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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:30.12.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/S45-10
Rechtsgrundlage:MVG.K § 62 Abs. 1, i.V.m. der Verordnung des Rates der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über das Verfahren vor der Schiedsstelle (VerfOSchSt) nach § 63 Abs. 9 MVG.K, ArbGG § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 3
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe Kammer Diakonisches Werk Hannovers, 2 VR MVG 23/10 Hs; Fundstelle: ZMV 5/2011, S. 270
Schlagworte:Beteiligtenfähigkeit eines einzelnen Mitarbeiters
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Leitsatz:

1. Beteiligte i.S.d. MVG.EKD wie auch des MVG.K sind nur die Personen, Einrichtungen, Institutionen und Stellen, denen das Mitarbeitervertretungsrecht Rechte und Pflichten zuweist.
2. Für die Unterlassung von Mitbestimmungshandlungen weist das Mitarbeiter-vertretungsrecht dem einzelnen Mitarbeiter selbst keine eigene Rechtsposition zu

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers - vom 21. Juni 2010 - Az.: 2 VR MVG 23/10 Hs - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin war bei der beteiligten Dienststelle als Erzieherin angestellt. Der Arbeitsvertrag war bis zum 6. Juli 2010 befristet. Gegen die Wirksamkeit der Befristung setzt sich die Antragstellerin vor dem Arbeitsgericht Hannover zur Wehr (Klageschrift vom 8. Juni 2010).
Mit ihrer bei der Schiedsstelle am 11. Juni 2010 eingereichten Antragsschrift vom 8. Juni 2010 hat die Antragstellerin gegenüber der Dienststellenleitung sowie der dort bestehenden Mitarbeitervertretung und - antragserweiternd, da diese durch ein Untätigbleiben in ihren Rechten verletzt sei, - von der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie in Niedersachsen im Wege der einstweiligen Verfügung und - vorliegend - in der Hauptsache folgende Anträge verfolgt:
1. Der Dienststellenleitung und der Mitarbeitervertretung wird untersagt, vor rechts-kräftigem Abschluss des beim Arbeitsgericht Hannover mit Klage der Antragstellerin vom 8. Juni 2010 anhängig gemachten Rechtsstreits - gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung des Angestelltenverhältnisses zum 6. Juli 2010 und auf Verurteilung der Dienststellenleitung als dortige Beklagte zur Annahme des Angebots der Klägerin auf Abschluss eines unbefristeten Anstellungsvertrages - den derzeit mit der einer anderen Arbeitnehmerin besetzten Arbeitsplatz eines Erziehers/einer Erzieherin endgültig zu besetzen, indem die Dienststellenleitung das entsprechende Beteiligungsverfahren gem. § 42 Nr. 1 MVG.K einleitet und die Mitarbeitervertretung um die Zustimmung zur endgültigen Besetzung dieses Arbeitsplatzes bittet und die Mitarbeitervertretung der endgültigen Besetzung dieses Arbeitsplatzes durch Einstellung der dafür vorgesehenen Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers zustimmt.
2. Der Dienststellenleitung und der Mitarbeitervertretung aufzugeben, über folgende Regelungsgegenstände mitbestimmte Regelungen durch Abschluss von Dienstvereinbarungen herbeizuführen, und im Falle der Nichteinigung gem. §§ 37 Abs. 6 S. 2, 62 Abs. 2 MVG.K die Schiedsstelle anzurufen und sie um entsprechende Vermittlungsvorschläge zu bitten:
Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit und Regelung der Schichtarbeit (§§ 11 Abs. 1, 8 Abs. 9 AVR.K, § 40 Nr. 4 und 5 MVG.K);
Festlegung des täglichen Beginns und des täglichen Endes der Arbeitszeit einschließlich der Ruhepausen, gegebenenfalls im Rahmen der Schichtarbeit (§§ 13, 14 AVR.K, § 40 Nr. 4 MVG.K);
Dienstplangestaltung, insbesondere in Bezug auf die Wochenarbeitszeit (§ 8 Abs. 5 AVR.K, § 40 Nr. 5 MVG.K);
Anordnung und Durchführung von Überstunden (Mehrarbeit) und Festlegung der Ausgleichszeiträume und des Ausgleichs geleisteter Überstunden und Mehrarbeit (§§ 8 Abs. 9, Ziff. 16 Anmerkung zu Absatz 9, 16 AVR.K, § 40 Nr. 4 und 5 MVG.K);
Aufstellung von Beurteilungsgrundsätzen für die Dienststellen (§ 41 Nr. 5 MVG.K);
Aufstellung von Grundsätzen für Stellenausschreibungen (§ 41 Nr. 5 MVG.K);
Aufstellung von Grundsätzen für die personelle Auswahl bei Einstellungen (§ 41 Nr. 6 MVG.K).
Die Dienststellenleitung, die Mitarbeitervertretung sowie die Arbeitsrechtliche Kommission haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung hat geltend gemacht, die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt.
