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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:10.08.2000
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/E3-00
Rechtsgrundlage:MVG.BEK § 39 Buchst. c, d
Vorinstanzen:Gemeinsame Schlichtungsstelle der Bremischen Ev. Kirche und des Diakonischen Werkes Bremen e.V., Az.: D III - 34/99; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 6/00, S. 283; Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2001, S. 42
Schlagworte:Anwendungsvorrang gliedkirchlich-diakonischer Arbeitsrechtsregelungen
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Leitsatz:

1. Das Mitbestimmungsrecht nach § 39 Buchst. d MVG.BEK beschränkt sich auf die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Fort- und Weiterbildungsveranstaltung.
2. Ob der Zuschnitt der Fort- und Weiterbildungsveranstaltung mitbestimmungspflichtig ist, war nicht zu entscheiden.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Bremischen Ev. Kirche und des Diakonischen Wer-kes Bremen e.V. vom 2. Dezember 1999 - D III - 34/99 - wird zurückgewie-sen.
Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.
Der Gegenstandswert wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Mitbestimmung bei der Teilnehmerauswahl im Zusammenhang mit Fortbildungs- und Weiterbildungsveranstaltungen, in erster Linie darüber, ob bei der angenommenen Fallkonstellation überhaupt eine Teilnehmerauswahl vorliegt.
Die Dienststelle betreibt in Bremen eine diakonische Einrichtung. Zu dieser Einrichtung gehören ein Altenpflegeheim (nebst ambulanter häuslicher Pflege), ein Neurologisches Rehabilitationszentrum (NRZ) und ein Berufsförderungswerk. Beim NRZ handelt es sich um ein Spezialkrankenhaus, in dem vor allem Kinder und Jugendliche, meist mit Hirnverletzungen, im Rahmen einer sog. Früh-Reha behandelt werden. Im pflegerisch-rehabilitativen Bereich beschäftigt das Krankenhaus außer den pflegerisch geschulten Kräften pädagogisch ausgebildete Mitarbeiter.
Antragstellerin ist die bei der Dienststelle gebildete Mitarbeitervertretung.
Mit Schreiben vom 2. Juli 1999 erhielt die Dienststelle von einer Lehrerin für Krankenpflege, ein Schulungsangebot zum Thema "Intermittierendes Katheterisieren". Gerichtet war dieses Angebot ausdrücklich an das NRZ. Die ärztliche Leiterin des NRZ, Frau D, befürwortete die Schulung der im NRZ beschäftigten Pflegekräfte. Der Leiter des Pflegedienstes beantragte beim Fortbildungsausschuss die Genehmigung einer dringend erforderlichen eintägigen Fortbildung nebst einer eintägigen Wiederholung, weil die Teilnehmerzahl auf maximal 6 veranschlagt war. Die Vertreterin der Antragstellerin im Fortbildungsausschuss widersprach im Hinblick auf die auch im Altenpflegeheim beschäftigten Pflegekräfte der Teilnehmerauswahl, so dass kein Einvernehmen erzielt wurde. An zwei Tagen im Juli 1999 nahmen lediglich die Pflegerinnen und Pfleger des NRZ an der angebotenen Schulung teil.
Die Mitarbeitervertretung nimmt das Mitbestimmungsrecht aus § 39 Buchst. d MVG.BEK für sich in Anspruch. Sie ist der Meinung, mit der von der Dienststelle vorab getroffenen Bestimmung des Bereichs, dem dann allein die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung angeboten wurde, sei zugleich eine Teilnehmerauswahl getroffen worden.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
festzustellen, dass der Antragsgegner gegen das Beteiligungsrecht der Antragstellerin verstößt, wenn er ohne Zustimmung der Mitarbeitervertretung alle einem bestimmten Arbeitsbereich angehörenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Teilnahme an einer Fortbildung einlädt und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Arbeitsbereichen nicht einlädt.
Die Dienststelle beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Antrag sei unzulässig und darüber hinaus auch unbegründet. Um allgemeine Fragen der Fortbildung habe es sich ohnehin nicht gehandelt. Weil sämtlichen Pflegekräften im NRZ die Teilnahme an der Schulung ermöglicht worden sei, sei es zu einer Teilnehmerauswahl im Sinne von § 39 Buchst. d MVG.BEK nicht gekommen. Die Wahrnehmung dieses Mitbestimmungsrechts liege zwar beim Fortbildungsausschuss. Hingegen seien hier Beteiligungsrechte nicht tangiert.
