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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:31.10.2006
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/L60-05
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 38 Abs. 4
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer, Az.: 2 M 45/05
Schlagworte:Ausschlussfrist, Mitbestimmung
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Leitsatz:

1. Die Frist des § 38 Abs. 4 MVG.EKD zur Anrufung des Kirchengerichts stellt zumindest in den Fällen, in denen eine schriftliche Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung vorliegt, eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar.
2. Eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist wird nur gewahrt, wenn auch die Begründungstatsachen innerhalb der Frist angegeben werden.

Tenor:

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer vom 11. August 2005 - 2 M 45/05 - wird zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin begehrt, die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur ordentlichen Kündigung gegenüber Frau D. zu ersetzen.
Frau D. war seit dem 1. November 1996 bei der Antragstellerin tätig. Im Jahre 1998 wurde sie erstmals Mitglied der beteiligten Mitarbeitervertretung, der sie zumindest bis zum 31. März 2004 angehörte.
Aufgrund einer zwischen der Antragstellerin, dem Diakonischen Werk E. und Frau D. abgeschlossenen so genannten "Abordnungsvereinbarung" vom 23. März 2004 wurde Frau D. ab 1. April 2004 in das Zentrum "Arbeitsrecht" abgeordnet. In der genannten Vereinbarung, auf deren Wortlaut im Übrigen Bezug genommen wird, heißt es u.a.:
"Frau D. nimmt ihren Dienstsitz in F. In der laufenden Geschäftsführung nimmt das Diakonische Werk E. alle Rechte und Pflichten als Arbeitgeber wahr, mit Ausnahme der Kündigung des Arbeitsverhältnisses. ...
Frau D. wird, was ihre allgemeinen Rechte und Pflichten als Arbeitnehmerin betreffen, als Mitarbeiterin in die Geschäftsstelle des Diakonischen Werkes E. eingereiht.
Die Abordnung erfolgt für eine Dauer von dreieinhalb Jahren, d.h. bis zum 30.09.2007. Das Diakonische Werk E. erklärt sich bereit, Frau D. danach zu den gleichen Rechten und Pflichten, wie sie sich aus dem Arbeitsvertrag mit der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Überganges ergeben, einzutreten.
Während der Tätigkeit im Zentrum "Arbeitsrecht" ruht die aktive Mitgliedschaft Frau D´s. in der Mitarbeitervertretung A."
Frau D. trat ihren Dienst an. Am 28. Januar 2005 nahm Frau D. an einer Dienstbesprechung der Rechtsabteilung des Diakonischen Werkes E. teil, in deren Verlauf ihr der Leiter der Rechtsabteilung, den Auftrag erteilte, - so der erstinstanzliche Beschluss - "Erkundigungen über den 'Status quo' der Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen einzuholen und ihm gegenüber darzustellen". Noch am selben Tag wandte sich Frau D. an die Leiterin der Geschäftsstelle der Schlichtungsstelle nach dem MVG der Ev. Kirche von Westfalen. Über das Telefonat unterrichtete die Leiterin den Vorstand der Antragstellerin per E-Mail vom 2. Februar 2005, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Am selben Tag teilte Frau D. ihrem Leiter der Rechtsabteilung schriftlich mit, auf Anweisung des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen wie auch der Leiterin zufolge würden telefonisch keine Informationen über die Schlichtungsstelle erteilt. Es kam zu einem klärenden Gespräch der Vorstände der beiden Diakonischen Werke über dieses Geschehen. Sodann kündigte das Diakonische Werk E. die Abordnungsvereinbarung vom 9. Februar 2005 fristlos.
Die Antragstellerin entschloss sich, Frau D. fristlos zu entlassen, und bat die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 8. Februar 2005 um deren Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 21 Abs. 2 MVG. Die Mitarbeitervertretung beschloss in ihrer Sitzung am 9. Februar 2005, die Zustimmung zu verweigern. Auf den Inhalt beider Schriftstücke wird Bezug genommen. Unter Beifügung der Kopien dieses Schriftwechsels rief die Antragstellerin am 14. Februar 2005 - "zunächst fristwahrend" - die Schlichtungsstelle mit dem angekündigten Antrag an, die fehlende Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung von Frau D. zu ersetzen.