Die Schiedsstelle hat durch ihre Beschlüsse vom 21. Juni 2010 sowohl im Verfahren der einstweiligen Verfügung als auch im vorliegenden Hauptsacheverfahren die Anträge zurückgewiesen und zur Begründung im Kern ausgeführt, die Anträge seien mangels Antragsbefugnis der Antragstellerin unzulässig. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss im Hauptsacheverfahren Bezug genommen.
Gegen den Beschluss im Hauptsacheverfahren wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 5. August 2010 (Fax) eingegangenen Beschwerde. Die Beschwerde ist ohne Einschränkung gegen die Beteiligten zu 2, 3 und 4 und gegen den Beschluss insgesamt eingelegt worden. Die Beschwerdeführerin verfolgt indessen nur noch den Antrag zu 2. weiter und diesen auch nur noch gegen die Dienststellenleitung (Beteiligte zu 2) und die Mitarbeitervertretung (Beteiligte zu 3). Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerde und Beschwerdebegründungsschrift vom 5. August 2010 Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Ob sich die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde nach § 65 Abs. 2 MVG.K (i.d.F. vom 11. März 2006) oder nach § 63 Abs. 2 MVG.EKD richtet, kann dahingestellt bleiben, weil beide Vorschriften wortwörtlich übereinstimmen.
2. Nach § 65 Abs. 2 Satz 1 MVG.K wie auch nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 MVG.K wie auch nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keiner dieser Annahmegründe liegt vor, vor allem nicht die zu Nummer 1 oder Nummer 2 der o.a. Annahmegründe.
a) Der Annahmegrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 65 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 MVG.K, § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 MVG.EKD) ist nicht gegeben. Die Beschwerde hat nicht dargetan, inwieweit der von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung dieser Rechtsfrage abhängt, diese klärungsbedürftig und klärungsfähig und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchliche oder diakonische Rechtsordnung ist (zuletzt KGH.EKD, Beschluss vom 20. Oktober 2010 -I-0124/S3-10-, z.V.v.; vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 63 Abs. 1 Buchst. g) MVG.EKD a.F.: KGH.EKD, Beschluss vom 19. Mai 2005 - II-0124/K40-04 - ZMV 2006, 89). Es fehlt an der Klärungsbedürftigkeit wie an der allgemeinen Bedeutung der Rechtsfrage. Die umfangreiche Einlassung der Beschwerde verkennt das System des kirchlichen Mitbestimmungsrechts. Das Mitbestimmungsrecht, sei es das der Evangelischen Kirche in Deutschland, sei es das der Konföderation, sieht eine irgendwie mit einem Rechtsanspruch versehene Position des einzelnen Mitarbeiters auf Herbeiführung oder Unterlassung einer Mitbestimmungs- oder Mitberatungshandlung nicht vor. Diese eindeutige Rechtslage ist nicht klärungsbedürftig. Es fehlt auch an einer allgemeinen Bedeutung. Die Beschwerde hat hierzu nichts vorgebracht; die von ihr aufgeworfene Frage findet ihren Grund nur in der von eben nur dieser Beschwerde zu Unrecht vertretenen Konstruktion. Sie ist singulär.
b) Auch der Annahmegrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 65 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.K, § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD) liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 12. April 2010 -I-0124/S13-10- ZMV 2010, 264). Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Schiedsstelle hat zutreffend erkannt, dass es für das Begehren der Antragstellerin keine Rechtsgrundlage gibt, weil ihr als einer einzelnen Mitarbeiterin mangels Beteiligteneigenschaft nicht die rechtliche Fähigkeit zukommt, ein mitbestimmungsrechtliches Beschlussverfahren einzuleiten oder zu führen. Beteiligte i.S.d. MVG.EKD wie auch des MVG.K sind nur die Personen, Einrichtungen, Institutionen und Stellen, denen das Mitarbeitervertretungsrecht Rechte und Pflichten zuweist. Dies folgt aus § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 9 MVG.K, der dazu ergangenen Verordnung des Rates der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über das Verfahren vor der Schiedsstelle (VerfOSchSt) und des § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 3 ArbGG. Beteiligt ist hiernach nur, wer in seiner materiell-rechtlichen Position betroffen ist, die ihm das Mitarbeitervertretungsrecht zuweist. Dazu zählt der einzelne Mitarbeiter nur in den dort genannten Fällen, z.B. bei der Wahlanfechtung mit mindestens drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Für das vorliegend verfolgte Begehren, das auf die Unterlassung von Mitbestimmungshandlungen gerichtet ist, weist das Mitarbeitervertretungsrecht dem einzelnen Mitarbeiter selbst keine eigene Rechtsposition zu.
III. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob die über den angekündigten Antrag hinausgehende Beschwerde, vor allem, soweit sie gegen die Beteiligte zu 4 (Arbeitsrechtliche Kommission) gerichtet ist, zulässig oder mangels Begründung unzulässig ist.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).