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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:12.04.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/R34-09
Rechtsgrundlage:AVR.DW.EKD n.F. EGr 7, 8
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen, 2. Kammer in Münster, 2 M 141/08
Schlagworte:Eingruppierung Altenpflegerin im Gerontopsychiatrischen Zentrum
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Leitsatz:

1. Ob Besonderheiten i.S. der Anmerkung 14 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD vorliegen, ist anhand eines Vergleichs mit dem „Normalbild“ einer einschlägig ausgebildeten Fachkraft zu ermitteln. Dabei sind die Tatsachen, die den Normalfall kennzeichnen, aufzuzeigen. Mit ihnen sind die Tatsachen zu vergleichen, aus denen sich die Besonderheit ergeben soll. Das Angebot eines Sachverständigengutachtens an Stelle von Tatsachenvortrag ist unzureichend.
2. Die Pflege altersdementer Menschen gehört zum normalen Berufsbild der Altenpflegerin. Sie ist in EGr 7 Teil A Nummer 1 Buchstabe a (Richtbeispiel) Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD eingruppiert. Der Umstand, dass in einem gerontopsychiatrischen Zentrum weit überwiegend altersdemente Menschen zu pflegen sind, hat für sich allein nicht zur Folge, dass die Tätigkeit der dort eingesetzten Altenpflegerin in EGr 8 eingruppiert ist.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - vom 27. März 2009 - Az.: 2 M 141/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Dienststellenleitung betreibt ein von ihr so bezeichnetes Gerontopsychiatrisches Dienstleistungszentrum und „Wohnort für Menschen mit fortgeschrittener Demenz“ unter dem Namen „A-Haus“ mit etwa 109 Bewohnern und 150 Mitarbeitenden. Die Dienststellenleitung hält die Eingruppierung von fünf dort eingesetzten examinierten Altenpflegerinnen in EGr 7 Teil A Nummer 1 a Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD n. F. für zutreffend.
Frau B ist ausgebildete Altenpflegerin und seit dem 1. April 2000 bei der Dienststelle beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag die AVR.DW.EKD in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Dienststellenleitung hat die Mitarbeitervertretung zur Eingruppierung der Altenpflegerin Frau B in EGr 7 Teil A Nummer 1 a Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD angehört. Die Mitarbeitervertretung hat die Erörterung verlangt und diese mit ihrem Schreiben vom 12. August 2008 für beendet erklärt. Die Dienststelle hat am 10. November 2008 das vorliegende Verfahren eingeleitet. Sie hält die von ihr vorgesehene Eingruppierung unter Hinweis auf das der EGr 7 zugeordnete Richtbeispiel „Altenpflegerin“ für zutreffend und meint, der Umstand, dass die Bewohner und Bewohnerinnen der Einrichtung weit überwiegend demenzkrank seien und deshalb eine auf sie zugeschnittene Pflege und Betreuung erforderten, habe nicht zur Folge, dass die Tätigkeit als „schwierige Aufgabe“ i.S. der EGr 8 i.V.m. Anmerkung 14 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD einzuordnen sei. Wegen der Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Schriftsatz nebst Anlagen der Antragstellerin vom 5. November 2008 Bezug genommen. Sie hat beantragt,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterin Frau B in die EGr 7 Anlage 1 AVR.DW.EKD besteht.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie meint, an die Altenpflegerinnen würde wegen des hohen Anteils demenzerkrankter Bewohner und Bewohnerinnen in der Einrichtung Anforderungen i.S. der EGr 8 gestellt. Dies erhelle sich auch aus den von ihr in der mündlichen Verhandlung überreichten Werbe- und Selbstdarstellungsunterlagen der Einrichtung. Ergänzend wird auf ihren Schriftsatz vom 29. Januar 2009 Bezug genommen. Deshalb habe sie die Zustimmung zur Eingruppierung in EGr 7 zu Recht verweigert.
Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag der Dienststellenleitung durch ihren Beschluss vom 27. März 2009 stattgegeben. Gegen ihn wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde.
