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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:29.04.2011
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/R8-09
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 6a Abs. 2
Vorinstanzen:Kirchengericht der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz, 26/0-6/4-619)
Schlagworte:Errichtung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund
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Leitsatz:


1. Die Befugnis zur Errichtung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund (§ 6a Abs. 2 MVG.EKD) steht nur den einzelnen Mitarbeitervertretungen zu, deren Dienst-stellen im Verbund zusammengefasst sind, nicht aber einer Gesamtmitarbeitervertretung i.S.d. § 6 MVG.EKD.
2. Unter "Antrag" ist die Aufforderung mindestens einer Mitarbeitervertretung an alle anderen Mitarbeitervertretungen in den "verbundenen" Dienststellen zu verstehen, der Bildung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund zuzustimmen. Sodann haben die einzelnen Mitarbeitervertretungen in getrennten Sitzungen zu beschließen, ob auch sie mit der Errichtung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund einverstanden sind. Findet sich insoweit eine Mehrheit der Beschlüsse der einzelnen Mitarbeitervertretungen, so ist die Gesamtmitarbeitervertretung nach § 6a Abs. 2 Halbsatz 1 MVG.EKD errichtet. Bestehen im Dienststellenverbund nur zwei Mitarbeitervertretungen, so genügt bereits der entsprechende Beschluss einer der beiden Mitarbeitervertretungen zur Errichtung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund (§ 6a Abs. 2 Halbsatz 2 MVG.EKD). In die derart nach § 6a Abs. 2 MVG.EKD errichtete Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund entsenden die Mitarbeitervertretungen sodann durch Beschluss Mitglieder

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Kirchengerichts der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz vom 29. September 2008 - Az.: 26/0-6/4-619 wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin nimmt die Dienststellenleitung auf die Bereitstellung eines Büroraumes in den Räumen der Dienststelle und eines Laptops für den Vorsitzenden der Antragstellerin sowie auf die Verpflichtung der Dienststellenleitung in Anspruch, mit der Antragstellerin die in ihre Zuständigkeit fallenden Probleme auch mündlich zu erörtern.
Die Dienststellenleitung übt die einheitliche und beherrschende Leitung über eine Reihe selbständig organisierter diakonischer Einrichtungen aus. Hierzu gehören unstreitig neben der von der Dienststellenleitung geführten Einrichtung C auch die Einrichtungen E und F. Die Einrichtung C hat zum 1. Januar 2007 80 v.H. der Gesellschaftsanteile der Einrichtung E übernommen.
Bei der Einrichtung C und bei der Einrichtung E ist jeweils eine Gesamtmitarbeitervertretung errichtet worden, in der Einrichtung F ist eine Mitarbeitervertretung gewählt worden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung E haben an der Wahl zur Gemeinsamen Mitarbeitervertretung teilgenommen. Die Dienststellenleitung macht geltend, hinsichtlich der Einrichtung E keine Leitung auszuüben.
Die Mitarbeitervertretung der Einrichtung F hat am 6. Juni 2007 beantragt, eine Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund C zu bilden; denselben Antrag hat am 19. Juni 2007 die Gesamtmitarbeitervertretung der Einrichtung E gestellt. Die Gesamtmitarbeitervertretung A hat am 17. Juli 2007 beschlossen,
"Herr G wird in die GMAV im Dienststellenverbund entsandt"
und am 31. Juli 2008 beschlossen:
"Die GMAV bestätigt mit Beschluss im Rahmen der Sitzung vom 31.7.2008 ihren Beschluss vom 17.7.2007 und somit ihr Interesse an einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund mitzuarbeiten".
Die Gemeinsame Mitarbeitervertretung hat am 24. Januar 2008 beschlossen,
"Frau H zu den Sitzungen der GesamtMAV im Dienststellenverbund C zu entsenden".
Die Gesamtmitarbeitervertretung der Einrichtung E ist Anfang 2008 auf Grund eines entsprechenden Beschlusses aus der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund ausgetreten.
Die antragstellende Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund hält sich für rechtlich existent und hinsichtlich ihres Begehrens für berechtigt. Sie sei ordnungsgemäß errichtet worden, wie der Beschluss der Gesamtmitarbeitervertretung vom 31. Juli 2008 und der Entsendungsbeschluss der Mitarbeitervertretung der Einrichtung E vom 24. Januar 2008 auswiesen. Wegen der Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vortrags wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 21. Mai, 29. Juli, 4. August und 8. September 2008 Bezug genommen.
Sie hat beantragt,
1. die Dienststellenleitung zu verpflichten, der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund einen Büroraum in den Räumen der Dienststelle sowie einen Laptop für den Vorsitzenden der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund zur Verfügung zu stellen,
2. die Dienststellenleitung zu verpflichten, im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit Probleme, für die die Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund zuständig ist, auch mündlich zu erörtern.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hält die antragstellende Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund mangels ordnungsgemäßer Errichtung für nicht existent. Wegen der Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 9. Juni, 7. Juli und 26. August 2008 Bezug genommen.
Das Kirchengericht hat die Anträge durch seinen Beschluss vom 29. September 2008 als unzulässig abgewiesen, weil die Antragstellerin rechtlich nicht existent sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der antragstellenden Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund. Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge weiter und macht geltend, rechtlich existent zu sein. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 9. Februar und 9. März 2009 Bezug genommen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf ihre Schriftsätze vom 18. Februar und 20. April 2009 Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 Übernahmegesetz der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (KABl. 2004 S. 48).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keiner dieser Gründe liegt vor, insbesondere nicht der zu Nr. 1 a.a.O.
