.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.01.2011
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/S41-10
Rechtsgrundlage:MVG.EKD (a.F.) § 63 Abs. 1 Buchstabe c), MVG.EKD § 4, § 42 Buchstabe c), § 44
Vorinstanzen:Schieds- und Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V., I-37/09
Schlagworte:Aushändigung einer Bruttoliste, Globalantrag
#

Leitsatz:

1. Ein Globalantrag kann auch im mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschlussverfahren gestellt werden. Er genügt zwar, wenn er hinreichend bestimmt ist, den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er ist aber insgesamt als unbegründet zurückzuweisen, wenn und weil er mindestens eine Konstellation enthält, für die das beanspruchte Mitbestimmungsrecht nicht gegeben ist (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, z.B. Beschluss vom 7. August 2009 - Az.: I-0124/R39-09 - m.w.N.; Beschluss vom 12. April 2010 - Az.: I-0124/R59-09 - m.w.N., beide unter www.ekd.de).
2. Die Mitarbeitervertretung hat keinen Anspruch auf die Daten der monatlichen Bruttolohnzah-lung an die von § 44 i.V.m. § 4 MVG.EKD erfassten Personen.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schieds- und Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 11. Dezember 2009 - Az.: I-37/09 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die antragstellende Mitarbeitervertretung begehrt von der Dienststellenleitung die Aushändigung einer Liste, aus der die monatlichen Bruttolohnzahlungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne des Mitarbeitervertretungsgesetzes ersichtlich sind.
Die Vorinstanz hat das Begehren mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle im Gegensatz zu § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG an einem entsprechenden gesetzlichen Einsichtsrecht für die Mitarbeitervertretung. Wegen der Einzelheiten wird auf den angegriffenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 5. Juli 2010 zugestellten Beschluss wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer am 12. Juli 2010 (Fax) eingereichten Beschwerde. Ihre Beschwerdebegründungsschrift ist am 3. August 2010 (Fax) eingegangen. Sie hebt hervor, ihr Anspruch auf Überlassung einer Liste über die Bruttobezüge aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle folge aus § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Mitarbeitervertretung vom 3. August 2010 Bezug genommen.
Sie beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses der Schieds- und Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 11. Dezember 2009 - Az.: I-37/09 - festzustellen, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist, der Mitarbeitervertretung eine Liste auszuhändigen, aus der die monatlichen Bruttolohnzahlungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne des Mitarbeitervertretungsgesetzes ersichtlich sind.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Anspruch mangels Anspruchsgrundlage im MVG.EKD für nicht gegeben. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens im Beschwerderechtszug wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 2. September 2010 Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist statthaft und zulässig.
1. Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt aus § 63 Abs.1 Buchstabe c) MVG.EKD in der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Fassung. Vorliegend ist die alte, für das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz jedenfalls für die Einlegung der Beschwerde noch gültige Fassung des § 63 MVG.EKD, anzuwenden. Zwar hat die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz durch ihr Kirchengesetz über die Anwendung des MVG.EKD vom 16. April 2010 eben dieses Gesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Januar 2010 (ABl.EKD Seite 3) übernommen (Kirchengesetz vom 16. April 2010, KABl., Seite 108). Indessen hatte das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz bis zur Einlegung der Beschwerde noch nicht nach § 16 des Kirchengesetzes vom 16. April 2010 beschlossen, dass eben dieses Kirchengesetz auch für das genannte Diakonische Werk gelten soll.
2. Die Beschwerde ist auch sonst zulässig. Insbesondere ist sie fristgemäß eingelegt und begründet worden (vgl. § 63 Abs. 3 MVG.EKD a.F.).
III. Die Beschwerde ist indessen nicht begründet. Die Vorinstanz hat den Antrag im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
1. Zutreffend hat die Vorinstanz darauf hingewiesen, dass es im MVG.EKD an einer dem § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG entsprechenden Vorschrift über die Einsicht des Betriebsrats in Bruttolohnlisten fehlt. Allerdings zwingt dies nicht zu dem Schluss, es gäbe für das Begehren der Mitarbeitervertretung keine Rechtsgrundlage im MVG.EKD. Eine solche kann in § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD zu finden sein. Hiernach ist die Mitarbeitervertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten.
2. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der allgemeine Unterrichtungsanspruch der Mitarbeitervertretung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD grundsätzlich auch einen Anspruch der Mitarbeitervertretung auf Aushändigung der Bruttolohnliste umfasst oder ob dem § 34 Abs. 4 Satz 1 MVG.EKD entgegensteht, wonach Personalakten nur nach schriftlicher Zustimmung der betroffenen Person und nur durch ein von ihr zu bestimmendes Mitglied der Mitarbeitervertretung eingesehen werden dürfen. § 34 Abs. 4 MVG.EKD dient in besonderer Weise dem Persönlichkeitsschutz des einzelnen Mitarbeiters - auch und gerade gegenüber der Mitarbeitervertretung. Materiell-rechtlich liegt es nahe anzunehmen, dass die Angabe des monatlichen Bruttolohnes zur Personalakte zählt, mag diese Aufzeichnung auch nicht mehr (nur) in Papierform, sondern elektronisch vorgenommen werden.
