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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:12.04.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/R59-09
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 30 Abs. 2, ZPO § 253 Abs. 2 Nummer 2
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens, SST 1.-7/2008; Fundstelle: KuR 2/2010, S. 287
Schlagworte:Rechtsanwalt als Sachverständiger - Globalantrag
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Leitsatz:

1. Ein Globalantrag umfasst im Rahmen der von ihm beschriebenen Grenzen alle Fallkonstellationen. Er ist insoweit zwar hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nummer 2 ZPO); er ist jedoch insgesamt als unbegründet zurückzuweisen, wenn er auch Fälle umfasst, in denen dem Sachbegehren nicht stattzugeben ist.
2. Auch wenn die Dienstgeberseite in außergerichtlichen Verhandlungen mit der Mitarbeitervertretung rechtsanwaltlich vertreten ist, folgt nicht schon aus diesem Umstand ein Anspruch der Mitarbeitervertretung, einen Rechtsanwalt als Sachverständigen auf Kosten der Dienststelle heranziehen zu dürfen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob die sachlichen Voraussetzungen für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts und die daraus resultierende Kostentragungspflicht außerhalb der Verfahrensvertretung (§ 30 Abs. 2 Satz 2 MVG.EK) vorliegen.
3. Ohne vorherige Zustimmung der Dienststellenleitung oder deren vorherige kirchengerichtliche Ersetzung gibt es keine Kostenübernahme im Rahmen des § 30 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens vom 22. Juni 2009, Az.: SST 1.-7/2008, wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob und unter welchen Bedingungen die Dienststelle die Kosten der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständigen der Mitarbeitervertretung zu tragen hat.
Die Mitarbeitervertretung meint, generell sei dies unter den in ihrem Antrag zu 1 genannten Voraussetzungen der Fall: Wegen der konkreten Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts für außergerichtliche Verhandlungen mit der Dienststellenleitung am 18. Oktober 2008 über die Frage, ob und in welchem Umfang einer Mitarbeiterin als Honorarkraft für Führungen eingesetzt werden solle, begehrt sie die Übernahme der Kosten eines Rechtsanwalts - ihres jetzigen Verfahrensbevollmächtigten - als ihren Sachverständigen. Sie hatte unstreitig vor dessen Hinzuziehung die Kostenübernahme beantragt (Antrag vom 9. Oktober 2008), diesen Antrag hat die Dienststellenleitung - ebenfalls unstreitig - am 10. Oktober 2008 abgelehnt. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Mitarbeitervertretung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 9. Dezember 2008, 23. Februar und 18. Juni 2009 Bezug genommen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
1. festzustellen, dass die beteiligte Dienststelle verpflichtet ist, der Mitarbeitervertretung die notwendigen Kosten der Beiziehung eines Rechtsanwalts zu vorgerichtlichen Verhandlungen der Mitarbeitervertretung mit der Dienststellenleitung zu jenen Punkten der Tagesordnung zu genehmigen, hinsichtlich derer zwischen den Parteien trotz Austausch der Rechtsansichten in rechtlicher Hinsicht keine Einigkeit besteht und hinsichtlich derer die Dienststelle durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
2. die Dienststellenleitung zu verpflichten, der Mitarbeitervertretung für die Beiziehung des Rechtsanwalts A zur Sitzung am 17. Oktober 2008 Kosten in Höhe von 402,82 Euro zu erstatten.
3. die Dienststellenleitung hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Dienststellenleitung hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie hält den Antrag zu 1 für unzulässig und alle Anträge für unbegründet. Sie hebt hervor, dass ihr Verfahrensbevollmächtigter zwar Rechtsanwalt sei, er sei jedoch mit der ständigen Geschäftsführung der Dienststelle beauftragt, weil das Leitungsgremium nur äußerst selten zusammentrete. Wegen der Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf ihren Schriftsatz vom 15. Januar 2009 Bezug genommen.
