.
Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:28.04.2003
Aktenzeichen:VerwG.EKD II-0124/H7-03
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 17 , § 63 Abs. 1 Buchst. c, VGG.EKD § 16 S. 1, VwGO § 124a
Vorinstanzen:Schiedsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg e.V., Az.: II-60/02, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 3/04, S. 136; Neue Zeitschrift Arbeitsrecht 24/03, S. 1423
Schlagworte:Anforderungen an die Beschwerdebegründung
#

Leitsatz:

Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen der angegriffene Beschluss unrichtig sei. Die Beschwerde muss konkret auf den Streitfall eingehen und sich mit den tragenden Gründen der Entscheidung der Schieds- oder Schlichtungsstelle auseinandersetzen. Entspricht die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeiterschaft des Potsdamer Bürgerstifts gegen den Beschluss der Schiedsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg e.V. vom 10. Dezember 2002 - II-60/02 - wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin ist die "Mitarbeiterschaft" vertreten durch drei Mitarbeiterinnen, wobei jedenfalls zwölf weitere wahlberechtigte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das Verlangen, die Mitarbeitervertretung wegen grober Pflichtverletzungen aufzulösen, unterstützen.
Die Dienststelle ist eine Einrichtung, die in der Rechtsform einer Stiftung u.a. Aufgaben im Bereich der Alten- und Kurzzeitpflege wahrnimmt.
Die Wahl der Mitarbeitervertretung erfolgte am 22. März 2002. Im Zeitpunkt der Wahl waren 33 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wahlberechtigt. Aus dieser Wahl ging die aus drei Personen bestehende Mitarbeitervertretung hervor.
Die "Mitarbeiterschaft" betreibt mit am 30. Oktober 2002 bei der Schiedsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg e.V. eingegangenem Antrag vom 24. Oktober 2002 die Auflösung der Mitarbeitervertretung wegen grober Pflichtverletzungen.
Die "Mitarbeiterschaft" hat ihr Begehren im wesentlichen auf Folgendes gestützt:
1. Öffentliche bewusste Diffamierung der Dienststellenleitung oder Weitergabe und Veröffentlichung von vertraulichen Unterlagen, nämlich Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 8. April 2002 an den Vorsitzenden des Kuratoriums der Dienststelle und an die Verbände der Pflegekassen im Lande Brandenburg,
2. Grober Missbrauch eines Rechts der Mitarbeitervertretung durch das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 12. Juli 2002 an die Pflegedienstleitung wegen Einsatzes der Pflegedienstmitarbeiterin und Wohnbereichsleiterin, wobei die mitgeteilte Anzeigenerstattung bei der Berufsgenossenschaft sich als grober Missbrauch darstelle,
3. Überschreitung der Vertretungsmacht durch die 1. Vorsitzende und durch die 2. Vorsitzende gegenüber einem Mitglied der Mitarbeitervertretung, nämlich im Zusammenhang der Austrittserklärung eines Mitglieds an die Dienststellenleitung vom 26. Oktober 2002,
4. Weigerung der Mitarbeitervertretung, sich der Anliegen aus der Mitarbeiterschaft anzunehmen, Weigerung der Mitarbeitervertretung, die Heimleitung während der gesamten Zeit oder zeitweise an einer Mitarbeiterversammlung teilnehmen zu lassen,
5. "Mobbing" von Mitarbeitern im Rahmen der Amtsausübung der Mitarbeitervertretung,
welches im einzelnen ausgeführt sind.
