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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:15.07.2009
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/R24-09
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 30 Abs. 2 Satz 1, § 61 Abs. 9, ArbGG § 68
Vorinstanzen:Gemeinsame Schlichtungsstelle der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR, 1 GS 157/2008; Fundstellen: ZMV 5/2009, S. 259, ZMV 6/2009, S. 324, KuR 2/2009, S. 291
Schlagworte:Beschwerde, Einstweilige Verfügung, Widerspruch
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Leitsatz:


1. § 61 Abs. 9 MVG.EKD betrifft nur die im ersten Rechtszug entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung der Mitarbeitervertretung. Hierüber entscheidet der Vorsitzende alleine.
2. Ob und welche im zweiten Rechtszug entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung der Mitarbeitervertretung von der Dienststelle zu tragen sind, richtet sich nach der all-gemeinen Regelung in § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD. Hierüber entscheidet das erstinstanzliche Kirchengericht durch die Kammer.
3. Die Kosten der zweitinstanzlichen Rechtsverfolgung oder -verteidigung sind im zweiten Rechtszug (§ 63 MVG.EKD) nicht schon dann i.S.d. § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD erforderlich, wenn die Dienststellenleitung gegen eine erstinstanzliche Entscheidung Beschwerde zum Kirchengerichtshof eingelegt hat. Die Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten für den zweiten Rechtszug setzt in solchem Fall regelmäßig voraus, dass der Kirchengerichtshof die Beschwerde zur Entscheidung angenommen oder er die Mitarbeitervertretung zur Stellungnahme aufgefordert hat.
4. Hat eine Dienststellenleitung eine Beschwerde nur vorsorglich zur Fristwahrung eingelegt, so ist es bei aller Wahrung des Beurteilungsspielraums der Mitarbeitervertretung nicht erforderlich, dass eine Mitarbeitervertretung einen Rechtsanwalt mit der Interessenvertretung im zweiten Rechtszug beauftragt, ohne abzuwarten, ob die Dienststellenleitung die nur vorsorglich eingelegte Beschwerde durchführen wird.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR vom 25. Februar 2009 - 1 GS 157/2008 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dienststelle die Kosten zu tragen hat, die dadurch entstanden sind, dass die Mitarbeitervertretung im damaligen Verfahren des zweiten Rechtszuges (KGH.EKD, Az. I-0124/P15-08) Rechtsanwalt B zu ihrem Verfahrensbevollmächtigten bestellt und dieser sich zur Gerichtsakte legitimiert hat.
Die Beteiligten haben ein mitarbeitervertretungsrechtliches Beschlussverfahren geführt. Die Dienststellenleitung hatte gegen den sie belastenden erstinstanzlichen Beschluss fristwahrend Beschwerde eingelegt und der Mitarbeitervertretung unter dem 15. April 2008 schriftlich mitgeteilt, dass die Einlegung der Beschwerde lediglich fristwahrend erfolgt und damit eine Einschaltung von Rechtsanwalt B derzeit nicht erforderlich sei. Das Schreiben wurde der Mitarbeitervertretung am selben Tag um 15.56 Uhr übermittelt. Am 16. April 2008 beschloss die Mitarbeitervertretung, den Rechtsanwalt B mit ihrer Vertretung im Verfahren I-0124/P15-08 zu beauftragen; sie erteilte ihm mit Schreiben vom 17. April 2008 diesen Auftrag. Das Verfahren I-0124/P15-08 endete, nachdem die Dienststellenleitung die Beschwerde am 24. April 2008 zurückgenommen hatte.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Mitarbeitervertretung die Feststellung, dass die Dienststelle sie von den Kosten der oben dargestellten Hinzuziehung des Rechtsanwalts B freizustellen habe. Die Vorinstanz hat das Begehren durch Beschluss des Vorsitzenden vom 25. Februar 2009 mit der Begründung zurückgewiesen, es bestünden gegen die Zulässigkeit des Antrags Bedenken, weil es grundsätzlich im Recht nicht vorgesehen sei, dass eine untere Instanz über die gerichtlichen oder außergerichtlichen Kosten entscheide, die in einer höheren Instanz angefallen seien; der Antrag sei aber auch unbegründet, weil es der Mitarbeitervertretung zuzumuten gewesen sei, mit der Bestellung des Rechtsanwalts abzuwarten, bis Klarheit bestand, dass die Beschwerde durchgeführt werde.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 11. Mai 2009 Bezug genommen. Die Dienststellenleitung hat auf die Beschwerde nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 12. Juni 2009 entgegnet.
