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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:02.04.2005
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/K49-04-I
Rechtsgrundlage:ZPO § 572, BRAGO § 10, RVG § 33
Vorinstanzen:Kirchengericht nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev.-Luth. Kirche in Bayern und des Diakonischen Werkes der Ev.-Luth. Kirche in Bayern e.V., Az.: 26/0-6/4-387
Schlagworte:Wertfestsetzungsbeschwerde nach BRAGO (RVG)
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Leitsatz:

1. Die Statthaftigkeit von Beschwerden gegen andere Entscheidungen als solchen in der Hauptsache - hier: Beschwerde gegen Wertfestsetzung zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren - richtet sich nicht nach § 63 MVG.EKD n.F, sondern nach den jeweils einschlägigen Vorschriften.
2. Über andere Beschwerden als solchen in der Hauptsache entscheidet der Senatsvorsitzende ohne Hinzuziehung der Beisitzer.

Tenor:

Die Beschwerden der Beteiligten zu 4. und 5. gegen den Wertfestsetzungsbeschluss der Schlichtungsstelle (jetzt: Kirchengericht) der Evang.-Luth. Kirche in Bayern und des Dia-konischen Werkes der Evang.-Luth. Kirche in Bayern vom 23. September 2003 - AZ.: 26/0-6/4-387 - wird verworfen.

Gründe:

I. Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben über die Wirksamkeit der Wahl der Mitarbeitervertretung (Beteiligte zu 3.) gestritten. Die Schlichtungsstelle (jetzt: Kirchengericht) setzte den Streitwert durch ihren Beschluss am 23. September 2003 auf 9.000,- Euro fest. Dieser Beschluss wurde den Antragstellern mit Schreiben vom 29. September 2003 zugeleitet. Der zu 4. beteiligte Rechtsanwalt und die zu 5. beteiligte Rechtsanwältin hatten sodann im ersten Rechtszug übereinstimmend mit ihren Schriftsätzen vom 21. und vom 23. Juni 2004 beantragt, den Streitwert zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren auf 22.000,- Euro festzusetzen. Hierüber wurde nach Lage der Akte bislang nicht befunden.
Gegen den Wertfestsetzungbeschluss vom 23. September 2003 haben der Beteiligte zu 4. am 1. Oktober 2004, die Beteiligte zu 5. am 4. Oktober 2004 Beschwerde eingelegt. Sie halten die Wertfestsetzung für zu niedrig; vielmehr müsse der Wert nach Maßgabe des Beschlusses des VerwG.EKD vom 18. November 2003 - II-0124/H18-03 (NZA-RR 2004 S. 213) angesichts des Umstandes, dass es um die Wahl einer aus neun Personen bestehenden Mitarbeitervertretung gegangen sei, auf 22.000,- Euro festgesetzt werden. Sie beantragen der Sache nach,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Streitwert zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren auf 22.000,- Euro festzusetzen.
Die Beteiligten zu 1. und 2. beantragen,
die Beschwerden zu verwerfen.
Sie halten die Beschwerden für verfristet, jedenfalls aber für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze des Beteiligten zu 4. vom 28. September 2004, der Beteiligten zu 5 vom 1. Oktober 2004 und der Beteiligten zu 1. und 2. vom 23. November 2004 Bezug genommen.
II. Die Beschwerden, über die keine Abhilfeentscheidung der ersten Instanz ergangen ist, waren als unzulässig zu verwerfen. Die Notfrist für die Einlegung der Beschwerden ist nicht gewahrt. Der Kirchengerichtshof hatte nach § 572 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die sofortige Beschwerde statthaft und zulässig ist.
1. Die Beschwerde richtet sich nach § 10 Abs. 3 BRAGO (neu: § 33 Abs. 3 RVG), nicht aber nach § 63 MVG.EKD. § 63 MVG.EKD betrifft nur verfahrensbeendende Entscheidungen des Kirchengerichts, mithin Entscheidungen "in der Sache selbst". Um eine solche handelt es sich bei einem Beschluss über die Wertfestsetzung zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Entscheidung über einen Nebenpunkt. Eine solche Entscheidung ist nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 3 BRAGO (neu: § 33 Abs. 3 RVG) mit der befristeten (sofortigen) Beschwerde anfechtbar. Als nichtverfahrensbeendender Beschluss bedurfte der angefochtene Wertfestsetzungsbeschluss keiner Rechtsmittelbelehrung nach § 9 Abs. 5 ArbGG, um die Frist für die Einlegung der Beschwerde in Lauf zu setzen.
2. Über die Beschwerden war ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden zu befinden (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung, § 87, § 78 Satz 3 ArbGG). Nach § 78 Satz 3ArbGG entscheidet über Beschwerden das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter. Sinn und Zweck dieser Vorschrift liegen darin, dass es einer Heranziehung der Beisitzer nicht bedarf, weil es sich nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst handelt. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift bedeutet, dass über eine solche Beschwerde der Vorsitzende Richter des Senats beim Kirchengerichtshof ohne Hinzuziehung der beisitzenden Richter zu entscheiden hat.
3. Im Verfahren über die Verfahrenswertfestsetzung zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren müssen die "Beteiligten" gehört werden (§ 10 Abs. 2 Satz 2 BRAGO). Beteiligte in solchem Verfahren sind die materiell-rechtlich Betroffenen, mithin der Verfahrensbevollmächtigte und derjenige, der nach materiellem Recht die Verfahrenskosten zu tragen hat. In Angelegenheiten des Mitarbeitervertretungsgesetzes muss mit Rücksicht auf die materiell-rechtliche Kostentragungsregelung des § 30 MVG.EKD grundsätzlich der Dienststellenleitung Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer beantragten oder beabsichtigten Wertfestsetzung gegeben werden. Denn sie kann von der Entscheidung materiell betroffen sein und ist es in aller Regel auch. Dagegen muss die Mitarbeitervertretung als solche regelmäßig nicht angehört werden, denn sie kann mangels Vermögensfähigkeit in der Regel nicht materiell betroffen sein. In dem dargestellten Umfang haben die notwendig Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt.
4. § 10 BRAGO ist trotz des zwischenzeitlichen Inkrafttretens des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) am 1. Juli 2004 vorliegend gemäß § 61 RVG anzuwenden. Die (Mitglieder der) Mitarbeitervertretung hatte(n) den jeweiligen Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit vor dem 1. Juli 2004 erteilt. Diese Feststellung der Tatsache der Auftragserteilung besagt nichts über die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme von mehr als einem Rechtsanwalt durch Mitglieder der Mitarbeitervertretung. Gegen die einzelnen Mitglieder der Mitarbeitervertretung und nicht gegen die Mitarbeitervertretung insgesamt war die Wahlanfechtung nur deshalb zu richten, weil die Mitarbeitervertretung sich noch nicht konstituiert hatte.
5. Die am 1. und am 4. Oktober 2004 eingereichten Beschwerden sind unzulässig, denn sie haben die Notfrist nicht gewahrt.
Nach § 10 Abs. 3 BRAGO i.V.m. § 567 ZPO kann gegen eine erstinstanzliche Festsetzung des Streitwertes zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren (sofortige) Beschwerde eingelegt werden, und zwar binnen einer Notfrist von zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses (§ 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Mangels förmlicher Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses hat die Notfrist mit dem Zeitpunkt der Mitteilung des Beschlusses an die Antragsteller begonnen. Diese Mitteilung erfolgte mit dem Anschreiben vom 29. September 2003. Der Beteiligte zu 4. hat den 2. Oktober 2003 als Tag des Zugang des Streitwertbeschlusses angegeben. Die formlose Mitteilung des Beschlusses steht seiner Verkündung i.S. des § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO gleich. Hiervon ausgehend, hat der Beteiligte zu 4. die Notfrist von zwei Wochen nicht gewahrt. Sie hat am 2. März 2004 zu laufen begonnen. Die Beteiligte zu 5. hat keine Angabe zum Zeitpunkt des formlosen Zugangs des angefochtenen Beschlusses bei ihr gemacht. Sie hat aber auch nicht schlüssig dargelegt, die Notfrist gewahrt zu haben.
III. Es besteht für den Kirchengerichtshof auch weder Anlass noch Möglichkeit, im Wege der Gegenvorstellung einen höheren Verfahrenswert zur Gebührenberechnung für das erstinstanzliche Verfahren festzusetzen, wie die Beteiligten zu 4. und 5. hilfsweise begehren. Eine Gegenvorstellung ist grundsätzlich nicht zulässig, wenn die abzuändernde Entscheidung - wie hier - mit einem förmlichen Rechtsmittel oder Rechtsbehelf angefochten werden kann oder konnte. Anderenfalls würde die förmliche Rechtskraft solcher Entscheidungen unterlaufen. Anzeichen, die vorliegend eine andere Behandlung der Gegenvorstellung angezeigt erscheinen lassen könnte, liegen nicht vor. Von daher war es auch nicht geboten, der Schlichtungsstelle (jetzt: Kirchengericht) vor ab Gelegenheit zu geben, über die ebenfalls weit nach Ablauf der Notfrist für eine Beschwerde dorthin gerichteten Wertfestsetzungsanträge zu befinden.
IV. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 10 Abs. 2 Satz 4 und 5 BRAGO, neu: § 33 Abs. 9 RVG), es handelt sich nicht um einen Parteienstreit.