Die "Mitarbeiterschaft" schließt daraus, seit der Wahl der Mitarbeitervertretung seien die Ruhe und der Arbeitsfrieden in der Einrichtung gestört. Die Dienststellenleitung und die Mitarbeitervertretung fänden zu keinem Konsens bei der Lösung anstehender Fragen. Die Mitarbeitervertretung beharre auf alten Strukturen und erkenne nicht, dass Arbeitsplätze in Gefahr seien. Sie sei nicht in der Lage, Konfliktbewältigung angemessen zu betreiben, so dass kein Vertrauen mehr in ihre Tätigkeit bestehe. In einer auf Wunsch der Mitarbeitervertretung anberaumten Mitarbeiterversammlung habe sich die Mitarbeitervertretung konzeptionslos dargestellt. Der Verband der Pflegekassen habe die bestehende Vergütungsvereinbarung im Frühjahr 2002 gekündigt, was vermutlich auf eine Meldung der Mitarbeitervertretung an die Pflegekasse zurückzuführen sei. Seit der Wahl seien zahlreiche Streitigkeiten sowohl vor die Arbeitsgerichte als auch vor die Schieds- und Schlichtungsstelle gekommen, so dass eine sachliche Basis nicht mehr vorhanden sei.
Die "Mitarbeiterschaft" hat beantragt,
die Mitarbeitervertretung wegen grober Pflichtverletzungen aufzulösen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat grobe Pflichtverletzungen verneint und behauptet, sie erhalte sowohl von der Dienststellenleitung als auch von dem Kuratorium keine Unterstützung. Mitbestimmungsrechte würden nicht beachtet.
Die Schiedsstelle hat den Antrag durch Beschluss vom 10. Dezember 2002 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, erforderlich für die Auflösung der Mitarbeitervertretung sei, dass eine grobe Pflichtverletzung vorliege, die objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sei. Eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten setze in der Regel ein schuldhaftes Verhalten voraus. Ferner müsse es sich um eine Amtspflichtverletzung und nicht um Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten handeln. An alledem fehle es hier. Eine objektive Pflichtverletzung liege nicht vor. Die Antragstellerin begründete im wesentlichen den Antrag mit einem gestörten Vertrauensverhältnis zu der gewählten Mitarbeitervertretung, mit deren Konzeptionslosigkeit und mit Vermutungen über den Anlass der Kündigung durch die Pflegekassen. Aus vorangegangenen Verfahren bekannt und aus dem eingereichten Schriftverkehr offensichtlich, bestünden in der Einrichtung erhebliche Kommunikationsdefizite, die im wesentlichen zwischen Leitung und Mitarbeitervertretung angesiedelt seien. Die Folge hiervon sei nicht nur eine Störung der betrieblichen Ordnung und des Friedens in der Einrichtung, sondern auch eine Parteinahme der Mitarbeiterschaft, sei es für die Dienststellenleitung, sei es für die Mitarbeitervertretung, die zu einer Frontenbildung und Unruhe innerhalb der Mitarbeiterschaft führe. Es sei ersichtlich, dass ein Teil der Mitarbeiterschaft ein gestörtes Vertrauensverhältnis zu der von ihr gewählten Mitarbeitervertretung habe, während der andere Teil diese Mitarbeitervertretung in ihrem Bemühen um Durchsetzung und Ausübung der Rechte nach dem MVG.EKD unterstütze. Die Grundsätze der Zusammenarbeit, wie sie in § 33 MVG.EKD normiert seien, würden im wesentlichen in dieser Einrichtung unbeachtet gelassen. Dies alles führe jedoch nicht dazu, dass die gewählte Mitarbeitervertretung wegen grober Pflichtverletzungen oder Missbrauchs von Befugnissen aufzulösen sei. Die vorgeworfene Unfähigkeit, Konzeptionslosigkeit, Störung des Vertrauensverhältnisses stellten keine objektiven Pflichtverletzungen dar. Es handele sich um subjektive Eindrücke, Missbehagen und Sorge, die auf die eingangs geschilderte Situation zurückzuführen seien. Die Störung des Betriebsfriedens, die hier offensichtlich vorliege, sei ebenfalls nicht als Pflichtenverstoß der Mitarbeitervertretung anzusehen, da die Ursache hierfür nicht von dieser gesetzt sei, sondern aus dem Spannungsverhältnis zwischen der Leitungsebene insgesamt und der Mitarbeitervertretung resultiere. Die beanstandete Konzeptionslosigkeit während einer Mitarbeiterversammlung möge zwar bedauerlich sein, stelle jedoch ebenso wenig einen groben Pflichtenverstoß dar, wie die nur geringfügige Änderung der Tagesordnung durch die Mitarbeitervertretung. Die Vermutung, dass Grund der Kündigung durch die Pflegekassen eine Hinwendung der Mitarbeitervertretung an die Kassen gewesen sei, sei eben nur eine Vermutung und keine objektive Tatsache. Zudem hätten die Pflegekassenverbände bereits mit Schreiben vom 4. April 2002 an die Einrichtung zur Neuverhandlung aus Anlass eines Zeitungsinterviews der Leitung aufgefordert, was sich aus einem Schreiben der Verbände der Pflegekassen im Land Brandenburg vom 31. Juli 2002 an den Prozessbevollmächtigtem der Leitung in einem sozialgerichtlichen Verfahren ergäbe.