Von ihrer Ansicht ausgehend, dass das Amt der Frau D. als Mitglied der Mitarbeitervertretung mit ihrem Wechsel zum Zentrum "Arbeitsrecht" am 31. März 2004 geendet und der nachwirkende besondere einjährige Kündigungsschutz des § 21 Abs. 2 MVG mit dem 31. März 2005 sein Ende gefunden habe, hat die Antragstellerin den Arbeitsvertrag mit Frau D. mit ihrem Schreiben vom 7. April 2005 außerordentlich gekündigt. Zudem bat die Antragstellerin die Mitarbeitervertretung am 7. April 2005 nach § 46 MVG um Mitberatung unter Abkürzung der Frist auf drei Tage "bis zum 11. April 2005". Mit Schreiben vom 12. April 2005 kündigte die Antragstellerin das Arbeitsverhältnis mit Frau D. nochmals außerordentlich und fristlos. Sie steht - zusammengefasst - auf dem Standpunkt, Frau D. habe mit ihren Erkundigungen bei der Schlichtungsstelle einen Loyalitätsbruch begangen, der die Basis für eine künftige Zusammenarbeit zerstört habe. Allerdings sei der Antrag vom 14. Februar 2005 erledigt, weil Frau D. inzwischen keinen Schutz nach § 21 Abs. 2 MVG mehr genieße. Über all dies streiten die Beteiligten im Verfahren I-0124/L33-05 (Vorinstanz: Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - Az.: 2 M 14/05).
Mit ihrem Schriftsatz vom 7. Juni 2005 wandte sich die Antragstellerin am selben Tag an die Schlichtungsstelle. Darin heißt es:
"Wir beantragen - zunächst fristwahrend - die Zustimmung der Mitarbeitervertretung ... zur ordentlichen Kündigung unserer Mitarbeiterin, Frau D., gem. § 38 Abs. 4 i.V.m. §§ 42b, 41 Abs. 2 MVG zu ersetzen.
Wir haben bei der Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 13.05.2005 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Frau D. beantragt. Die Mitarbeitervertretung hat uns am 24.05.2005 schriftlich mitgeteilt, dass sie dem Antrag nicht zustimmt. Beide Schreiben erhalten Sie mit gesonderter Post.
In dieser Angelegenheit werden wir von Herrn RA B. … vertreten. Die weitere Begründung werden wir Ihnen über RA B. zuleiten".
Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2005, eingegangen am 17. Juni 2005, meldete sich Rechtsanwalt B. zur Akte. In der erstinstanzlichen Verfahrensakte sind hinter diesem Schriftsatz je eine Kopie der oben genannten Schreiben vom 13. Mai 2005 und vom 24. Mai 2005 eingeheftet. Mit Schriftsatz vom 5. August 2005 trug Rechtsanwalt B. für die Antragstellerin zur Begründung vor. Im Protokoll über die mündliche Verhandlung vor der Schlichtungsstelle vom 11. August 2005, in der die Antragstellerin durch Rechtsanwalt B. und die Mitarbeitervertretung durch Rechtsanwalt C. als Verfahrensbevollmächtigte vertreten waren, heißt es:
"Auf Bitten des Vorsitzenden überreichte Rechtsanwalt C. den Zustimmungsantrag der Antragstellerin vom 13.05.2005 sowie das Antwortschreiben der Antragsgegnerin vom 24.05.2005. Der Vorsitzende stellte daraufhin die Rechtzeitigkeit des Schlichtungsantrags vom 07.06.2005 fest. … ."