3. Der Unterrichtungsanspruch nach § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD setzt voraus, dass die Mitarbeitervertretung die begehrte Unterrichtung benötigt, um prüfen zu können, ob sich für sie Aufgaben i.S. des Mitarbeitervertretungsrechts ergeben, und ob sie zur Wahrnehmung einer solchen Aufgabe tätig werden muss oder will; die Grenze des Auskunftsanspruchs liegt dort, wo ein Beteiligungsrecht offenkundig nicht in Betracht kommt (KGH.EKD in ständiger Rechtsprechung, Beschluss vom 12. Juli 2010 - I-0124/R82-09 - ZMV 2010, 319; Beschluss vom 29. Mai 2006 - II-0124/M6-06 - ZMV 2006, 306 m.w.N.). Scheidet aus, dass ein Beteiligungsrecht der Mitarbeitervertretung offenkundig nicht in Betracht kommt, so ist der Unterrichtungsanspruch begründet, wenn ein entsprechender allgemeiner Unterrichtungsbedarf der Mitarbeitervertretung vorliegt; auf einen aktuellen Anlass oder gar ein zu vermutendes oder vermutetes Fehlverhalten der Dienststellenleitung kommt es insoweit nicht an.
Der Unterrichtungsanspruch zeigt je nach Lage des Falles unterschiedliche Ausprägungen auf. Eine Ausprägung besteht darin, dass die Dienststellenleitung von sich aus der Mitarbeitervertretung rechtzeitig und umfassend Informationen über die Angelegenheiten erteilt, die ein Beteiligungsrecht der Mitarbeitervertretung zur Folge haben. Eine andere besteht darin, dass die Mitarbeitervertretung berechtigt ist, von der Dienststellenleitung Informationen zu verlangen, um prüfen zu können, ob und inwieweit ein Tätigwerden der Mitarbeitervertretung im Rahmen der ihr mitarbeitervertretungsgesetzlich obliegenden Zuständigkeit und Aufgaben erforderlich oder geboten ist. Letzte Ausprägung betrifft insbesondere die Fälle, in denen die Mitarbeitervertretung zu prüfen hat, ob sie im Interesse der Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen Belange der Mitarbeiter (§ 35 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD) tätig werden muss, soll oder kann.
4. Der Antrag der Mitarbeitervertretung stellt einen Globalantrag dar. Er war zurückzuweisen, weil er auch mindestens eine Konstellation aufweist, für die die Mitarbeitervertretung keinen Anspruch auf das Begehrte hat. Der Antrag ist auf die Aushändigung einer Bruttolohnliste für ausnahmslos und daher global auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichtet.
a) Ein Globalantrag kann auch im mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschlussverfahren gestellt werden. Er genügt zwar, wenn er hinreichend bestimmt ist, den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er ist aber insgesamt als unbegründet zurückzuweisen, wenn und weil er mindestens eine Konstellation enthält, für die das beanspruchte Mitbestimmungsrecht nicht gegeben ist (KGH.EKD, Beschluss vom 7. August 2009 - Az.: I-0124/R39-09 - m.w.N.; Beschluss vom 12. April 2010 - Az.: I-0124/R59-09 - m.w.N., beide unter www.ekd.de).
b) Vorliegend war der Globalantrag zurückzuweisen, weil der Antrag eine Konstellation enthält, nämlich die Angabe der monatlichen Bruttolohnzahlungen auch für diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Beteiligungsrechten der Mitarbeitervertretung nach § 44 MVG.EKD entzogen sind und für die die Mitarbeitervertretung deshalb keinen Anspruch auf Mitteilung der monatlichen Bruttolohnzahlung hat.
aa) Der Antrag kann nach seinem Wortlaut, wie auch nach dem Vorbringen zu seiner Begründung nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Angabe der monatlichen Bruttolohnzahlungen für Personen i.S. des § 44 MVG.EKD ausgenommen sein sollte. Für eine solche einschränkende Auslegung fehlt jeder Anhaltspunkt; hätte die Mitarbeitervertretung diesen Personenkreis ausnehmen wollen, so wäre es im Hinblick auf die nötige Bestimmtheit oder auch nur Bestimmbarkeit (vgl. § 253 ZPO) erforderlich gewesen, entsprechend konkrete Angaben im Antrag zu machen.
bb) Die Mitarbeitervertretung hat keinen Anspruch auf die Daten der monatlichen Bruttolohnzahlung an die von § 44 i.V.m. § 4 MVG.EKD erfassten Personen. Der Unterrichtungsanspruch der Mitarbeitervertretung über die monatlichen Bruttolohnzahlungen kann für die Mitarbeitervertretung inhaltlich nur der Klärung dienen, ob den Entgeltvorschriften, vor allem denen über die Eingruppierung und dem darauf gerichteten Mitbestimmungsrecht nach § 42 Buchstabe c) MVG.EKD Genüge getan ist. Indessen steht der Mitarbeitervertretung insoweit kein Beteiligungsrecht gegenüber ausnahmslos allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu. Nach näherer Maßgabe von § 44 MVG.EKD findet eine Beteiligung der Mitarbeitervertretung bei Personen nach § 4 MVG.EKD nicht statt. Hierbei handelt sich um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die der Dienststellenleitung angehören oder ihr zuzurechnen sind.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).