Die Gemeinsame Schlichtungsstelle hat durch Beschluss vom 2. Dezember 1999 den Antrag mit folgender Begründung zurückgewiesen: Der Antrag sei zulässig, weil ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen sei. Die zugrunde liegende Streitfrage, ob die Beschränkung einer Schulung auf einen Bereich mitbestimmungspflichtig sei, werde sich in ähnlicher Weise wahrscheinlich auch künftig stellen. Der Antrag sei unbegründet, weil die Dienststelle keine Auswahl unter den Teilnehmern der Schulungsveranstaltung getroffen habe. Über die Teilnahme sei stattdessen ohne jede personelle Auswahl geschlossen nach Tätigkeit und Arbeitsbereich entschieden worden. Ein Beteiligungsrecht ergebe sich nicht aus § 39 Buchst. d MVG.BEK, wenn sich Teilnehmerkreis und Adressatenkreis deckten. Die zum Thema "Intermittierendes Katheterisieren" angebotene Schulung sei von vornherein auf den Bereich NRZ beschränkt worden. Die Schlichtungsstelle verweist hierzu einerseits auf das von der Lehrerin unterbreitete Leistungsangebot und andererseits auf den entsprechenden Antrag der Pflegedienstleitung des NRZ an den Fortbildungsausschuss. Die im Zusammenhang mit einer Schulungsmaßnahme auf Sachgründen beruhende Begrenzung auf Arbeitsbereiche sei der Mitbestimmung nicht zugänglich. Eine sachwidrige Beschränkung der Schulung auf einen bestimmten Bereich, etwa zwecks Umgehung der Mitbestimmung, könne nicht angenommen werden.
Gegen den am 21. Februar 2000 zugestellten Beschluss hat die Mitarbeitervertretung mit Schriftsatz vom 15. März 2000, eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Die Mitarbeitervertretung und Beschwerdeführerin trägt weiter vor: Das Mitbestimmungsrecht aus § 39 Buchst. d MVG.BEK greife auch in einem Fall wie dem vorliegenden ein. Nach dem Gesetz sei jede Art von Teilnehmerauswahl mitbestimmungspflichtig. Im Ausgangsfall habe die mitbestimmungspflichtige Auswahlentscheidung bereits in der Bestimmung des Adressatenkreises gelegen. Ein erhebliches Interesse an der Schulung habe bei allen Pflegekräften bestanden, mithin auch bei den im Altenpflegeheim beschäftigten. Der natürliche Adressatenkreis sei über den Bereich des NRZ hinausgegangen. Deshalb sei die im vorhinein vorgenommene bereichsmäßige Abgrenzung willkürlich. An-gesichts der einheitlichen Leitung der Dienststelle und im Hinblick auf das umfassende Mandat der Mitarbeitervertretung sei die durch die Abgrenzung erfolgte Benachteiligung von Pflegekräften in anderen Bereichen mit dem Mitbestimmungsrecht aus § 39 Buchst. d MVG.BEK nicht vereinbar. Ihr Beteiligungsrecht dürfe nicht durch künstliche Barrieren und durch einen gewillkürten Adressatenkreises unterlaufen werden. Eine Selbständigkeit des NRZ in mitarbeitervertretungsrechtlicher Hinsicht könne nicht anerkannt werden. Auch wenn es für die verschiedenen Bereiche der Dienststelle verschiedene Kostenträger gebe, wie für den Krankenhausbereich die Krankenkassen, könnten die Kosten wie auch sonst anteilig umgelegt werden.
Die Mitarbeitervertretung und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Bremischen Evangelischen Kirche vom 2. Dezember 1999 - D III - 34/99 - abzuändern und festzustellen, dass der Antragsgegner gegen das Beteiligungsrecht der Antragstellerin verstößt, wenn er ohne Zustimmung der Mitarbeitervertretung alle einem bestimmten Arbeitsbereich angehörenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Teilnahme an einer Fortbildung einlädt und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Arbeitsbereichen die Teilnahme nicht ermöglicht.
