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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.11.2004
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/K21-04
Rechtsgrundlage:MVG.K § 5 Abs. 2 S. 1
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation ev. Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg - Kammer Diakonisches Werk Hannovers, Az.: 3 VR MVG 36/04 Hs u. 3 VR MVG 29/04 Hs, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 2005, S 204
Schlagworte:Zustimmung zur Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung
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Leitsatz:

Die Entscheidung der Dienststellenleitung über ihre Zustimmung zur Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung ist keine Ermessensentscheidung, sondern wird frei getroffen.

Tenor:

Die Beschwerden der Mitarbeitervertretungen gegen die Beschlüsse der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg - Kammer Diakonisches Werk Hannovers - vom 23. März 2004 - 3 VR MVG 36/04 Hs und 3 VR MVG 29/04 Hs werden zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die zu 1) und 2) beteiligten Mitarbeitervertretungen streiten um die Zustimmung der zu 3) und 4) beteiligten Dienststellenleitungen zur Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung. Vor dem 1. Januar 2004 waren in der Dienststelle des zu 4) beteiligten Vereins Mitarbeitervertretungen gebildet worden, und zwar gesonderte Mitarbeitervertretungen für die Bereiche "Altenhilfe" und "Zentralverwaltung/Technik" und eine weitere Mitarbeitervertretung - die Antragstellerin zu 1) - für die übrigen Bereichen. Hierzu zählte auch die bis dahin unselbstständig geführte Klinik B. Mit Wirkung vom 1. Januar 2004 gründete der Verein (Beteiligter zu 4) die Klinik B (Beteiligte zu 3) und übertrug ihr den Klinikbetrieb. Insoweit nahm die zu 1) antragstellende Mitarbeitervertretung das Übergangsmandat wahr. Sie ließ in einer Mitarbeiterversammlung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beteiligten zu 3) am 29. Januar 2004 darüber abstimmen, ob eine eigene Mitarbeitervertretung für die Beteiligte zu 3) gebildet werden solle oder eine gemeinsame Mitarbeitervertretung, die auch den bisherigen Bereich mit umfasse. An der Abstimmung beteiligten sich 68 der etwas mehr als 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beteiligten zu 3); 63 Stimmen wurden für die Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung abgegeben. Die Dienststellenleitung der Beteiligte zu 3) stimmte der Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 30. Januar 2004 nicht zu. Die Dienststellenleitung des Beteiligten zu 4) lehnte die Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 27. Februar 2004 ab. Mit ihren Antragsschriften vom 9. Februar 2004 (3 VR MVG 36/04) und vom 5. März 2004 (3 VR MVG 29/04) verfolgt die Antragstellerin zu 1) ihr Begehren weiter. Sie hat geltend gemacht, die Zustimmung der Dienststellenleitungen zur Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung sei eine ermessensgebundene Entscheidung; die Dienststellen hätten ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen der Antragstellerin zu 1) vom 9. Februar 2004, 5. März 2004 und 11. März 2004 Bezug genommen.
Die Antragstellerin zu 1) hat - zusammengefasst - beantragt, festzustellen, dass die Dienststellenleitungen nicht berechtigt sind, die Zustimmung zur Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung gemäß § 5 Abs. 2 MVG für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beteiligten zu 3) und des Beteiligten zu 4) zu verweigern.
Die Dienststellenleitungen haben - ebenfalls zusammengefasst - beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie haben geltend gemacht, die Entscheidung über ihre Zustimmung zur Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung stelle keine Ermessensentscheidung dar, sondern sei eine freie Entscheidung. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens im ersten Rechtszug wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 19. Februar 2004, 12. März und 22. März 2004 Bezug genommen.
Die Schiedsstelle hat die Anträge durch ihre Beschlüsse vom 23. März 2004 zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse Bezug genommen.
Gegen diese ihr am 2. Juni 2004 zugestellten Beschlüsse hat die Antragstellerin zu 1) am 8. Juni 2004 (per Fax) jeweils Beschwerde eingelegt. Dabei ist als Beteiligte im Verfahren I-0124/K22-04 (Vorinstanz: 3 VR MVG 29/04 Hs) die Beteiligte zu 3) in der Beschwerdeschrift angegeben worden, während die Beschwerdeschrift das Aktenzeichen hinsichtlich des Verfahrens des Beteiligten zu 4) enthält und der Beschwerdeschrift die erste Seite des Beschlusses beigefügt war, worin die Beteiligte zu 4) bezeichnet ist und die eben dieses Aktenzeichen aufweist.