Die Vorinstanz hat die beiden ersten Anträge durch ihren Beschluss vom 22. Juni 2009 abgelehnt, jedoch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin hinsichtlich des Antrags zu 2 der „Antragsgegnerin“ auferlegt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde, soweit ihrem erstinstanzlichen Begehren nicht stattgegeben worden ist. Die Dienststellenleitung hat gegen den Beschluss keine Beschwerde eingelegt.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
die Beschwerde wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses wie auch wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung anzunehmen.
Wegen der Einzelheiten ihres zweitinstanzlichen Vorbringens zu den Gründen für eine Annahme der Beschwerde zur Entscheidung und zu deren Begründung wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes nebst Anlagen vom 14. September 2009 Bezug genommen. Sie beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses
1. festzustellen, dass die beteiligte Dienststelle verpflichtet ist, die notwendigen Kosten der Beiziehung eines Rechtsanwalts zu vorgerichtlichen Verhandlungen der Mitarbeitervertretung mit der Dienststellenleitung zu jenen Punkten der Tagesordnung zu genehmigen, hinsichtlich derer zwischen den Parteien trotz Austausch von Rechtsansichten in rechtlicher Hinsicht keine Einigkeit besteht und hinsichtlich derer die Dienststelle durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
2. die Dienststellenleitung zu verpflichten, der Mitarbeitervertretung für die Beiziehung des Rechtsanwalts A zur Sitzung am 17. Oktober 2008 Kosten in Höhe von 402,82 Euro zu erstatten.
3. die Beschwerdegegnerin trägt auch die weiteren außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin in erster Instanz.
Die beteiligte Dienststellenleitung beantragt, die Beschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen und sie im Fall der Annahme als unbegründet zurückzuweisen. Wegen der Einzelheiten ihres zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 28. Oktober 2009 Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 AnwGMVG der Ev.Luth. Landeskirche Sachsens vom 3. November 1993, zuletzt geändert durch das KirchenG vom 26. April 2004 (ABl. Sachsen 2004, S. A88).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen die verfahrensbeendenden Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann.
Keine dieser Voraussetzungen liegt vor, vor allen nicht die zu Nummer 1 oder Nummer 2 des § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD.
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses.
aa) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (std. Rspr. des KGH.EKD, z.B.: Beschluss vom 7. April 2008 - I-0124/P5-08 - ZMV 2009, S. 37; Beschluss vom 10. November 2008 - I-0124/P37-08 - ZMV 2009, S. 36; Beschluss vom 20. April 2009 - I-0124/R10-09; Beschluss vom 1. September 2009; I-0124/R26-09, Beschluss vom 27. Januar 2010 - II-0124/P36-08 alle www.ekd.de, z.V.v.,).
bb) Solche Zweifel zeigt die Beschwerde nicht auf.
(1) Der Antrag zu 1 ist von der Vorinstanz im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden. Selbst wenn man diesen Antrag für hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nummer 2 ZPO) hält, war er als Globalantrag zurückzuweisen. Ein Globalantrag umfasst im Rahmen der von ihm beschriebenen Grenzen alle Fallkonstellationen. Er ist insoweit zwar hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nummer 2 ZPO); er ist jedoch insgesamt als unbegründet zurückzuweisen, wenn er auch nur einen Fall umfasst, in welchem dem Sachbegehren nicht stattzugeben ist (KGH.EKD, Beschluss vom 7. August 2009 - I-0124/R39-09 - www.ekd.de). Der vorliegende Antrag zu 1 umfasst bereits seinem Wortlaut nach durchaus Fälle, in denen es der Hinzuziehung rechtsanwaltlichen Sachverstands nicht bedarf, z.B. wenn sich die Dienststellenleitung auch in Fällen, in denen es rechtsanwaltlichen Sachverstandes nicht bedarf, eines solchen bedient oder wenn die Frage auch für die Mitarbeitervertretung aus dem Gesetz heraus einfach zu beantworten ist, und zwar auch und gerade in den Fällen, in denen - wenn keine Einigung erzielt wird - notfalls das Kirchengericht angerufen werden kann oder gar muss. Der Umstand, dass sich im vorliegenden Fall die Dienststellenleitung eines Rechtsanwalts als ihres Syndikus bedient, führt für sich allein zu keiner anderen Beurteilung. Auch wenn die Dienstgeberseite in außergerichtlichen Verhandlungen mit der Mitarbeitervertretung rechtsanwaltlich vertreten ist, folgt nicht schon aus diesem Umstand ein Anspruch der Mitarbeitervertretung, einen Rechtsanwalt als Sachverständigen auf Kosten der Dienststelle heranziehen zu dürfen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob die sachlichen Voraussetzungen für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts und die daraus resultierende Kostentragungspflicht außerhalb der Verfahrensvertretung (§ 30 Abs. 2 Satz 2 MVG.EK) vorliegen.