Sie macht geltend, die übertragene Tätigkeit falle unter die EGr 8 Teil A Nummer 1 a AVR.DW.EKD n.F. Weshalb die Vorinstanz die Angaben aus der Werbebroschüre der Einrichtung als für die Eingruppierung irrelevant erachtet habe, sei nicht nachvollziehbar. Es fehle wegen häufiger Änderung der Zuordnung der Bewohner und Bewohnerinnen zu deren Gruppen an der arbeitserleichternden Kontinuität für das Pflegepersonal. An die Altenpflegerinnen und Altenpfleger werden infolge der ernorm hohen Konzentration dementer und z.T. hochgradig dementer Bewohner und Bewohnerinnen Anforderungen gestellt, die zur Folge habe, dass es sich entgegen der Annahme der Vorinstanz um schwierige Aufgaben i. S. der Anmerkung 14 zu EGr 8 handele. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Mitarbeitervertretung vom 14. Juli 2009 nebst Anlagen Bezug genommen. Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den angefochtenen Beschluss abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Frau B sei die übliche Tätigkeit einer Altenpflegerin, wie sie in der EGr 7 Teil A Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD als Richtbeispiel genannt sei, übertragen worden. Es fehle an den Merkmalen der EGr 8. Frau B habe für ihre Aufgabe weder „vertieftes oder erweitertes Fachwissen“ einzusetzen noch „schwierige Aufgaben“ zu bewältigen. Ein spezielles Betereuungskonzept für demente Menschen führe nicht mehr oder minder automatisch zu den Anforderungen der EGr 8. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Dienststellenleitung vom 26. März 2010 Bezug genommen.
II. Die durch den Senatsbeschluss vom 10. März 2010 zur Entscheidung angenommene Beschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund hat, ihre Zustimmung zur Eingruppierung der Altenpflegerin Frau B in EGr 7 Teil A Nummer 1 a Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD n. F. zu verweigern.
1. Enthält eine Eingruppierungsbestimmung der AVR.DW.EKD n.F. (gültig ab 1. Juli 2007) neben einem Obersatz und diesen erläuternde Bestimmungen auch Richtbeispiele, so ist zunächst zu prüfen, ob ein Richtbeispiel einschlägig ist und ob dessen Merkmale erfüllt sind. Nur wenn die Tätigkeit vom Richtbeispiel nicht oder nicht vollständig erfasst ist, ist auf die allgemeinen Merkmale zurückzugreifen. Dies folgt aus der gebotenen Auslegung der Eingruppierungsregelungen der AVR.DW.EKD (KGH.EKD. Beschluss vom 22. Juni 2009 – I-0124/P89-08 – ZMV 2009, S. 260).
2. In EGr 7 Teil A Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD ist das Richtbeispiel „Altenpflegerin“ aufgeführt. Frau B ist die Tätigkeit einer Altenpflegerin im gerontopsychiatrischen Dienstleistungszentrum „A-Haus“ übertragen worden. Ihre Tätigkeit erfüllt die Merkmale des Richtbeispiels.
3. Wie bereits die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, liegen für die Frau B übertragene Tätigkeit die von der Mitarbeitervertretung als zutreffend bezeichneten Eingruppierungsmerkmale der EGr 8 Teil A Nummer 1 Buchstabe a Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD nicht vor.
a) Diese Bestimmung lautet in dem hier interessierenden Zusammenhang:
Entgeltgruppe 8 (Anm. 6, 7, 10, 11, 14)
A. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen
Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit
1. eigenständiger Wahrnehmung (Anm. 6) von schwierigen (Anm. 14) Aufgaben in den Tätigkeitsbereichen
a) Pflege / Betreuung / Erziehung,
b) .…
Richtbeispiele:
Gesundheitspflegerin im OP-Dienst, in der Intensivpflege oder Psychiatrie,
…“
Anmerkungen:
(6) Die eigenständig wahrgenommenen Aufgaben der Entgeltgruppe 7 und 8 setzen Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraus, die i.d.R. durch eine dreijährige Fachschulausbildung, aber auch anderweitig erworben werden können. Eigenständig wahrgenommen bedeutet, dass für die Erledigung der übertragenen Aufgaben Entscheidungen über Mittel und Wege zur Erreichung von Arbeitsergebnissen selbst getroffen werden. Die Aufgaben, die im Klientenbezug weitergehende emotionale und soziale Kompetenz erfordern, beinhalten Tätigkeiten, die in verschiedenen Arbeitssituationen in unterschiedlichem Maße anfallen und wechselnde Anforderungen stellen.