Gegen diesen Beschluss hat die "Mitarbeiterschaft" mit Schriftsatz vom 14. Februar 2003 Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, die Beschwerde sei begründet. Die Mitarbeitervertretung sei gem. § 17 MVG.EKD wegen groben Missbrauchs und grober Pflichtverletzungen aufzulösen. Sie verweist auf den Antrag vom 24. Oktober 2002 und stellt den Sachverhalt aus ihrer Sicht, teilweise unter wörtlicher Zitierung von diversen Schriftstücken, dar. Schließlich heißt es, die Schiedsstelle habe verkannt, dass es auf eine objektive grobe Pflichtverletzung ankomme und nicht jedoch auf ein Verschulden. Unabhängig davon könne hier an einem Verschulden kein Zweifel bestehen. Die Mitarbeitervertretung sei aufzulösen, um weiteren Schaden für die Einrichtung und für die Mitarbeiter abzuwenden.
Die "Mitarbeiterschaft" beantragt:
1. Der Beschluss der Schiedsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg e.V. vom 10. Dezember 2002 - II-60/02 - wird abgeändert.
2. Die bei der Beschwerdeführerin gebildete Mitarbeitervertretung wird aufgelöst,
hilfsweise:
Der Beschluss der Schiedsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg e.V. vom 10. Dezember 2002 - II-60/02 - wird dahingehend abgeändert, dass die 1. Vorsitzende der Mitarbeitervertretung sowie die stellvertretende Vorsitzende aus der Mitarbeitervertretung ausgeschlossen werden.
Die Mitarbeitervertretung beantragt:
1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen /als unbegründet zurückgewiesen.
Hinsichtlich des Hilfsantrags beantragt sie,
ihn als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält die Beschwerde für unstatthaft. Sie sei aber auch sachlich unbegründet. Das wird im Einzelnen ausgeführt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die an sich statthafte Beschwerde war wegen fehlender Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses als unzulässig zu verwerfen.
1. Die Beschwerde ist an sich statthaft. Die Frage der Auflösung der Mitarbeitervertretung ist von § 63 Abs. 1 Buchst. c MVG.EKD erfasst. Der kirchliche Verwaltungsrechtsweg ist nach § 63 Abs. 1 Buchst. c MVG.EKD eröffnet gegen Beschlüsse der Schlichtungsstelle über die Rechtstellung der Mitarbeitervertretung. Dazu gehört auch die Frage der Auflösung der Mitarbeitervertretung gem. § 17 MVG.EKD (Fey/Rehren, MVG.EKD Stand: Januar 2003, § 17 Rn. 12).
2. Die Beschwerde der "Mitarbeiterschaft" ist indes unzulässig.
Die Beschwerde muss den Fehler der Schiedsstelle aufzeigen. Gegenstand und Richtung des Beschwerdeangriffs müssen erkennbar sein. Dies erfordert grundsätzlich, dass sich die Beschwerdebegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses auseinandersetzt, § 16 S. 1 VGG.EKD, § 124a VwGO (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO 13. Aufl., § 124a Rn. 30, 34ff, § 146 Rn. 41).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ist unterblieben.
