verfahren zur Anerkennung der Rechte der Mitarbeitervertretung gezwungen werden müssen. Die Angelegenheit sei außerdem rechtlich so schwierig gewesen, daß die Antragstellerin einen Rechtsanwalt habe beiziehen müssen.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin beantragt,
die Entscheidung der Schiedsstelle des Diakonischen Werkes Hannover in dem Verfahren 2 VR MVG 8/97 vom 2. Juni 1997 (Beschluß hinsichtlich des Kostenantrages) aufzuheben und den Streitwert auf 8.000,-- DM festzusetzen sowie den Beschwerde- und Antragsgegner zu verpflichten, die Rechtsanwaltskosten analog BRAGO zu erstatten.
Weiter wird beantragt festzustellen,
der Beschwerdegegner hat auch die Kosten für dieses Verfahren zu tragen, insbesondere die Rechtsanwaltskosten, die bei dem Beschwerdeführer entstehen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, die Mitarbeitervertretung habe mit der Anrufung der Schiedsstelle vorschnell gehandelt. Eine gerichtliche Auseinandersetzung sei nicht nötig gewesen. Er habe das Mitberatungsrecht nie bestritten; auch könne man nicht von einer schwierigen Rechtsmaterie ausgehen.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten, insbesondere wegen aller Einzelheiten, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Die Beschwerde ist statthaft nach § 65 Abs. 1 Nr. 7, § 63 Abs. 8 Satz 2 MVG.K. Sie ist auch frist- und formgerecht eingelegt worden und damit zulässig. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.
1. Nach § 63 Abs. 8 Satz 1 MVG.K trägt die Kosten des Verfahrens vor der Schiedsstelle die Dienststellenleitung (genau: die Dienststelle). Zu den Kosten gehören auch die notwendigen Kosten für Beistände, welche die Beteiligten hinzugezogen haben. Über die Notwendigkeit der Kosten entscheidet der Vorsitzende durch "Bescheid" (Satz 2). Soweit § 63 Abs. 8 Satz 2 zweiter Halbsatz des Gesetzes die entsprechende Anwendung von Abs. 6 anordnet, ergibt diese Regelung keinen Sinn. Denn wenn das Gesetz selbst dem Vorsitzenden die Entscheidung über die Notwendigkeit der Kosten überträgt, bedarf es nicht der Zustimmung der Beteiligten für die Beschlußfassung durch ihn allein. Die Vorschrift des Halbsatzes kann daher bei der Auslegung des § 63 Abs. 8 des Gesetzes vernachlässigt werden.
Nachdem § 63 Abs. 8 Satz 1 MVG.K die grundsätzliche Frage, wer die Verfahrenskosten trägt, beantwortet hat, bleibt dem Vorsitzenden die Entscheidung darüber, ob die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlich waren. Diese Entscheidung umfaßt die Frage nach dem Streitwert (§ 3 VerfOSchst) sowie die Frage, ob die Beiziehung eines Beistandes - in der Regel eines Rechtsanwalts - wegen der tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit des Streitfalles notwendig war. Dagegen braucht der Vorsitzende nicht über die rechnerische Höhe der Anwaltsgebühren zu befinden, dieser Punkt ist in einem besonderen Kostenfestsetzungsverfahren zu klären (§ 1 VerfOSchst, § 84 ArbGG, §§ 103, 104 ZPO, 21 Nr. 1 RPflG; vgl. dazu auch § 164 VwGO).
Nach § 65 Abs. 1 Nr. 7 MVG.K (in Verbindung mit § 1 VerfOSchst) ist die Beschwerde "gegeben gegen Beschlüsse der Schiedsstelle über die Kostenfestsetzung. Allerdings hat der Gesetzgeber an keiner Stelle des Gesetzes geregelt, daß und unter welchen Voraussetzungen die Schiedsstelle über die Kostenfestsetzung zu beschließen habe. Zudem ist der "Bescheid" des Vorsitzenden nach § 63 Abs. 8 Satz 2 MVG.K nicht in der Enumeration des § 65 Abs. 1 des Gesetzes enthalten. Zwischen "Bescheid" des Vorsitzenden über die Notwendigkeit von Kosten und "Beschluß der Schiedsstelle" über die Kostenfestsetzung besteht ein terminologischer und auch logisch-systematischer Unterschied. Trotz dieser Unstimmigkeiten wird man bei Erforschung von Sinn und Zweck des § 65 Abs. 1 Nr. 7 MVG.K diese Regelung dahin zu verstehen haben, daß hier gemeint ist die inhaltliche Nachprüfung des "Bescheides" des Vorsitzenden nach § 63 Abs. 8 Satz 2 MVG.K (vgl. Baumann-Czichon/Germer, MVG.K, § 65 Rdnr. 8 - anders als hier sind die genannten Autoren jedoch der Ansicht, daß die Entscheidung über die Notwendigkeit der Kosten auch die Entscheidung über deren Höhe umfasse: § 63 Rdnr. 15 a.E.; Fey/Rehren, MVG.K, § 65 Rdnr. 13). Der Terminus "Kostenfestsetzung" ist mithin untechnisch zu verstehen. Jedenfalls ist nicht gemeint die Nachprüfung der eigentlichen Kostenfestsetzung seitens des Kostenbeamten (vgl. dazu §§ 103, 104 ZPO sowie § 154 VwGO).