Die Antragstellerin hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Mitarbeitervertretung habe ihre Zustimmung zur ordentlichen Kündigung mit der Begründung verweigert, Frau D. sei noch ihr Mitglied und genieße deshalb den Schutz des § 21 Abs. 2 MVG.EKD. Damit sei die Zustimmung ohne rechtlichen Grund verweigert worden. Frau D. sei am 31. März 2004 aus der Mitarbeitervertretung ausgeschieden, der nachwirkende Schutz nach § 21 Abs. 2 MVG.EKD sei am 31. März 2005 abgelaufen. Im Übrigen wird auf ihre Schriftsätze vom 27. Juli und 5. August 2005 nebst Anlagen Bezug genommen. Sie hat beantragt,
die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur ordentlichen Kündigung unserer Mitarbeiterin, Frau D., gem. § 38 Abs. 4 i.V.m. §§ 42b, 41 Abs. 2 MVG zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, eine ordentliche Kündigung sei ausgeschlossen, weil Frau D. nach wie vor Mitglied der Mitarbeitervertretung sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Schriftsatz vom 10. August 2005 Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag durch ihren Beschluss vom 11. August 2005 abgewiesen; auf dessen Inhalt wird Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 18. August 2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 8. September 2005 Beschwerde eingelegt und zugleich zur Begründung vorgetragen. Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 6. September 2005. Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses vom 11. August 2005 - Az.: 2 M 45/05 - festzustellen, dass der Mitarbeitervertretung kein Grund zur Seite steht, ihre Zustimmung zur ordentlichen Kündigung von Frau D. zu verweigern.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf ihren Schriftsatz vom 17. Oktober 2005 Bezug genommen.
II. Die zur Entscheidung angenommene, statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde (§ 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG-Westfalen, §§ 87 ff ArbGG) ist nicht begründet. Die Vorinstanz hat den Antrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Antrag war schon deshalb zurückzuweisen, weil die gesetzliche Frist für die Anrufung des Kirchengerichts nicht gewahrt worden ist.
1. Kommt in den Fällen der Mitbestimmung keine Einigung zustande, kann die Dienststellenleitung innerhalb von zwei Wochen nach Abschluss der Erörterung oder nach Eingang der schriftlichen Weigerung das Kirchengericht anrufen (§ 38 Abs. 4 MVG.EKD). Zumindest in den Fällen in denen eine schriftliche Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung vorliegt, wird die Frist nur da-durch gewahrt, dass innerhalb der genannten Frist das Kirchengericht (hier: Schlichtungsstelle) angerufen und ihm die zur Begründung des Antrags dienenden Tatsachen, zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt werden. Denn bei der Frist des § 38 Abs. 4 MVG.EKD handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Eine solche wird nur gewahrt, auch die Begründungstatsachen innerhalb der Frist angegeben werden. Eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dient dazu, dass alsbald Rechtsklarheit hergestellt wird, z.B., ob der Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Seite gestanden hat. Mit diesem Ziel verträgt es sich aber nicht, wenn nach formeller Anrufung des Kirchengerichts mit der Begründung des Antrags beliebig lange zugewartet werden kann. Zumindest dann, wenn der Dienststellenleitung die schriftliche Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung vorliegt, wird die Dienststellenleitung mit der Wahrung der Frist nicht überfordert, weil sich aus der schriftlichen Zustimmungsweigerung ergibt, worauf diese gestützt wird.
Die förmliche Anrufung des Kirchengerichts kann noch am letzten Tag der Frist erfolgen, jedoch müssen innerhalb der Frist alle Tatsachen vorgebracht sein, aus denen zumindest nach Ansicht der Antragstellerin folgt, dass kein Grund für die Verweigerung der begehrten Zustimmung vorliegt. Zum Zweck des Vorbringens kann auch auf innerhalb der Frist eingereichte Anlagen Bezug genommen werden.
2. Vorliegend ist diese Frist entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht gewahrt worden. Die Frist lief am 7. Juni 2005 ab, denn die schriftliche Zustimmungsverweigerung ist der Dienststellenleitung am 24. Mai 2005 zugegangen. Die Antragsschrift selbst ist am letzten Tag der Frist eingereicht worden. Sie enthielt keine zur Begründung des Antrags dienenden Tatsachenangaben. Auf das Schreiben der Dienststellenleitung an die Mitarbeitervertretung vom 13. Mai 2005 und deren schriftliche Antwort vom 24. Mai 2005 kann insoweit schon deshalb nicht zurückgegriffen werden, weil diese Schriftstücke nicht innerhalb der Frist des § 38 Abs. 4 MVG.EKD vorgelegt worden sind.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung, § 12 Abs. 5 ArbGG). Die Wertfestsetzung beruht auf § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG i.V.m. § 22 Abs. 2 KiGG.EKD, wobei der Antrag unterstellt wurde.