Nach dem Ende der mündlichen Verhandlung der Vorinstanz ist in der Dienststelle der Beteiligten zu 3) eine auf diese Dienststelle beschränkte Mitarbeitervertretung gebildet worden. Sie ist - neben der zu 1) beteiligten, antragstellenden und beschwerdeführenden Mitarbeitervertretung als weitere Beschwerdeführerin zu 2) beteiligt. Das erkennende Gericht hat die bis dahin getrennt geführten Rechtsstreitigkeiten miteinander verbunden.
Die Beschwerdeführerinnen verfolgen mit ihrer Beschwerde ihre bisherige Rechtsauffassung weiter und meinen, die Dienststellenleitungen hätten ihre Zustimmung zur Bildung der gemeinsamen Mitarbeitervertretung ermessensfehlerhaft und daher zu Unrecht verweigert. Sie beantragen,
die Beschlüsse der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg - Kammer Diakonisches Werk Hannovers - vom 23. März 2004 - 3 VR MVG 36/04 Hs und 3 VR MVG 29/04 Hs - abzuändern und 1. festzustellen, dass die Dienststellenleitungen nicht berechtigt sind, die Zustimmung zur Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung gemäß § 5 Abs. 2 MVG für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beteiligten zu 3) und des Beteiligten zu 4) zu verweigern.
hilfsweise
2. festzustellen, dass die Verweigerung der Zustimmung zur Bildung der oben bezeichneten gemeinsamen Mitarbeitervertretung unwirksam ist.
Die Dienststellenleitungen beantragen,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und heben hervor, dass es sich bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung um ermessensfreie Entscheidungen handelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 8. Juni 2004, 29. Juli 2004, 3. September 2004, 6. September 2004 und 16. September 2004 Bezug genommen.
II. Die Beschwerden sind statthaft und auch sonst zulässig.
Die Entscheidung über die Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Beschwerden hat sich nach den Bestimmungen des MVG in der Fassung zu richten, die zur Zeit der Einlegung und Begründung der Beschwerden gegolten hat. Die Neufassung der Bestimmungen über die Beschwerde im MVG.EKD durch Artikel 5 Nr. 31 des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 2003 (ABl.EKD S.408), das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist (Artikel 8 § 2 Abs. 1) sind nicht anzuwenden, denn die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachen wendet das Mitarbeitervertretungsgesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen an. Daher kommt es für die Statthaftigkeit und die Zulässigkeit der Beschwerde auf die anzuwendenden Regelungen nach dem MVG.K an, während sich die Durchführung des Verfahrens selbst in der Zeit nach dem 1. Januar 2004 nach dem seit diesem Tag für das Verfahren in Streitigkeiten aus dem MVG geltenden Verfahrensvorschriften, nämlich gemäß § 63 Abs. 7 MVG.EKD nach den Vorschriften über das Beschwerdeverfahren des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens richten.
Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt aus § 65 Abs. 1 Nr. 2 MVG.K. Auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gewahrt. Die erkennbar irrtümliche Fehlangabe der Bezeichnung der Beteiligten zu 3) anstelle des Beteiligten zu 4) in der Beschwerdeschrift gegen den Beschluss zu 3 VR MVG 29/04 Hs in der Vorinstanz ist unschädlich. Aufgrund der gleichzeitigen Einreichung der Beschwerde in der Parallelsache, der Angabe des zutreffenden Aktenzeichens und der Beifügung einer Kopie der ersten Seite des zutreffend angefochtenen Beschlusses waren die Beteiligten ohne weiteres erkennbar.