(14) Schwierige Aufgaben weisen fachliche, organisatorische, rechtliche oder technische Besonderheiten auf, die vertiefte Überlegung und besondere Sorgfalt erfordern.“
b) Die Voraussetzung der eigenständigen Wahrnehmung (Anmerkung 6) von Aufgaben ist gegeben. Sie stellt jedoch im vorliegend relevanten Zusammenhang kein Unterscheidungsmerkmal (Kriterium) zur EGr 7 dar, sondern wird für beide Entgeltgruppen gleichermaßen vorausgesetzt. Dies gilt nicht zuletzt auch für die in Anmerkung 6 im letzten Satz beschriebenen Aufgaben. Solche Aufgaben mögen in einem gerontopsychiatrischen Zentrum im Vergleich zur Altenpflege in einer Einrichtung ohne die hier vorliegende Konzentration auf demenzerkrankte alte Menschen verstärkt und verdichtet anfallen. Allein dieser Umstand führt jedoch nicht zum Eingruppiertsein in EGr 8.
c) Die Voraussetzungen der Anmerkung 14 sind, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, nicht gegeben. Die „schwierigen Aufgaben“ i.S. dieser Anmerkung weisen fachliche, organisatorische, rechtliche oder technische Besonderheiten auf, die vertiefte Überlegung und besondere Sorgfalt erfordern. Ob Besonderheiten i.S. der Anmerkung 14 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD vorliegen, ist anhand eines Vergleichs mit dem „Normalbild“ einer einschlägig ausgebildeten Fachkraft zu ermitteln. Dabei sind die Tatsachen, die den Normalfall kennzeichnen, aufzuzeigen. Mit ihnen sind die Tatsachen zu vergleichen, aus denen sich die Besonderheit ergeben soll. Das Angebot eines Sachverständigengutachtens an Stelle von Tatsachenvortrag ist unzureichend.
Solche Besonderheiten liegen auch nach dem Tatsachenvortrag der Mitarbeitervertretung nicht vor. Die von der Mitarbeitervertretung vorgebrachte rechtliche Bewertung ist nicht zu teilen. Sie läuft im Ergebnis darauf hinaus, aus der Häufung und Schwere von Demenzerkrankungen der in der Einrichtung wohnenden Menschen auf „schwierige Aufgaben“ zu schließen. Dabei wird - wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat - übersehen, dass gerade auch die Pflege von altersdementen Menschen zum normalen Berufsbild der Altenpflege gehört. Die Konzentration altersdementer Menschen im „A-Haus“ hat als solche keine „fachliche“, auch keine „organisatorische“ Besonderheit für das Pflegepersonal zur Folge. Die Häufung altersdementer Menschen in der Einrichtung stellt an die emotionale Stabilität und die charakterliche Festigkeit der pflegenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besondere Anforderungen, die in einem Pflegeheim mit weniger demenzerkrankten Menschen nicht in dieser Häufung vorkommen. Das aber wird im Vergütungssystem der AVR.DW.EKD n. F. nicht berücksichtigt.
d) Es ist auch nicht an Tatsachen dafür vorgetragen, dass die der Frau B übertragene Tätigkeit als Altenpflegerin im Gerontopsyhiatrischen Zentrum „A-Haus“ vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten“ (EGr 8 Teil A Eingangssatz Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD) erfordere. Dem erstmals in der Beschwerde vorgebrachten Beweisangebot „Sachverständigengutachten“ war nicht nachzugehen, weil dies angesichts des im rein Tatsächlichen nur sehr marginalen Tatsachenvorbringens einem Ausforschungsbeweis nahe käme, der an die Stelle der gebotenen rechtlichen Subsumtion träte. Die wesentliche Argumentationsgrundlage der Mitarbeitervertretung besteht in der ständigen Wiederholung, dass in der Einrichtung weit überwiegend altersdemente Menschen zu pflegen sind. Das aber ist unstreitig. Weshalb sich daraus aber die Eingruppierung in EGr 8 Teil A Nummer 1 a Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD ergeben soll, ist eine rechtliche Frage.
e) Es kann dahin stehen, inwieweit für die Tatsachenfeststellung bei der Eingruppierung auf Werbeunterlagen der Einrichtung zurückgegriffen werden kann und darf. Selbst wenn dies zu Gunsten der Mitarbeitervertretung als rechtlich möglich unterstellt, ergibt sich hieraus nichts für deren Auffassung, dass besondere Schwierigkeiten i.S. der Anmerkung 14 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD n. F. vorliegen oder dass für die übertragene Tätigkeit „vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten“ (EGr 8 Teil A Eingangssatz Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD) erforderlich seien. Gemessen an der herkömmlichen Ausbildung zum Beruf der Altenpflege wäre der Hinweis auf „speziell geschultes Pflegepersonal“ in der Werbebroschüre nur dann widersprüchlich zur Auffassung der Dienststellenleitung, wenn damit eine andere oder speziellere Schulung gemeint wäre, als sie in der Ausbildung zur Altenpflegerin erfolgt. Das aber ist der Broschüre nicht zu entnehmen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).