Die Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Dienststelle macht sich die Gründe der angefochtenen Entscheidung zu eigen. Im übrigen erweitert und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdebeantwortung verwiesen. Ergänzend wird auf den gesamten Inhalt der Akten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist statthaft (§ 63 Abs. 1 Buchst. a MVG.BEK). Sie ist auch frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die Schlichtungsstelle hat den Antrag mit zutreffenden Gründen zurückgewiesen.
1. Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 16 VGG.EKD, §§ 125 Abs. 2, 130 a VwGO).
2. Der Antrag ist zulässig. Das allgemeine Interesse der Mitarbeitervertretung an der Klärung der umstrittenen Rechtsfrage ist von der Schlichtungsstelle zu Recht bejaht worden. Zwar fanden die Schulungen zum Thema "Intermittierendes Katheterisieren" bereits im Juli 1999 statt, so dass es sich um einen abgeschlossenen Vorgang handelt. Es ist aber zu erwarten, dass bei künftigen Veranstaltungen dieser Art die gleiche Streitfrage unter den Beteiligten wieder auftritt. Für diesen Fall ist allgemein anerkannt, dass die Streitfrage, bezogen auf diese künftigen Fälle, zur Entscheidung gestellt werden kann (BAG vom 10. April 1984, AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979; BVerwG vom 12. März 1986, E 74, 100, 102; BVerwG vom 23. September 1993, AP Nr. 53 zu § 5 BetrVG 1972; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., Rz. 25 zu § 81, m. w. Nachw.).
3. Die Beschwerde ist unbegründet, weil die Beschwerdeführerin in Fällen, um die es hier geht, sich auf das Mitbestimmungsrecht aus § 39 Buchst. d MVG.BEK nicht berufen kann.
a) Die Mitarbeitervertretung hat nach § 39 Buchst. d MVG.BEK ein Mitbestimmungsrecht, so dass es nach § 38 Abs. 1 Satz MVG.BEK bei der Auswahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen an Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen ihrer Zustimmung bedarf. Dabei geht die Kammer, in Übereinstimmung mit der Schlichtungsstelle, ohne weiteres davon aus, dass es sich bei der im Juli 1999 für die Pflegekräfte des NRZ durchgeführten Schulung um eine Fort- und Weiterbildungsveranstaltung im Sinne von § 39 Buchst. d MVG.BEK handelte. Zu den Veranstaltungen in diesem Sinne gehört nicht die Unterweisung, durch die lediglich die fehlerfreie und ordnungsgemäße Wahrnehmung der bisherigen Aufgaben sichergestellt werden soll. Das Mitbestimmungsrecht aus § 39 Buchst. d MVG.BEK bezieht und beschränkt sich vielmehr auf die Teilnehmerauswahl in bezug auf Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen.
b) Auswahl im Sinne von § 39 Buchst. d MVG.BEK bedeutet das Auswählen einzelner Personen oder einzelner Gruppen aus einem Kreis von Adressaten, der größer sein muss als der Teilnehmerkreis. Jede konkrete Benennung eines oder mehrerer Beschäftigten als Teilnehmer einer konkreten Veranstaltung stellt eine Auswahlentscheidung dar, wie sie hier gemeint ist (vgl. Lorenzen/ Schmitt/Etzel/Gerhold/Schlattmann, BPersVG, 97. Lief., Rz. 159 zu § 75, dessen Abs. 2 Ziff. 7 mit § 39 Buchst. d MVG.BEK gleichlautend ist). Man kann auch sagen, eine Auswahlentscheidung wird dann getroffen, wenn mehr Mitarbeiter an einer Fortbildung teilnehmen wollen, als dies möglich ist (so Baumann-Czichon/Germer, MVG-EKD, 1997, Rz. 17 zu § 39). Auf den hier vorliegenden Sachverhalt angewendet, muss dann aber unterschieden werden, zwischen dem Auswählen bzw. der Benennung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an den Schulung teilnehmen sollen, und der vorausgehenden Entscheidung darüber, ob alle in der Dienststelle Beschäftigten als Adressaten der Schu-lung