3. Der Annahmegrund zu § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD liegt nicht vor.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 12. April 2010 - I-0124/S13-10 - ZMV 2010, 264). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird.
b) Die angefochtene Entscheidung trifft - jedenfalls im Ergebnis - zu. Umstände, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders zu treffen sein werde, sind weder vorgebracht, noch ersichtlich. Der Antragstellerin stehen die geltend gemachten Ansprüche schon deshalb nicht zu, weil sie rechtlich nicht existent ist. Ihre Errichtung genügt den Anforderungen des § 6a Abs. 2 MVG.EKD nicht. Dies hat ihre Nichtigkeit zur Folge.
aa) Rechtsgrundlage für die Bildung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund ist allein § 6a MVG.EKD. Diese Bestimmung gilt uneingeschränkt aufgrund der Übernahme nach § 1 Übernahmegesetz der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (KABl. 2004 S. 48) in der Evangelischen Kirche in Bayern.
(1) Nach § 6 Abs. 2 Halbs. 1 MVG.EKD ist "auf Antrag der Mehrheit der Mitarbeitervertretungen eines Dienststellenverbundes eine Gesamtmitarbeitervertretung zu bilden". Die Befugnis zur Errichtung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund steht nur den einzelnen Mitarbeitervertretungen zu, deren Dienststellen im Verbund zusammengefasst sind, nicht aber einer Gesamtmitarbeitervertretung i. S. des § 6 MVG.EKD (vgl. Berliner Kommentar zum MVG.EKD/Andelewski, Stand 2007, § 6a Rn. 7). Die Regelung der Befugnis, einen solchen "Antrag" zu stellen, entspricht der Regelung in § 6 Abs. 1 Halbsatz 1 MVG.EKD über die Errichtung einer Gesamtmitarbeitervertretung in den Fällen, in denen innerhalb einer kirchlichen Körperschaft, Anstalt, Stiftung oder einem Werk oder bei einer Einrichtung der Diakonie mehrere Mitarbeitervertretungen bestehen. Eine drei- oder mehrfache Stufung von Mitarbeitervertretungsgremien, etwa auf der Ebene der Dienststellenteile, darüber auf der Ebene des Dienststellenträgers und sodann darüber auf der Ebene des Dienststellenverbundes, ist dem MVG.EKD - im Gegensatz zur Regelung von Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat im Betriebsverfassungsgesetz - fremd.
(2) Unter "Antrag" ist die Aufforderung mindestens einer Mitarbeitervertretung an alle anderen Mitarbeitervertretungen in den "verbundenen" Dienststellen zu verstehen, der Bildung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund zuzustimmen. Sodann haben die einzelnen Mitarbeitervertretungen in getrennten Sitzungen zu beschließen, ob sie mit der Errichtung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund einverstanden sind. Findet sich insoweit eine Mehrheit der Beschlüsse der einzelnen Mitarbeitervertretungen , so ist die Gesamtmitarbeitervertretung nach § 6a Abs. 2 Halbsatz 1 MVG.EKD errichtet. Bestehen im Dienststellenverbund nur zwei Mitarbeitervertretungen, so genügt bereits der entsprechende Beschluss einer der beiden Mitarbeitervertretungen zur Errichtung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund (§ 6a Abs. 2 Halbsatz 2 MVG.EKD). In die derart nach § 6a Abs. 2 MVG.EKD errichtete Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund entsenden die Mitarbeitervertretungen sodann durch Beschluss Mitglieder.
bb) Diesen Anforderungen entspricht die Errichtung der hier antragsstellenden Mitarbeitervertretung im Dienststellenverbund nicht. Über ihre Errichtung haben nicht durchgehend Mitarbeitervertretungen beschlossen. Als einzige Mitarbeitervertretung hat die der Einrichtung F am 6. Juni 2007 einen solchen Beschluss gefasst. Im Bereich der Gesamtmitarbeitervertretung der Einrichtung E ist zwar am 19. Juni 2007 ein Beschluss über die Errichtung der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund gefasst worden; er genügt jedoch § 6a Abs. 2 Halbsatz 1 MVG.EKD nicht, weil eine Gesamtmitarbeitervertretung zu solchem Beschluss nicht befugt ist. Die Gesamtmitarbeitervertretung A hat einen Beschlussgegenstand "Bildung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund" überhaupt nicht behandelt, sondern nur einen Beschluss über die Entsendung eines ihrer Mitglieder. Dies genügt § 6a Abs. 2 Halbsatz 1 MVG.EKD aus zwei Gründen nicht: Zum Einen fehlt es an der Befugnis, zum Anderen am Beschlussgegenstand. Der Beschluss der Gemeinsamen Mitarbeitervertretung befasst sich ebenfalls nicht mit der Errichtung der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund, sondern nur mit der Entsendung von Frau H in dieses Gremium.
cc) Die Nichtigkeit oder Nichtexistenz einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund kann - im Gegensatz zur Anfechtung der Wahl einer Mitarbeitervertretung - jederzeit geltend gemacht werden. Für eine Gesamtmitarbeitervertretung gilt - im Gegensatz zur Mitarbeitervertretung - keine feste Amtszeit; sie ist vielmehr auf Dauer errichtet und wird durch entsandte Mitarbeitervertreter im Rahmen deren Amtszeit besetzt. Bei ihrer Errichtung ist auch nicht zwischen fristgebundener Anfechtbarkeit und jederzeit zu berücksichtigender Nichtigkeit zu differenzieren. Vielmehr ist jederzeit zu prüfen, ob die Errichtung ordnungsgemäß war. Fehlt es daran, ist die Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund rechtlich nicht existent.
c) Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf die übrigen im Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen für § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD nicht (mehr) an.
4. Für das Vorliegen anderer Annahmegründe (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bis 4 MVG.EKD) gibt es keinen Hinweis.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).