Die Schiedsstelle hat in ihrer Entscheidung tragend darauf abgestellt, die vorgeworfene Unfähigkeit, Konzeptionslosigkeit, Störung des Vertrauensverhältnisses stellten keine objektiven Pflichtverletzungen dar. Es handele sich um subjektive Eindrücke, Missbehagen und Sorge, die auf die eingangs geschilderte Situation zurückzuführen seien. Die Störung des Betriebsfriedens, die hier offensichtlich vorliege, sei ebenfalls nicht als Pflichtenverstoß der Mitarbeitervertretung anzusehen, da die Ursache hierfür nicht von dieser gesetzt worden sei, sondern aus dem Spannungsverhältnis zwischen der Leitungsebene insgesamt und der Mitarbeitervertretung resultiere. Dazu sagt die Beschwerde gar nichts. Sie begnügt sich eingangs mit dem Satz, die Beschwerde sei begründet, weil die Mitarbeitervertretung gem. § 17 MVG.EKD wegen groben Missbrauchs und grober Pflichtverletzungen aufzulösen gewesen sei, und mit der Bezugnahme auf den Antrag vom 24. Oktober 2002 an die Schiedsstelle und einer ausführlichen Sachverhaltsschilderung. Darin liegt keine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Es wird lediglich die bisher schon vorgetragene Rechtsansicht wiederholt, das Vorgetragene habe ausgereicht, den Auflösungsantrag zu rechtfertigen. Das genügt als erforderliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss nicht. Am Ende der Beschwerdebegründung finden sich lediglich die Sätze, die Schlichtungsstelle habe verkannt, dass es auf eine objektive grobe Pflichtverletzung ankomme und nicht jedoch auf ein Verschulden. Unabhängig davon könne hier an einem Verschulden kein Zweifel bestehen. Das reicht nicht aus. Zwar hat die Schiedsstelle in ihrem Obersatz ausgeführt, eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten setze in der Regel ein schuldhaftes Verhalten voraus. Dieser Satz ist, auch wenn er der herrschenden Lehre widerspricht - auf Verschulden kommt es nicht an (vgl. nur Fey/Rehren, MVG.EKD Stand: Januar 2003, § 17 Rn. 6, 6b) - nicht tragend: Die Schiedsstelle hat bereits eine objektive Pflichtverletzung verneint. Auf die Frage des Verschuldens kam es dann nicht mehr an. Hier hätte die Beschwerde in Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des Beschlusses der Schiedsstelle dartun müssen, warum nach Auffassung der "Mitarbeiterschaft" doch von einer objektiven Pflichtverletzung auszugehen ist. Unabhängig davon hätte auch eine - zulässige - Verfahrensrüge ausgereicht. Eine solche ist nicht erhoben. Weiter hätten die Anführung neuer Tatsachen- und Beweismittel und Ausführungen dazu, aufgrund dieser Tatsachen- und Beweismittel sei davon auszugehen, dass die Mitarbeitervertretung aufzulösen sei, ausgereicht. Auch ein solcher Vortrag ist nicht erfolgt. Schon ein zulässiger Angriff auf den Beschluss der Schiedsstelle hätte zur Zulässigkeit der Beschwerde geführt. Ein solcher liegt indes nicht vor.
III. Der Antrag, der "Mitarbeiterschaft" oder der Dienststellenleitung die Kosten für den Rechtsbeistand aufzuerlegen, konnte nicht verbeschieden werden. Die "Mitarbeiterschaft" ist nicht vermögensfähig. Die Dienststellenleitung ist am Verfahren nicht beteiligt. Es bleibt der Weg über § 30 Abs. 2 MVG.EKD in entsprechender Anwendung.