2. Nach § 63 Abs. 8 Satz 2 MVG.K entscheidet der Vorsitzende über die Notwendigkeit der Kosten durch "Bescheid". Vorliegend hat die Schiedsstelle in voller Besetzung entschieden. Dieses verfahrensrechtliche "Mehr" führt nicht zur Unwirksamkeit der angefochtenen Entscheidung. Sie behält ihren Rechtscharakter als "Bescheid" , auch wenn sie, wie hier, in die Rechtsform eines Beschlusses gekleidet ist.
Der angefochtene Bescheid enthält keine Begründung. Das wird audrücklich gerügt. Üblicherweise sind Beschlüsse (und für Bescheide kann nichts anderes gelten), wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden, zu begründen. Diese allgemeine Regel findet ihren Niederschlag z.B. in § 122 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Diese Bestimmung gilt indessen nicht im Verfahren vor der Schiedsstelle. Vor allem aber schreibt § 63 Abs. 8 Satz 1 MVG.K nicht vor, daß der Bescheid zu begründen sei.
Der Bescheid als Entscheidungsform ist dem § 63 des Gesetzes bekannt: Abs. 7 Satz 1 ermöglicht die Zurückweisung eines offensichtlich unbegründeten Antrags ohne mündliche Verhandlung; gleiches gilt, wenn die Schiedsstelle für die Entscheidung über den Antrag offenbar unzuständig ist oder eine Antragsfrist versäumt worden ist (Satz 2). Hier verlangt das Gesetz aber ausdrücklich eine Begründung (Satz 3).
Ob es sich bei § 63 Abs. 8 Satz 2 MVG.K, soweit diese Bestimmung für den Bescheid des Vorsitzenden keine Begründungspflicht vorschreibt, um ein Redaktionsversehen handelt (wie es bei dem zweiten Halbsatz offensichtlich der Fall ist), läßt sich nicht sagen. Daher muß als Ergebnis gelten, daß der Bescheid des Vorsitzenden nicht begründet werden muß.
3. Soweit die angefochtene Entscheidung den Antrag auf Streitwertfestsetzung und Kostenzuweisung zurückweist, ist sie im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn die Antragstellerin hat die Schiedsstelle ohne zureichenden Grund angerufen. Ihr Feststellungsbegehren war über dies im Hinblick auf § 46 Abs. 2 MVG.K unschlüssig.
Die Entscheidung des Antragsgegners, die zu Ende Januar und zu Ende März 1997 frei werdenden beiden Stellen aus Gründen der Kostenersparnis vorerst nicht wiederzubesetzen, unterlag nicht der Mitberatung. In Betracht käme als Mitberatungstatbestand die "Einschränkung" einer Dienststelle (Baumann-Czichon/Germer, wollen hier von Betrieb oder Betriebsstätte sprechen; MVG.K, Kommentar, § 47 Rdnr. 1) oder wesentlichen Teilen von ihr (§ 47 Nr. 1 MVG.K - die Vorschrift entspricht insoweit § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG). Dies kann, wie hier, durch reinen Personalabbau herbeigeführt werden, auch wenn die sachlichen Betriebsmittel beibehalten werden (ständige Rspr. des BAG, vgl. die Nachweise bei Fitting/Auffahrtn/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 111 Rdnr. 19). Eine "Einschränkung" im Sinne des Gesetzes liegt aber nur dann vor, wenn ein erheblicher Teil der Arbeitnehmer davon betroffen ist. Das Bundesarbeitsgericht verwendet insoweit den § 17 Abs. 1 KSchG als Maßstab (vgl. nur B. v. 7.8.1990, AP Nr. 30 zu § 111 BetrVG 1972). Danach müssen bei Betrieben von 21 bis zu 59 Arbeitnehmern sechs Arbeitnehmer von der Maßnahme betroffen sein. Der Antragsgegner beschäftigt in der Einrichtung ungefähr 40 Arbeitnehmer. Da von dem Einsparungsbeschluß nur zwei Arbeitnehmerinnen betroffen waren ( die ihr Arbeitsverhältnis überdies aufgrund eigenen Entschlusses beendet hatten), lag zunächst noch kein Fall der Mitberatung vor.
Geht man davon aus, daß die beabsichtigten Umstrukturierungen mit ihren Auswirkungen im einzelnen der Mitberatung bedurften, so ist das unbestrittene Vorbringen des Antragsgegners von Bedeutung, die Antragstellerin habe noch Mitte Februar unterrichtet werden sollen. Nimmt man den 6. Februar als Zeitpunkt der erstmaligen Unterrichtung, weil die Heimleiterin an diesem Tag einen entsprechenden Hinweis gegeben hat, so konnte die Antragstellerin nunmehr eine Erörterung der Angelegenheit verlangen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 MVG.K) und ihre Rechte wahren. Stattdessen hat sie, noch vor Ablauf der gesetzlichen Zweiwochenfrist, einen Rechtsanwalt beauftragt und die Schiedsstelle anrufen lassen. Dazu bestand jedoch kein Anlaß. Das wird auch deutlich durch den weiteren Verlauf des Verfahrens. Die Beteiligten schlossen auf Vorschlag der Schiedsstelle einen Vergleich, der inhaltlich nichts anderes als den Gesetzeswortlaut enthält.
Die beantragte Kostenerstattung ist daher zu Recht verweigert worden, denn die entstandenen Rechtsanwaltskosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig.
Da die gegen den angefochtenen Beschluß eingelegte Beschwerde erfolglos geblieben ist, bestand auch kein Anlaß, dem Antragsgegner und Beschwerdegegner gemäß § 13 Abs. 2 VGG.EKD nach billigem Ermessen die hierfür entstehenden Kosten aufzuerlegen.