II. Die Beschwerde war nach § 63 MVG.EKD nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit und die Zulässigkeit sowie das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 MVG.EKiR (KABl. 2005 S. 142).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann.
3. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor, vor allem nicht die zu Nummer 1 des § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des vorinstanzlichen Beschlusses (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD) sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht. Die Gründe, aus denen sich die ernstlichen Zweifel an der materiellen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses ergeben sollen, müssen in der Beschwerdebegründung aufgezeigt sein. Daran fehlt es hier. Vielmehr erweist sich der verfahrensfehlerhaft ergangene Beschluss in der Sache selbst als zutreffend.
Zwar ist der angefochtene Beschluss verfahrensfehlerhaft nicht durch die Kammer, sondern durch den Vorsitzenden alleine ergangen. Über den Kostenfreistellungsantrag für die Rechtsanwaltskosten im zweiten Rechtszug war nicht nach § 61 Abs. 9 MVG.EKD zu entscheiden. Die Norm betrifft nur die notwendigen außergerichtlichen Kosten in erstinstanzlichen Verfahren nach dem MVG.EKD. Eine entsprechende Vorschrift darüber, wer die Kosten der Mitarbeitervertretung für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung im zweiten Rechtszug zu tragen hat, enthält das MVG.EKD nicht. Anders als der Gesetzeswortlaut es nahe legt, geht es auch im Verfahren nach § 61 Abs. 9 MVG.EKD nicht um einen prozessualen Kostenerstattungsantrag, der sich bei den meisten Verfahrensordnungen entsprechend dem Grundprinzip der ZPO und nach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens gegen den Prozessgegner richtet, sondern um einen materiell-rechtlichen Kostentragungsantrag i.S.d. § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD. Der Sache nach regelt § 61 Abs. 9 Satz 2 MVG.EKD hinsichtlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Mitarbeitervertretung bei der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dasselbe wie § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD. Allerdings hat über die derart im ersten Rechtszug entstandenen Kosten nach § 61 Abs. 9 Satz 1 MVG.EKD der Vorsitzende alleine zu entscheiden, während die Entscheidung, inwieweit Kosten der Mitarbeitervertretung - dazu zählen auch die Verfahrenskosten im zweiten Rechtszug - nach § 30 Abs. 2 MVG.EKD von der Dienststelle zu tragen sind, zunächst erstinstanzlich durch die Kammer und im zweiten Rechtszug durch den Senat zu treffen sind. Dieser Verfahrensfehler hat wegen § 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 68 ArbGG nicht die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Zurückweisung an die erste Instanz zur Folge.
Im Ergebnis erweist sich der angefochtene Beschluss als zutreffend. Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD sind nicht erfüllt. Die Kosten der zweitinstanzlichen Rechtsverfolgung oder -verteidigung sind im zweiten Rechtszug (§ 63 MVG.EKD) nicht schon dann erforderlich i.S.d. § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD, wenn die Dienststellenleitung gegen eine erstinstanzliche Entscheidung Beschwerde zum Kirchengerichtshof eingelegt hat. Die Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten für den zweiten Rechtszug setzt in solchen Fällen regelmäßig voraus, dass der Kirchengerichtshof die Beschwerde zur Entscheidung angenommen oder er die Mitarbeitervertretung zur Stellungnahme aufgefordert hat. Hat eine Dienststellenleitung eine Beschwerde nur vorsorglich zur Fristwahrung eingelegt, so ist es bei aller Wahrung des Beurteilungsspielraums der Mitarbeitervertretung nicht erforderlich, dass eine Mitarbeitervertretung einen Rechtsanwalt mit der Interessenvertretung im zweiten Rechtszug beauftragt, ohne abzuwarten, ob die Dienststellenleitung die nur vorsorglich eingelegte Beschwerde durchführen wird. Eine Beeinträchtigung oder gar ein Verlust ihres Rechts drohte der Mitarbeitervertretung infolge solchen Abwartens nicht.
So liegt es auch hier, wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).