in Betracht kommen sollen oder ob der Kreis der Adressaten beispielsweise deshalb enger ist, weil die Schulung nur für einen bestimmten Bereich der Einrichtung gedacht ist. Diese stets vorausgehende Überlegung und Bestimmung hat mit einer Teilnehmerauswahl unmittelbar nichts zu tun und fällt daher auch nicht unter § 39 Buchst. d MVG.BEK. Selbst wenn das Bedürfnis, an einer Fort- und Weiterbildungsveranstaltung teilzunehmen, über den von der Dienststelle bestimmten Bereich hinaus-geht, stellt diese Entscheidung nicht bereits die eigentliche Teilnehmerauswahl dar. Der Begriff "natürlicher Adressatenkreis" hilft da auch nicht weiter. Richtig ist allein, dass an einer Schulung, die in einer Einrichtung angeboten wird bzw. die auf Initiative einer Einrichtung stattfindet, eine Vielzahl von Beschäftigten interessiert sein kann, so dass bei einer bereichsmäßigen Eingrenzung ein Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unberücksichtigt bleibt. Weil ihm gar nicht die Möglichkeit einer Teilnahme geboten wird, bleibt er von vornherein außer Betracht. Nicht schon deshalb lässt sich aber von einem gewillkürten Adressatenkreis und von einem Unterlaufen der Mitbestimmung sprechen.
c) Die Entscheidung einer Dienststelle, eine Fort- und Weiterbildungsveranstaltung zu einem für die pflegerische Tätigkeit relevanten Thema nicht sämtlichen Pflegekräften anzubieten, sondern sie wie vorliegend auf den Krankenhausbereich zu beschränken, fällt in die organisatorische Kompetenz des Dienstgebers. In einer solchen Entscheidung wird in der Regel zugleich eine Prioritätensetzung zum Ausdruck kommen, indem etwa ein Bedarf an der angebotenen Schulung vorrangig für die im Krankenhaus beschäftigten Pflegekräfte anerkannt wird. Die Dienststelle betreibt mit dem NRZ ein Spezialkrankenhaus vor allem für Kinder und Jugendliche, meist mit Hirnverletzungen. Mögen festgestellte Defizite bei der Behandlung dieser Krankenhauspatienten und/oder Gesichtspunkte der Kostenerstattung den Ausschlag für die Beschränkung der Schulung auf diesen Bereich gegeben haben oder aber die Überlegung, die Wettbewerbsfähigkeit dieses Krankenhauses in der Region zu fördern oder auch nur zu erhalten: Die Entscheidung darüber, diese Fort- und Weiterbildung, die von der Lehrerin auch lediglich dem NRZ angeboten worden war, auf diesen Bereich der Einrichtung zu beschränken, stellt jedenfalls nicht schon die Personenauswahl selbst dar, sondern ist eine zeitlich vor-rangige autonome Entscheidung der Dienststelle, die sie letztlich auch zu verantworten hat. Im übrigen wäre eine solche Entscheidung in der Privatwirtschaft als unternehmerische Entscheidung von Verfassungswegen einer uneingeschränkten Mitbestimmung des Betriebsrats nicht zugänglich. Für den kirchlichen und diakonischen Bereich kann aber im Ergebnis nichts anderes gelten.
d) Die Frage, ob eine Fort- und Weiterbildung, wie sie seinerzeit sämtlichen im Krankenhaus beschäftigten Pflegekräften angeboten wurde, nicht zuletzt im Interesse der dortigen Bewohnerinnen und Bewohner auch für den Pflegeheimbereich wünschenswert oder gar nötig wäre, lässt sich nach dem zuvor Gesagten nicht mit Hilfe des Mitbestimmungsrechts aus § 39 Buchst. d MVG.BEK zugunsten der in diesem Bereich tätigen Pflegerinnen und Pfleger beantworten. Einen denkbaren Weg könnte die Aufstellung von Grundsätzen für die Fort- und Weiterbildung der in der Dienststelle Beschäftigten weisen (vgl. § 39 Buchst. c MVG.BEK). Hierüber aber war in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
III. Die Entscheidung über die Kostentragung beruht auf § 13 VGG.EKD, die Entscheidung über den Gegenstandswert auf § 8 Abs. 2 BRAGO.