(2) Der Antrag zu 2 ist ebenfalls zutreffend von der Vorinstanz entschieden worden. Das Vorbringen der Beschwerde zeigt nicht auf, dass eine andere Entscheidung wahrscheinlich wäre. Die Ansicht, dass die Mitarbeitervertretung insoweit überhaupt eine Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständigen nach § 30 Abs. 2 MVG.EKD erforderlich ansehen durfte, ist auch im Nachhinein nicht zu teilen. Ausweislich des Protokolls standen keine eine solche Hinzuziehung nach dem MVG.EKD rechtfertigenden Rechtsprobleme zu Diskussion, sonder allgemeine Probleme hinsichtlich der fachlichen oder sprachlichen Fähigkeiten der Frau A bei den Führungen.
(3) Hinsichtlich des Antrags zu 3 ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, weshalb hier eine andere als die erstinstanzliche Entscheidung wahrscheinlich sein soll.
b) Für § 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 2 MVG.EKD ist nicht dargetan, inwieweit der von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommen soll.
aa) Der Annahmegrund der grundsätzlichen Bedeutung bezieht sich nicht auf den Fall insgesamt, sondern auf die Rechtsfrage(n), die sich in dem Fall stellt (stellen) und beantwortet werden muss (müssen). Für den Annahmegrund „grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage“ (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 2 MVG.EKD) muss die Rechtsfrage so genau bezeichnet sein, dass sie grundsätzlich mit „Ja“ oder mit „Nein“ beantwortet werden kann (KGH.EKD, Beschluss vom 27. Januar 2010 - II-0124/P36-08, www.ekd.de, z.V.v.). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung dieser Rechtsfrage abhängt, diese klärungsbedürftig und klärungsfähig und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchliche oder diakonische Rechtsordnung ist (KGH.EKD 30. Juni 2006 - I-0124/M21-06 - ZMV 2006, S. 307; vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 63 Abs. 1 Buchstabe g MVG.EKD a.F.: KGH.EKD 19. Mai 2005 - II-0124/K40-04, ZMV 2006, S. 89).
bb) Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwieweit der von ihr selbst gebildeten Rechtsfrage(n) eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll. Das Gesetz ist eindeutig. Es bietet für die von der Beschwerde selbst gebildeten Fragen keinerlei Grundlage. Eine Kostenübernahme kommt nur in Betracht, wenn die Dienststellenleitung der Kostenübernahme zuvor zugestimmt hat. Dies formuliert § 30 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz MVG.EKD. Ohne vorherige Zustimmung der Dienststellenleitung oder deren vorherige kirchengerichtliche Ersetzung gibt es keine Kostenübernahme im Rahmen des § 30 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD. Anders verhält es sich bei den Kosten der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen eines mitarbeitervertretungsrechtlichen gerichtlichen Streitverfahrens. Dort muss die Kostenübernahme zwar rechtzeitig bei der Dienststellenleitung beantragt werden. Das MVG.EKD lässt es jedoch durchaus zu, dass darüber, ob die Dienststelle die Kosten des Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung im gerichtlichen Verfahren nach § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD zu tragen hat, erst nach in der Inanspruchnahme der Dienste des Verfahrensbevollmächtigten gerichtlich entschieden wird.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).