III. Die Beschwerden sind indessen einschließlich des erstmals im zweiten Rechtszuge gestellten Hilfsantrages nicht begründet. Entgegen der Annahme der Mitarbeitervertretungen stellt die Entscheidung der Dienststellenleitung, der Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung zuzustimmen oder dies auch nicht zu tun, keine Ermessensentscheidung dar. Die Dienststellen sind vielmehr insoweit in ihrer Willens- und Entscheidungsbindung völlig frei (vgl. VerwG.EKD, Beschluss vom 5. August 2002 - II-0124/G2-02, ZMV 4/03, S. 192; Beschluss vom 19. März 2002 - II-0124/G3-02, n.v.; Beschluss vom 23. Juni 2003 - I-0124/H3-03, ZMV 6/03, S. 295). Solche Entscheidungen werden von der Dienststelle autonom und frei getroffen. Für die Annahme, es könne sich um eine Ermessensentscheidung handeln, bietet das MVG.K ebenso wenig einen Anhaltspunkt wie die insoweit vergleichbare Regelung im MVG.EKD.
1. Die Bildung einer gemeinsamen, dienststellenübergreifenden Mitarbeitervertretung nach § 5 Abs. 2 S. 1 MVG.K ist für den Bereich der Diakonie nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es insoweit an einer "obersten Dienstbehörde" fehlt und folglich die Voraussetzungen nicht erfüllt werden können, dass diese zugestimmt habe. Im Bereich der Diakonie gibt es eine solche oberste Dienstbehörde nicht. Gleichwohl ist § 5 Abs. 2 S. 1 MVG.K in den Fällen entsprechend anzuwenden, in welchen es um die Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung für mehr als eine rechtlich selbstständige diakonische Dienststelle geht. Dies hat die Vorinstanz richtig erkannt; es wird von der Beschwerde auch nicht in Frage gestellt.
2. Das von den Mitarbeitervertretungen auch in ihrer Beschwerde wiederholt dargestellte Konstrukt einer Ermessenentscheidung über die Zustimmung oder Nichtzustimmung zur Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung ist - auch im Bereich der Diakonie - im Gesetz nicht vorgesehen. Eine solche Auffassung lässt sich auch nicht aus sonstigen Regelungen des Gesetzes ableiten. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, dass sowohl die Willensbildung der Mitarbeiter, durch Mehrheitsentscheidungen eine Voraussetzung für die Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung zu schaffen oder auch durch entsprechende gegenteilige Mehrheitsentscheidungen - für die Zukunft - aufzulösen, keinerlei Beschränkungen unterliegt, sondern frei erfolgt. Damit korrespondiert auch, dass die Entscheidung der jeweils beteiligten Dienststellenleitung insoweit völlig frei ist, soweit es um die Bildung einer dienststellenübergreifenden gemeinsamen Mitarbeitervertretung geht. Dies ist schon deshalb geboten, weil anders die Freiheit nicht gewahrt wird, die darauf beruht, dass die Dienststellen jeweils rechtlich selbstständig sind. Das Gesetz räumt zwar insoweit der Mitarbeitervertretung eine Machtstellung ein, als die Bildung einer gemeinsamen, dienststellenübergreifenden Mitarbeitervertretung zulässig ist, wenn sich die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in jeweils getrennten Abstimmungen hierfür mehrheitlich entschieden haben. Sie können sogar beschließen, für die nächste Wahlperiode eine solche gemeinsame Mitarbeitervertretung nicht mehr bilden zu wollen, sondern jeweils getrennte Mitarbeitervertretungen (§ 5 Abs. 2 S. 2 MVG.K). Dementsprechend kann keine Dienststellenleitung die Mitarbeiter dazu zwingen, eine solche gemeinsame, dienststellenübergreifende Mitarbeitervertretung zu bilden, wohl aber müsste sie das hinnehmen, wenn die Mitarbeiter jeweils beschließen, künftig keine gemeinsame Mitarbeitervertretung mehr zu wählen. Wollte man die Entscheidung der Dienststellenleitung zur Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung als Ermessensentscheidung begreifen, so müsste zumindest im Fall der Auflösung die umgekehrte Entscheidung der Mitarbeitervertretung ebenso als eine solche Ermessensentscheidung konstruiert sein. Das aber ist gerade nicht der Fall. Vielmehr stellt das Gesetz für beide Seiten, sowohl für die Mitarbeiterseite als auch für die Dienststellenleitung, auf die freie Willensbildung ab. Bei den Mitarbeitern geschieht das durch eine Mehrheitsbildung im Rahmen einer Abstimmung, bei der Dienststellenleitung durch die dortige (satzungsgemäße) Willensbildung. Andere Anforderungen stellt das Gesetz nicht.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.d.F. vom 6. November 2003, § 12 Abs. 5 ArbGG).